Paris für Touristen

Wenn Paris schon keine heimelige Stadt ist, zumindest für mich nicht, so soll man ihr nicht die unleugbaren Vorteile absprechen. Und die liegen eindeutig im Unterhaltungswert. Und genau die haben wir dieses letzte Wochenende auch genutzt. Zuerst waren wir bei unserem lieben Jean-Phillip, was doch soviel netter klingt als Hans-Phillip, wobei sich mir der Sinn dieser ganzen Hanses vor anderen Namen eh noch niemals erschlossen hat?! Was soll das? Kann man ein Kind nicht einfach Philipp oder Jürgen oder Peter nennen? Muss da immer ein Hans dabei sein? Egal. Anderes Thema. Wir waren also zuerst in dem von mir schon seit Jahren sehnsüchtig beliebäugelten Bistro bei uns um die Ecke, das wirklich und echt noch Resopaltische mit rot-weiß-gewürfelten Papiertüchern hat und eine wunderschöne Bar mit Reling zum Schirmhinhängen, Hundanbinden oder Festhalten. Es gibt Hausmannskost und da der Wein in Fässern oder mit Tankwagen angeliefert (werden muss) wird, kommt er in reichlich verschmutzten (ich rede mir ein, nur von außen) Servierflaschen auf den Tisch, ist aber von wunderbarer Süffigkeit und Qualität. Es ist fast schon heimelig dort.

Die Gerichte sind für meinen Mann und mich zwar ein klassisches Vabanquespiel, da wir uns bei unseren Nachbarn nach so langer Zeit nicht als Banausen gerieren möchten und uns deshalb nicht nachfragen trauen. Zumal uns die sehr zügige und sehr französische Erläuterung der einzelnen Gerichte auch nicht wirklich weiterbringen würde….Manchmal schaffe ich es, heimlich unter dem Tisch zu googeln (am liebsten mit Foto), aber Jean-Philip bleibt auch gerne abwartend stehen und dann wagen wir auch das nicht. Ein Elend. Letztes Mal sind wir deshalb beide auf Nummer sicher gegangen, hätten dann aber einen Rollwagen brauchen können beim Heimkommen. Wir haben nämlich nur die zwei kalorienreichsten Gerichte (Entrecote und Cassoulet) verstanden und logischerweise auch bestellt. Wir mussten nach der Hälfte die Segel streichen, was kommentarlos zur Kenntnis genommen wurde. Wir waren uns unserer Schwäche bewusst und haben uns beim Wein mehr Mühe gegeben. Jedenfalls war dieser erste Abend schon ein guter touristisch-heimeliger Einstieg. Am nächsten Morgen habe ich meinen kunstsinnigen Mann dann sofort nach dem Aufstehen ins Museum gescheucht, was praktischerweise einen Hüpf über die Seine liegt und ganz wunderschön ist. Vor allem habe ich zu meiner großen Freude auch hier ein wunderschönes Restaurant gefunden und ich muss sagen, wenn man in Museen essen kann und auch noch in güldenen Sälen mit bunten Stühlen, dann hält mich nichts mehr und ich möchte gerne täglich ins Museum gehen! Ich sag ja immer, man muss es mir nur schmackhaft machen.

