Mein Fiorista

Ich bin ja unglaublich treu. Das liegt daran, dass ich mich dann nicht an neue Menschen gewöhnen muss und die, die ich kenne, mich meist auch mögen oder falls nicht, es zumindest gut verbergen. So auch mein Blumenhändler. Unsere Zuneigung entstand aus dem Alltag. Allerdings war sie zunächst eher an seinen Vater gekoppelt. Der junge Mann, vielleicht Mimmo?? durfte damals nämlich höchstens mitfahren und aus dem Auto herauslugen. Vermutlich um zu lernen, wie man die durchaus komplizierte und auch kapriziöse italienische Signora umgarnt und schließlich wie einen hübschen und verkauften Blumenstrauß einwickelt. Ich kann dem treuen Leser schon jetzt zurufen: er hat gut gelernt. Er ist ein Profieinwickler vor dem Herren. Das einzige, was ich mit Sorge betrachte ist sein stetig zunehmender Bauchumfang, der es mir schon heute schwierig macht, ihn gebührend zu begrüßen. Ich komme nicht mehr richtig gut an ihn heran. Auch haben wir den gegengleichen Rhythmus bei den Baci und so werden wir irgendwann mit einem echten Kuss auf den Mund enden. Allerdings, nein, doch wieder nicht. Wenn er in dem Tempo weiterhin zunimmt, werde ich nicht mehr hinkommen. Auch gut. So regelt die Natur die Moral.

Mimmo also betreibt im Erbe seines Vaters also einen mobilen Blumenstand. Nicht auf einer dreirädrigen Ape, das wäre natürlich malerischer, aber da er von Neapel immerzu nach Rom hochhoppelt, wäre es doch sehr unpraktisch. Sein Gefährt ist eine interessante Mischung aus Auto und Verkaufsfläche. Wie er es anstellt, dass immer und zu jeder Tageszeit fast die gleich große Auswahl zur Verfügung steht, ist mir ein Rätsel. Sein Vorteil ist – und hier muss ich einen kleinen Einschub machen -, dass er seine Ware mobil präsentiert. Mein armer Obsthändler hingegen hat nachdem ich nun knappe fünf Wochen nicht nach dem Rechten sehen konnte, gut zwei Drittel seiner Verkaufsfläche vor dem Laden eingebüßt. Die garstigen Vigili waren mit der ausladenden Präsentation von Orangen und Äpfel zu 99 Cent das Kilo nicht einverstanden und nun stehen gerade mal zwei magere Kisten vor dem Laden und Pessimisten kommen im Vorbeifahren zu dem Schluss, dass es den Laden nicht mehr gibt. Un disastro! Nun, das jedenfalls kann Mimmo schon mal nicht passieren. Zwar könnte der neue römische Polizei-Lamborghini meinen Mimmo mit Leichtigkeit einholen, aber im Normalfall könnte er bei mäkeligen Vigili, die ihm sein Geschäft missgönnen, einfach die seitlichen Planen herablassen und davon brausen.

Mimmo muss sich sowieso täglich mit den Gegebenheiten der Straße auseinandersetzen. Denn um in Rom täglich denselben freien Parkplatz zu finden, muss man sich sicher mit mehr als Padre Pio gut stellen und so habe ich schon grausige Schreckensmomente verlebt, weil ich dachte, er sei nicht da, derweil stand er nur eine Ecke weiter. Wenn man ihn liebt, dann sucht man ihn. Immer im Vertrauen darauf, dass er einen schon nicht im Stich lässt. Ab und zu sorgt Mimmo auch für neue Adrenalinstöße, zum Bespiel heute mit einem neuen Mitarbeiter, der dem Aussehen nach zu urteilen ebenfalls zur die Familie gehört, aber nicht eine Unze von Mimmos Charme und Warmherzigkeit hat, sondern lieber mit der mageren Verkäuferin aus dem benachbarten Unterwäschegeschäft schäkert. Er ist eben noch sehr jung. Als Mimmo dann hinter einem Kleinlaster hervortrat, der ihn gerade so verbarg, mich in seine Arme riss und mir versicherte, ich sei doch die Allerwunderschönste und wie glücklich er sei, dass ich wieder da bin, war die Welt wieder in Ordnung und ich habe sofort viele Blumen gekauft. Übrigens Osterblumen. Die sehen aus wie Blumen, die ich kenne, deren Namen ich allerdings nicht weiß. Schön sind sie und mein Vater meint allen Ernstes, sie röchen nach Zimt, was für Osterblumen ja eher untypisch wäre. Aber die Wege der Natur sind bekanntlich unergründlich. Die von Mimmo zum Glück jedoch nicht.

2 Gedanken zu „Mein Fiorista“

  1. Ach ja ! Da erinnere ich mich gerne an meinen letzten Rombesuch zurück, da hatte ich das Vergnügen, alle Lieblingsverkäufer (außer den Fischhändler) treffen zu dürfen. Um genau zu sein, ich durfte dabei sein, wie die liebe Bloggerin sie traf. Es war bei jedem ein Schauspiel das seines gleichen sucht. Auch konnte ich sehen, mit welch glänzenden Augen der Blumenhändler die liebe Bloggerin begrüßte, also ehrlich, jeder Ehemann müsste da eigentlich wahnsinnig werden. Mich fasziniert genau dieser Alltag, den ich da miterleben darf und stehe in der zweiten Reihe, amüsiere mich über das Schauspiel. Diesmal habe eine kleine Bildreihe geschossen, um diese Momente festzuhalten. Ganz zauberhaft !

  2. Solche Erlebnisse hat man eben nur in Rom. Der deutsche Mann, sofern man überhaupt noch auf einen trifft, ist eher tölpelig, hilflos, uncharmant, und versucht nur seine Ware die weg muß loszuwerden. Wir hier in Deutschland haben es erfolgreich geschafft die Männer nachhaltig zu verängstigen. Es traut sich doch keiner mehr nett zu sein, es hat doch jeder Angst, daß die Feministinnenkeule kommt. Der italienische Mann ist ein wirklicher Schatz. Begeistert, warmherzig, offen und ehrlich erfreut, wenn jemand nett ist. Bei uns hier, im römischen Feldlager, sind eh nur noch überall Frauen. Und da geht die Post ab. Hier ist es gut, sich wie die Italienerin in Rom zu benehmen, nämlich grantig, distanziert und ruppig. Bloß nicht lächeln.

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