Streiks

Wenn ich einmal in unsere Hauptstadt reisen möchte, den Flug schon gebucht habe und auch schon weiß, was ich anziehen möchte, lauert ein Hindernis der ganz anderen Art. Eines, das wir in unserem kleinen Augsburg fast gar nicht kennen. Ein Streik. Und zwar des Bodenpersonals am Flughafen. Für einen Bahnfahrer wie mich ein Schlag ins Gesicht. Ein Streik – ich habe das eben nachgeschaut – ist ein Schlag, ein Streich. In jedem Fall ein Mittel des Arbeitskampfes, um Ziele zu erreichen. Selten geht es dabei um mehr Arbeit für weniger Geld. Fast immer, so scheint es, finden Streiks im öffentlichen Verkehr statt. Oder bemerken wir sie nur dort? Wenn ein paar Autos nicht rechtzeitig zusammengeschraubt werden, ist das sicherlich auch ärgerlich, trifft aber nur die Wenigsten. Wenn Bahnhöfe oder Flughäfen bestreikt werden, ist das was völlig anderes. Das trifft dann viele und die sind sauer. Und wirklich nur die allerwenigsten können und wollen verstehen, warum diese Streiks notwendig sein sollen. Sind die Unternehmen wirklich so verbohrt, raffgierig und kurzsichtig wie es immer heißt? Schütten sie wirklich all ihre Gewinne an die Aktionäre aus? Und überhaupt: an welche Aktionäre? Haben die Berliner Flughäfen Aktionäre? Oder geht es hier darum, dass wir supergünstig fliegen können?

Wie das mit der Günstigfliegerei geht, ist mir sowieso ein völliges Rätsel. Nicht, dass es mich nicht freuen würde, ich profitiere sehr davon und könnte mir mein Leben ansonsten keineswegs in diesem Stile leisten. Früher, zu reinen Lufthansa- oder Alitalia-Zeiten musste man echte Hin- und Rückflüge buchen und die gab’s selten unter fünf, sechshundert Mark. Da war es dann schon sehr ärgerlich, wenn ein Termin verlegt wurde und man schnell zurück nach Deutschland musste. Wer zahlt also für diese Erleichterung? Das Benzin ist nicht billiger geworden, das wissen wir alle, auch wenn wir immer nur für zwanzig Euro tanken. Die Flugzeuge selbst sind es hoffentlich auch nicht. An der Wartung wird hoffentlich ebenfalls nicht gespart und auch an der Ausbildung der Piloten nicht. Hoffe ich mal. Vielleicht sind die Uniformen der armen Stewardessen aus nicht ganz so hautfreundlichem Material. Auch wird sicherlich an Design und Tragekomfort zugunsten von Fleckabweisbarkeit des Stoffes gespart. Wo hat sich dann also dieses riesige Einsparpotenzial aufgetan, von dem wir alle so trefflich profitieren, wenn wir für 19 Euro nach London fliegen? Wo übrigens ein Tagespass für den Bus teurer ist?! Klar, wir buchen inzwischen selbst, drucken unser Ticket selber aus, checken uns ein, zahlen für unser Gepäck und so weiter und so fort.

Aber ist es vielleicht doch auch das Bodenpersonal, an dem gespart wird? Die Flugbegleiter? Immerhin streiken sie ja im flotten Wechsel. Und wenn es nicht die sind, dann sicher die im Gegenzug millionärshaft verdienenden Piloten. Wir bekommen nur die ärgerlichen Auswirkungen mit, das ist klar und leider gibt es auch unter den mir bekannten Flugbegleitern keinen echten Streiknickl, den ich fragen könnte. Dennoch frage ich mich: gibt es nicht auch andere Berufe, wo ein Streik noch gerechter wäre? Krankenpfleger zum Beispiel? Freie Journalisten? Scherz beiseite, ich möchte sicherlich nicht die Arbeit von Krankenpflegern mit der von freien Journalisten vergleichen, aber während Erstere nicht streiken, weil sie wissen, dass dann Menschen sterben, lohnt es sich bei freien Journalisten nicht, weil jeden Morgen Tausende aufstehen, die alles täten, um überhaupt veröffentlicht zu werden. Auch umsonst. Was ich an sich sagen möchte: Klar sind Streiks sauärgerlich und klar soll jeder froh, sein, dass noch keine Maschine seinen Job macht, die Macht liegt jedoch wie immer in der Einigkeit der Betroffenen. Und irgendwo muss bei dieser ganzen Sache doch der Hund begraben sein, oder?