Nach ausführlichen Bummeln diesseits und jenseits der Seine und einem klitzekleinen Mittagessen in meinem derzeitigen Mittagslieblingsrestaurant sind wir dann abends in den „Lido“ gegangen (den mein goldiger Mann gar nicht so richtig kannte – besser so). Das war zunächst eine recht profane Erfahrung, weil wir zwanzig Minuten im Eingang stehen und warten mussten bis wir hineingeführt worden sind. Drinnen hat dann unser Kellner etwas getan, was ich LIEBE. Er hat die Plätze für uns vertauscht und uns an den Rand gesetzt. Das war fast noch viel besser als Zimmertauschen im Hotel. Es kam dann noch ein nettes Paar, das ohne viel Federlesens zwei Flaschen Weißwein inhaliert hat, uns zwar zwei Gläser angeboten hat, aber immerhin. Die Akrobatik war sensationell, das Singen naja, muss halt, aber wie gesagt: die Akrobatik war einfach der Hammer!!! Sonntag dann noch Louvre und ich glaube, ich kann sagen: wir waren an diesem Wochenende Touristen mit Wohnung in Paris. Und das, Ihr Lieben, versöhnt mich total mit dieser riesigen Stadt. Das Einzige, was mich zum Schluss hin verärgert hat und mir in Rom NIEMALS passieren könnte, nicht mal in Augsburg: ich wollte ein Eis (und das möchte ich ungefähr einmal im Jahr) und es war trotz Fahrradrikscha nicht möglich, an eines zu kommen, ohne stundenlanges Anstehen. Mais, c’est la vie, tant pis.

Dazwischen leben

Nach solchen Highlights wie einer ganzen Geburtstagswoche, die – ich muss es zugeben – fast schon royale Züge angenommen hat, könnte man ja durchaus in ein Loch fallen. Tut man aber nicht. Weil man schlau ist und sich gleich weitere schöne Dinge vornimmt oder sie zumindest plant. Nach Paris fahren zum Beispiel. Oder den nächsten Fünfziger am drauffolgenden Wochenende feiern oder weitere Geburtstage in der Familie begehen. Schönes vorzuhaben ist etwas ganz Wichtiges finde ich und bei mir stellt sich das – wie bei anderen vielleicht auch – relativ leicht dar, denn an sich muss es nichts Großes sein. Mit einer Freundin Cappuccino trinken reicht schon. Bei mir kommt – betrachtet man es positiv – auch noch hinzu, dass ich meinen Mann immer nur am Wochenende sehe und es damit einfach ist, etwas Schönes vor sich zu haben. Die wahre Kunst besteht darin, auch dazwischen zu leben. Klar, leben tut man schon, aber auch mit der Intensität? Mit der Freude? Dem Elan? Was macht das Leben aus? Die Spannung, das Neue, die Aufregung? Das Warten auf was Schönes? Braucht es (das Leben) – wie das Gehirn – auch Phasen, all das zu verarbeiten und mal ruhig vor sich hin zu sortieren? Kommen die automatisch? Sollte man also Gas geben, solange es geht? Oder ist das typabhängig? Von allem ein bisschen vermutlich.

Was passiert, wenn man immer aufregende neue Dinge tut? Nie Routine hat? Oder im Gegenteil gar keine neuen Dinge erlebt, nicht unter Menschen ist und ein einziges tägliches Einerlei hat? Beides ist vermutlich fatal und wie bei allem macht der Wechsel die Mischung aus. Wie ein Intervalltraining im Wald. Hundert Meter rennen, fünf Minuten gehen, hundert Meter hüpfen, wieder gehen. Menschen, die immer unterwegs sind, nie dasselbe tun, müssen doch wahnsinnig müde werden. Sie kommen glaube ich in so einen unwirklichen Zustand, der sie nur noch auf Sparflamme atmen und leben lässt und sie überhaupt nicht mehr runter- und bei sich ankommen. Oder ist das dann ihre Routine? Sind sie dran gewöhnt? Ein Freund von uns tut sich wahnsinnig schwer damit, mehr als vier wache Stunden zuhause zu sein, ohne etwas vorzuhaben oder essen zu gehen. Ich würde da verrückt werden. Mein Leben unter der Woche ist so dermaßen ruhig und voller Routine, dass es zum Piepen ist. Ich könnte das gar nicht aushalten, wenn ich jeden Tag irgendwas Neues zu tun hätte. Meine nettesten Tage sind die, bei denen der Gang zur Schneiderin das Highlight ist und ich ansonsten vor mich hintippe. Manchmal nehme ich mir dann noch vor, abends aus zu gehen und verwerfe es dann schaudernd wieder, worüber ich mich wahnsinnig freuen kann, weil es ist, als würde man bei P&C was kaufen und es dann wieder zurück bringen. Das ist wie gespart oder verdient oder Schlimmes abgewendet. Eigenartig unser kleines faules Gehirn oder? Will alles so rasch wie möglich standardisieren und einordnen. Damit es weniger Arbeit mit uns hat.

