Neapel ….. nicht sehen

So, also ich habe mich gestern ergeben und habe wieder eine schwarze Strumpfhose und Stiefel, einen echten Rolli und einen Winterrock angezogen. Nur bei der Jacke war ich bockig und habe auf ein kurzes, farbiges Frühjahrs/Sommerdingelchen gesetzt und prompt gefroren wie ein Schneider. Allein was bringt’s, wenn man auf seinem Willen beharrt, wenn sämtliche Umstände dagegen sind und eher schlimmer als besser werden? Dann ist es auch kein Zeichen von Charakter mehr, sondern eher ein bisschen kindisch, auf seiner Sicht der Welt zu beharren und an Ideen stur festzuhalten. In der Psychologie wird „erwachsen“ als ein Zustand beschrieben, bei dem sich das Handeln an den aktuellen Gegebenheiten und Erfordernissen ausrichtet und nicht nur von Handlungsmustern und unverarbeiteten Erfahrungen geleitet wird. Und so habe ich in den letzten Tagen erstaunt und verwundert wahrgenommen, wie viele supererwachsene Menschen es gibt, die einfach alleine deshalb nicht frieren, weil sie nicht die doofe Maxime haben: Einmal keine Strümpfe mehr, nie mehr Strümpfe bis zum nächsten Winter. Sie sind fröhlich und warm mit ihren Daunenkapuzenjacken und Stiefeln an mir vorbei gehoppelt, während ich erbärmlich mit meinen Turnschuhen oder Ballerinas Pfützen mit Schneematsch umhüpft bin. Blöd sowas. Aber immerhin korrigierbar.

Dieses situativ nicht Angepasste ist ein zweischneidiges Schwert: gibt man seine Ziele zu schnell auf, erreicht man sie nicht. Verharrt man zu lange in ihnen und hält zu sehr an ihnen fest, bringen sie meist auch nicht das gewünschte Resultat. Sie sind zu hart erkämpft und können all den Ärger, den sie im Vorfeld verursacht haben, gar nicht mehr wett machen. Sie werden zu einer Enttäuschung.

Mir geht es zum Beispiel mit diesem blöden Neapel so. Seit über fünfzehn Jahren möchte ich in diese Stadt und zwar mal so richtig. Wir waren vor zehn Jahren für zwei Stunden an einem verregneten Sonntag dort, aber ich habe meinen Mann ein klitzekleines bisschen im Verdacht, dass wir absichtlich nur in scheußlichen Ecken waren, denn ich kann mich an rein gar nichts mehr erinnern, was bei dieser Stadt anscheinend völlig unmöglich ist, zumindest, wenn man all den begeisterten Berichten meiner Bekannten glauben darf. In den Osterferien haben wir erneut einen großen Anlauf genommen, ich hatte es als eine Art Überraschungsangriff geplant, aber auch das hat nicht funktioniert. Es war wohl noch nicht so weit und als die Schwierigkeiten immer absurder wurden, sogar unser Boiler sich eingeschaltet hat, indem er sich ausgeschaltet hat, habe ich den Wink des Schicksals erkannt und die Reise abgesagt. Offenbar ist es wirklich so einfach wie unsere Omas und Opas schon wussten: Jedes Ding hat seine Zeit. Schön, wenn man die erkennen kann. Ich trage gerade Fellstiefel. Das nur nebenbei.