Wahrscheinlich ist es wohl wichtig, beide Phasen zu genießen und sie auch bewusst suchen. Gerade bei so überaus besonderen Gelegenheiten wie einer Feier kann man sehen, wie viel Energie da rumhüpft und wie sehr sie die Menschen aufladen kann. Wie sie auftauen und sich freuen und Teile von sich entdecken, von denen sie selbst nicht mehr wussten, dass sie da sind. Und dann ist es wieder traumhaft, einen Tag auf dem Sofa zu verbringen und gar nicht raus zu gehen. Eine liebe Freundin von mir hat sich vor sehr vielen Jahren mal wahnsinnig echauffiert, dass ich in verschiedenen Gruppen verschiedene Menschen bin. Heute weiß ich, dass das völlig normal ist, dass jeder Mensch verschiedene Rollen in verschiedenen Umfeldern einnimmt. Das macht die Vielfalt eines Charakters und eines Wesens aus. Und genauso ist es auch mit dem Leben, glaube ich. Denn eigentlich ist es so wie mein Mann immer wieder sagt, wenn ich mich fürchterlich über etwas aufrege: Alles geht in Wellen, mal hoch, mal runter, ist immer in Bewegung. Das ist Leben. Schön ist das. Und schön ist auch, wenn man so einen klugen Mann hat.

Glück ist ansteckend

Am Samstag habe ich etwas Unglaubliches getan. Ich habe ein Fest gefeiert. Für einen Menschen, der niemandem von seinem Blog erzählt und auch ansonsten recht privat ist, kann das, was andere ganz arg wunderbar finden, schon zu einem riesigen Berg werden. Seit eineinhalb Jahren dräut dieses Ereignis nun schon über mir und ich habe alle, wirklich alle Stadien der Angst, Verleugnung, Panik, Flucht, Nichtwahrhabenwollen, Verdrängen – einfach alle – durchlebt. Ganz, ganz selten war leise Freude dabei und die Idee, dass es doch ganz nett werden könnte. Samstag war es dann eben so weit. Um sieben sollte es losgehen. Als um viertel nach sieben noch nicht alle da waren, war ich überzeugt, keiner würde kommen. Mein Mann meinte, mit den 45 Leuten, die um viertel nach sieben schon da seien, könnte man auch schon ganz ordentlich Party machen. Dabei betonte er die 45 recht dramatisch. Er fand es wohl erstaunlich, dass alle so pünktlich waren. Man wird aber auch nicht so alt, ohne dass ein paar Menschen ein kleines bisschen über einen Bescheid wissen. Und ich bin nun mal pünktlich.

Was nach den ersten Momenten der Panik und den Monaten des Fürchtens geschah, hat alle Erwartungen übertroffen, die ich jemals gehabt hatte. Das heißt, sie wurden alle komplett widerlegt. Es kamen zum Einen ausschließlich Menschen, die mir am Herzen lagen, keine Gegeneinladungen oder Bekannte, die man eben einlädt, sondern wirklich nur solche, mit denen ich feiern wollte. Und wie sie dann noch gefeiert haben und sich gefreut haben und sich an mir und den anderen Gästen gefreut haben, hat alles übertroffen, was man sich vorstellen und wünschen kann. Angefangen von der zauberhaftesten Rede, die eine Ehefrau nach so vielen Jahren von ihrem Mann bekommen kann, über den liebevollsten und treuesten Vortrag meiner drei Studienfreundinnen, meiner Mädels, die mich mit einem wahnsinnig schönen Gemälde überrascht haben und das auch noch so einfühlsam durchdacht und präsentiert haben bis hin zum hinreißendsten Singspiel, von dem ich noch lange träumen werde, war einfach alles perfekt. Angeblich sei auch das Essen großartig und ausreichend gewesen. Ich weiß davon nichts, ich habe keinen Bissen runter bekommen. Der DJ hat genau das gemacht, was ich mir gewünscht hatte und die Nachbarn waren entweder alle taub oder nicht da. Keiner hat sich beschwert. Ich habe mir mit meinen Zehncentimeterschuhen nichts gebrochen und dafür, dass ich den ganzen Abend getanzt habe, war das beachtlich.

Was kann man also aus so einem Abend schließen? Manche Sorgen sind unbegründet? Wenn man so lange nicht feiert, freuen die Leute sich über jedes Fest? Glück ist ansteckend, denn je mehr ich mich gefreut habe, desto mehr haben sich alle anderen auch gefreut? Ich habe für mich daraus geschlossen, dass ich wahnsinnig glücklich bin, mir immer wieder die Tränen hochsteigen und ich wahrlich gesegnet mit so vielen zauberhaften Menschen in meinem Leben bin. Gerade weil ich so oft nicht da bin, das Hundertste absagen muss, mit uns nicht immer gut zu planen ist, schätze ich das umso mehr. Viele haben gesagt, „Du wirst auf den Geschmack kommen, jedes Jahr wirst Du jetzt feiern!“, aber das weiß ich sicher, es wird nicht geschehen. Jetzt erst recht nicht mehr. Das ist nicht zu toppen. Es war perfekt. Ich bin sehr, sehr glücklich. Und auch deshalb, weil jetzt mein wunderbarer Alltag wieder einkehrt.

Banken

Vieles ist in den letzten Jahren über Banken, Banker und ihr ganz spezielles Gebaren geschrieben worden. Zum Glück beschränken sich meine schlechten Erfahrungen – bis auf eine spontane Bankauflösung, bei der dann eine komplette Geldanlage quasi weg war – auf schlichte menschliche Blödheit. So wie heute in der Filiale meines Vertrauens. Und das war so: Um für die Verteilung möglichst passgenauer Trinkgelder gerüstet zu sein, wollte ich mir Geld in passende Tranchen wechseln lassen. Nichts ist peinlicher als jemandem einen Schein hinzuhalten und ihn zu bitten, ihn bitteschön zu wechseln, bevor man ihm einen Teil davon gibt. Zumindest findet ich das nicht nett. Also wollte ich möglichst flexible Scheine haben und bin in meine Filiale geeilt. Diese jammert mir schon seit Längerem vor, dass die Gebühren dringend erhöht werden sollten, weil sie soviel Arbeit hätten und dass sie außerdem kaum noch Heftchen für Kontoauszüge oder Überweisungsformulare haben, weil ich offenbar die letzte Kundin unter neunzig bin, die noch kein Onlinebanking macht und solche Dinge braucht. Unter uns gesagt, wird das auch noch so lange so bleiben, bis man mich dazu zwingt, um genau zu sein.

Ich frage mich schon länger, wozu es überhaupt noch Filialen gibt und was all diese Menschen, die ihren Job ja offenbar nicht gerne machen, dann tun wollen. Und nachdem mein auserkorener Liebling nun aufgrund seiner herausragenden Kompetenz (es war abzusehen und hat sich seit Längerem abgezeichnet) die Filiale gewechselt hat, frage ich mich, wieso derart von sich eingenommene und meist auch inkompetente Menschen für das Geld anderer Menschen zuständig sein dürfen. Gewohnt an den Umgang mit verschüchterten Rentnern, die ihr Passwort vergessen haben und radebrechenden Mitbürgern mit Migrationshintergrund oder Menschen, die auf ihre Sozialbezüge warten und einen Überbrückungskredit zum Einkaufen brauchen, haben die Filialmitarbeiter den normalen Kunden also ein wenig aus den Augen verloren. Die nächste Stufe sind dann erst wieder Menschen, die einen eigenen Immobilienfonds auflegen möchten. Die gehen dann aber wiederum nicht in meine Filiale in der Altstadt. Hm. Aber zurück. Ich wollte vier Scheine in 25 Scheine wechseln. Kein großes Ding. Dort schon. Man bekommt eine mühsam programmierte Karte, die muffelige junge Dame braucht, um sie auszustellen, einen zweiten Fingerabdruck, wird hinausgeschickt an einen Geldautomaten und gebeten, das Geld einzuzahlen. Das hat noch prima geklappt.

Der zweite Schritt hat uns dann das Genick gebrochen. Die Karte musste erneut programmiert werden und zwar mit der Stückelung, die ich mir gewünscht hatte. Inzwischen kamen zwei Mitarbeiter eines Werttransportes mit lautem Getöse und zwei Metallkoffern herein und sind in einem Hinterraum hinter den Geldautomaten verschwunden. Die muffelige junge Dame hat derweil wieder nach einem zweiten Fingerabdruck Ausschau gehalten, die Programmierung dann geschafft und mich an den rechten Geldautomaten geschickt. Dieser hat die Karte sofort wieder ausgespuckt und empört vermeldet, er sei außer Betrieb. Was mich dann allerdings im Gegenzug sehr empört hat. Drinnen hieß es nur lapidar, das sei „höhere Gewalt“ und ich könnte mein Geld jetzt nicht holen, weil die Sicherheitstechniker oder Werttransportmenschen jetzt da seien. Und das finde ich wirklich frech. Wenn man doch schon sieht, wie sie hereinkommen und weiß, was der Kunde möchte, dann gibt man doch wenigstens kurz Bescheid. Denn das Ende vom Lied war, dass ich genau dieselbe Stückelung wie vorher nun eben aus dem linken Automaten gezogen habe und mir die Leier von der höheren Gewalt noch mehrmals anhören sollte. In fünf bis zehn Minuten ginge alles wieder. Ich bin dann lieber in die Zentrale gefahren. Aber dass Filialen sich zunehmend entbehrlich machen, ist für mich inzwischen auch verständlich. Vor allem, wenn dann auch ich mal zum Onlinebanking wechseln werde. Wer soll sie dann noch brauchen? Was sollen sie tun?

Streiks

Wenn ich einmal in unsere Hauptstadt reisen möchte, den Flug schon gebucht habe und auch schon weiß, was ich anziehen möchte, lauert ein Hindernis der ganz anderen Art. Eines, das wir in unserem kleinen Augsburg fast gar nicht kennen. Ein Streik. Und zwar des Bodenpersonals am Flughafen. Für einen Bahnfahrer wie mich ein Schlag ins Gesicht. Ein Streik – ich habe das eben nachgeschaut – ist ein Schlag, ein Streich. In jedem Fall ein Mittel des Arbeitskampfes, um Ziele zu erreichen. Selten geht es dabei um mehr Arbeit für weniger Geld. Fast immer, so scheint es, finden Streiks im öffentlichen Verkehr statt. Oder bemerken wir sie nur dort? Wenn ein paar Autos nicht rechtzeitig zusammengeschraubt werden, ist das sicherlich auch ärgerlich, trifft aber nur die Wenigsten. Wenn Bahnhöfe oder Flughäfen bestreikt werden, ist das was völlig anderes. Das trifft dann viele und die sind sauer. Und wirklich nur die allerwenigsten können und wollen verstehen, warum diese Streiks notwendig sein sollen. Sind die Unternehmen wirklich so verbohrt, raffgierig und kurzsichtig wie es immer heißt? Schütten sie wirklich all ihre Gewinne an die Aktionäre aus? Und überhaupt: an welche Aktionäre? Haben die Berliner Flughäfen Aktionäre? Oder geht es hier darum, dass wir supergünstig fliegen können?

Wie das mit der Günstigfliegerei geht, ist mir sowieso ein völliges Rätsel. Nicht, dass es mich nicht freuen würde, ich profitiere sehr davon und könnte mir mein Leben ansonsten keineswegs in diesem Stile leisten. Früher, zu reinen Lufthansa- oder Alitalia-Zeiten musste man echte Hin- und Rückflüge buchen und die gab’s selten unter fünf, sechshundert Mark. Da war es dann schon sehr ärgerlich, wenn ein Termin verlegt wurde und man schnell zurück nach Deutschland musste. Wer zahlt also für diese Erleichterung? Das Benzin ist nicht billiger geworden, das wissen wir alle, auch wenn wir immer nur für zwanzig Euro tanken. Die Flugzeuge selbst sind es hoffentlich auch nicht. An der Wartung wird hoffentlich ebenfalls nicht gespart und auch an der Ausbildung der Piloten nicht. Hoffe ich mal. Vielleicht sind die Uniformen der armen Stewardessen aus nicht ganz so hautfreundlichem Material. Auch wird sicherlich an Design und Tragekomfort zugunsten von Fleckabweisbarkeit des Stoffes gespart. Wo hat sich dann also dieses riesige Einsparpotenzial aufgetan, von dem wir alle so trefflich profitieren, wenn wir für 19 Euro nach London fliegen? Wo übrigens ein Tagespass für den Bus teurer ist?! Klar, wir buchen inzwischen selbst, drucken unser Ticket selber aus, checken uns ein, zahlen für unser Gepäck und so weiter und so fort.

Aber ist es vielleicht doch auch das Bodenpersonal, an dem gespart wird? Die Flugbegleiter? Immerhin streiken sie ja im flotten Wechsel. Und wenn es nicht die sind, dann sicher die im Gegenzug millionärshaft verdienenden Piloten. Wir bekommen nur die ärgerlichen Auswirkungen mit, das ist klar und leider gibt es auch unter den mir bekannten Flugbegleitern keinen echten Streiknickl, den ich fragen könnte. Dennoch frage ich mich: gibt es nicht auch andere Berufe, wo ein Streik noch gerechter wäre? Krankenpfleger zum Beispiel? Freie Journalisten? Scherz beiseite, ich möchte sicherlich nicht die Arbeit von Krankenpflegern mit der von freien Journalisten vergleichen, aber während Erstere nicht streiken, weil sie wissen, dass dann Menschen sterben, lohnt es sich bei freien Journalisten nicht, weil jeden Morgen Tausende aufstehen, die alles täten, um überhaupt veröffentlicht zu werden. Auch umsonst. Was ich an sich sagen möchte: Klar sind Streiks sauärgerlich und klar soll jeder froh, sein, dass noch keine Maschine seinen Job macht, die Macht liegt jedoch wie immer in der Einigkeit der Betroffenen. Und irgendwo muss bei dieser ganzen Sache doch der Hund begraben sein, oder?

Einfacher Rührkuchen??!!!

Vieles im Leben hat Konsequenzen, die sich einem nicht gleich erschließen. Sie tauchen erst viel später auf und verursachen doch die ein oder andere Herausforderung. Aufmerksame Leser erinnern sich vielleicht an unsere zügellosen Vacanze Romane im Sommer. Als wir beinahe jeden Abend mit der Vespa in die Stadt gesaust sind und Unmengen an Aperol Spritz in uns hineingeschüttet haben und damit der nicht so alleine im Bauch rumplätschert auch in der Folge immer neue Restaurants ausprobiert haben. Weil mein Mann eben doch schon länger in diesem schönen Land lebt, gar dort geboren ist, ist er mir in wenigen kulinarischen Finessen auch einen Hauch voraus. Und so bestellte er sich eines schönen Abends „Polpette al Sugo“. Weil wir in einem echt schönen Restaurant waren, das eigentlich wie ein bayerischer Biergarten angelegt war, schmeckten sie einfach traumhaft gut. Ich hatte einen Mordsrespekt vor ihnen! Und verschob dieses Urgericht der römischen und natürlich italienischen Küche erst mal ein wenig. Ist kein echtes Sommergericht.

Neulich in Augsburg jedoch überkam mich die Tollkühnheit und ich hab mich sofort mit drei verschiedenen Rezepten dran gemacht. Ich glaube wenig an Einzelrezepte, denn der eine, der es niederschreibt, mag dieses Gewürz nicht, der andere hat es nicht im Haus und so weiter und so scheinen Notgeburten auf einmal das Maß aller Dinge. Dem trau ich nicht und mische meist die Rezepte. Egal, jedenfalls waren diese Bällchen ein voller Erfolg und ich wollte sie natürlich auch in Rom machen. Aber dafür braucht man Eier. Und damit nahm alles seinen Lauf. Eier habe ich fast nie zuhause. Es gibt sie auch nur im Sechserpack. Ihretwegen hätte ich schon zweimal fast meine Wohnung abgefackelt, weil ich aus den Resteiern meist versuche, harte zu machen, sie dann aber auf dem Herd vergesse. Resteier und ich werden keine Freunde mehr in diesem Leben. Gestern dachte ich mir jedoch: Mensch, das trifft sich prima, Wochenende ist’s, Mann ist da, Eier sind da – machst einen Kuchen. Nachdem ich auch noch Butter im Gefrierfach gefunden hatte und ein Rezept, für das man kaum etwas anderes brauchte als Zucker, Mehl, Butter und eben Eier, wollte ich loslegen.

Eier und Zucker schaumig rühren. Ging nicht. Mixer hat noch ein röchelndes Geräusch gemacht und war dann tot. Bis dahin hatte ich schon so viele Hürden genommen und da war es dann ähnlich wie mit Mares Poncho vor eineinhalb Jahren, da kann ich dann stur werden. Also sind wir zum Elektronikfachmarkt unseres Vertrauens gesaust, haben da auch gleich noch bunte Tassen gekauft und haben uns an den Kuchen gemacht. Leider war auch das Backpulver etwas älter und auch der Vanillezucker, aber inzwischen war ich zu allen Risiken bereit. Langer Rede, kurzer Sinn: es hat dann funktioniert. Man hätte vielleicht auch die angegebene Milch reintun können, dann wäre er nicht ganz so trocken geworden, aber nun, am zweiten Tag und unter einer hübschen Glasglocke, schmeckt er ganz passabel und zu meiner Freude kann ich vermelden, dass auch alle das alte Backpulver überlebt haben. Das Einzige, was mich an dem Kuchen stört, ist sein Namen: Einfacher Rührkuchen. Hallo? Ich war zwei Stunden damit beschäftigt. Mag mir gar nicht ausmalen, welche Mühe ein nicht einfacher Kuchen macht.

Also wirklich

Auch unsere Lieblingsstadt Rom kann einen auf die Probe stellen. Zum Beispiel mit äußerst schwierigem Wetter. Während in Deutschland – angeblich – die Sonne auf Karnevalisten aller Art niedergebrannt ist, schlagen wir uns hier mit Regen und vor allem grauem Himmel rum. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das zum letzten Mal erlebt habe. Besonders ärgerlich ist das natürlich, wenn man selbst dafür verantwortlich ist. Ich hätte es wissen müssen, als ich kurz nach der Ankunft mein Auto fast schon zwanghaft zu Michele zwecks Reinigung gefahren habe. Die folgenden Tage verbrachten wir in steter Sorge, dass bei einem unserer kurzen Streifzüge dicke Tropfen auf das blanke schwarze Gefährt fallen könnten. Bis es uns gestern dann völlig wurscht war und wir zu unseren Streifzügen aufgebrochen sind. Zuerst zu Ivan, dem Fischhändler. Auf dem Weg dorthin habe ich meine Mutter schonend darauf vorbereitet (sie lehnt Veränderungen in diesem Ausmaß eher ab), dass wir uns vielleicht einen neuen Fischverkäufer suchen müssten. Ivan war die letzten Male nie mehr im Laden und bis ich seinen Bruder an mich gewöhnt haben werde, dauert mir das zu lange. Ich bin einfach zu selten da und muss auf die Treue der vergangenen Jahre zählen können.

Einen Fisch wollten wir dennoch. Also bin ich schon etwas wehmütig angesichts des drohenden Abschieds hinein und war äußerst positiv überrascht: die Theke war so groß wie zu unseren besten Zeiten, Fische aller Art lagen geschichtet übereinander (Acqua fredda porta buon pesce, kaltes Wasser bringt guten Fisch), Toni (so der Name des Bruders, wie ich kurz darauf erfahren sollte) stand mit geraffter Schürze da und blinkte mich freundlich an – gar nicht soooo schlecht. Wir haben kurz geplaudert, vor allem auch darüber, dass Ivan wohl gar nie mehr in seinem Laden vorbeischaut und schwupps stand er hinter mir. Und schwupps lagen wir uns glücklich in den Armen. Wenn man sich so selten sieht, merkt man erst, wie gerne man sich mag. Was war das für ein Wiedersehen. Und dann erzählte er mir eine Geschichte, bei der ich gemerkt habe, dass ich entweder sauvergesslich oder überhaupt nicht nachtragend bin. Seine langjährige Mitarbeiterin – keine Ahnung, wie sie hieß – ist nämlich seit geraumer Zeit nicht mehr da. Und in diesem Zusammenhang hat er sich ganz arg und oft bei mir entschuldigt, dass sie mich vor einiger Zeit darauf angesprochen hatte, dass ich mit einem falschen Zwanziger bezahlt hätte. Wer kann sowas ahnen? Würde ich Geld fälschen, hielte ich mich sicher nicht mit blauen Scheinen auf. Soviel steht mal fest.

Ich hab das gleich wieder vergessen, weil ich mir absolut keiner Schuld bewusst war, aber er fand es skandalös, eine seiner treusten und brav zahlensten Kundinnen – im Nachhinein – so anzugehen. Und jetzt, wo er es sagt, finde ich es eigentlich auch skandalös. Nun, jedenfalls haben wir einander wieder, keiner muss sich umgewöhnen und alles ist gut. Dann sind wir weiter zu einem Einkaufszentrum, das uns sintemal viel Freude bereitet hat, denn für Stadtbummel oder Sightseeing war das Wetter eindeutig zu schlecht. Was uns dort erwartet hat, hat betroffen gemacht. Wären wir in Südindien in so ein Viertel gestoßen, hätten wir gesagt: naja, ist ja klar, ist ein armes Land, aber in Europa?? Die Straßen war so kaputt, dass sich die Via Appia Antica dagegen wie eine Autobahn fährt, Straßen- oder Hinweisschilder gab es nicht und als wir es dann endgültig gefunden hatten, war die Auswahl der Geschäfte so schäbig und billig, dass einem Angst und Bange um die Menschheit werden möchte. Alles billig, hässlich und kurzlebig. Nur Fastfoodketten und dementsprechend nur Menschen mit Kopfhörern, Kapuzenjacken und Turnschuhen. Ein echtes Elend. Ist es das, wofür man arbeiten geht? Sich von Montag bis Freitag plagt? Um in einem solchen Zentrum billige Ware zu kaufen? Wir waren schockiert. Und dann hatte der blöde Wind auch noch Saharasand in die Atmosphäre über Rom geweht und zusammen mit dicken Tropfen über meinem Auto fallen lassen. Bin echt bedient. Abends gab es dann Fisch. Der war gut.