Der Tag des Schweinehunds

Die Gattung der immer populärer werden Schweinehunde ist eine Kreuzung aus schlechtem Gewissen und Notwendigkeit, der ewige Konflikt zwischen Es und Über-Ich, ein zähes Ringen, wer diesmal die Oberhand gewinnt. Ich habe meinen zauberhaften Schweinehund an sich ganz gut im Griff, will heißen, wir haben einen recht stabilen Nichtangriffspakt. Zum Beispiel haben wir uns drauf geeinigt, dass wir, wenn wir mehr als drei Mal denken: an sich müsste ich…., gemeinsam aufstehen und diese leidige Angelegenheit anpacken oder auch zu Ende führen, je nachdem in welchem Stadium sie sich befindet. Das können Kleinigkeiten wie Flusen auf dem dunklen Parkett und gelbe Blätter am Strauch vor der Sonnenliege ebenso sein wie nicht begonnene oder nicht beendete Texte oder Körperertüchtigungsübungen. Auch Blogbeiträge können durchaus zu einer Angelegenheit werden, derer sich mein lieber flauschiger Schweinehund anzunehmen berufen fühlt. Dann nämlich, wenn mich über Tage nicht die Muse küsst oder einfach nichts wirklich Gedankenvolles in meinem Leben geschieht. Das Geheimnis der meisten Schreibenden ist wohl, sich täglich zu einer festen Urzeit hinzusetzen und einfach mal drauf los zu schreiben. Damit werden der Geist, Schweinehund und vermutlich auch die ganzen Finger konditioniert, etwas zu tun.

Die magische „Drei“ bis zum Start hat in unserem ausgeklügelten System durchaus einen Sinn und sollte keinesfalls als Vorabzugeständnis an meinen hübschen Schweinehund verstanden werden. Gäbe es sie nicht und würde ich sofort losstürmen, wenn ein unliebsamer Gedanke durch meinen Kopf schießt, würden ungleich mehr Dinge in meinem Leben zu Belangen ebenjenes Schweinehundes werden. Niemals würde ich die Steckdose unter meinem Schreibtisch innen und außen vom Staub befreien, das Geheimnis meiner blühenden Terrasse liegt vermutlich in der Flucht vor meinem Schweinehund und viele meiner besten Rezepte haben dort ihren Ursprung. Denn ich stelle mich auf der Flucht vor dem Schweinehund gerne auch mal vor den Kühlschrank und überlege, was ich essen könnte. Das ist mitunter schwierig, denn oftmals versuche ich ihn auch laienhaft zu überlisten, indem ich mir vornehme, erst dann einkaufen zu gehen (zum Beispiel feinsten gekochten Schinken), wenn dieses oder jenes zu meiner eigenen und nicht seiner Zufriedenheit erledigt ist. Dieser Blogbeitrag zum Beispiel ist zu 90 % meinem felligen Kumpel zu verdanken…..

Und so möchte ich den heutigen Tag zum Tag des Schweinehundes ausrufen. Für alles und jedes gibt es einen Tag, warum nicht auch für ihn. Er regt uns an zur Kreativität, lässt uns Dinge tun, die wir eigentlich auch mal machen könnten, hält den Kontakt zu Menschen, die wir schon lange mal anrufen wollten, macht uns erfinderisch, lässt uns geduldig mit uns selbst sein und zu guter Letzt: gibt klein bei und folgt, wenn wir es wirklich wollen. Ein prima Kerl dieser Schweinehund. Was könnte ich bloß jetzt noch tun?? Ah, ich hab’s: Ich habe gegoogelt, welchen Tag der internationale Tag des Schweinehundes wohl verdrängen würde und siehe da – es ist der Tag der Kosmonauten. Das Weltall – ebenso weit und tief und unergründet wie der Schweinehund selbst.

Ein Jubiläum jagt das nächste

Gerade erst haben wir den 600. Beitrag begangen, schon kommt das nächste Jubiläum: der 3. Jahrestag der Blog-Wiederaufnahme!!! Heute vor drei Jahren habe ich die Gedanken aus dem Ausland wieder aufleben lassen, nachdem sie kurz nach der Geburt für längere Zeit geruht, sich sozusagen fertig entwickelt hatten. Sie schienen damals ein prima Mittel, mich aus der Ferne mitzuteilen und zum Mitmachen zu motivieren. Was ja auch geklappt hat. Inzwischen kommen sie teilweise mit etwas größeren Abständen, aber dennoch regelmäßig. Das hat den einfachen Grund, dass in meinem Leben auch nicht immer und jeden Tag derart verschiedene Dinge geschehen, als dass man darüber schreiben könnte. Andererseits habe ich von einer Webcam aus den USA gehört, die superbekannt und beliebt ist und auf der nichts anderes zu sehen ist als ein Rasen vor einem typischen Vorstadthaus. Also bitte.

Vieles in meinem Leben wiederholt sich wie in jedem Leben. So zum Beispiel auch der Unmut über Mauro. Mauro, der langhaarige römisch Gartencenterbesitzer. War ich doch nicht am Samstag dort, um Kräuter zu kaufen, vor allem Thymian und finde es nicht?! An einem Tag wie diesem, wo man überbordet vor Pflanz- und Arbeitslust. Ja, sagt er, es wären morgens noch 60 gewesen und die beiden letzten wären diese von der Signora hier. Toll. Das hilft mir weiter. Montag kämen neue. Sind wir also heute am Montag hin. Was sagt er? Ja natürlich käme Thymian. Am Montag Abend. Blöder Sack. Das trifft bei mir natürlich in eine nie ganz verheilte Wunde aus dem Jahre 2009. Da hat er mich so schmählich hängen lassen wie es noch niemals ein Mann zuvor getan hat und wie es hoffentlich auch niemals mehr einer tun wird. Er wollte bei unserer traumatischen Terrassenrenovierung meine Pflanzen beherbergen und ist einfach nie gekommen, um sie zu holen. In der damaligen Verzweiflung war das fast mein Todesstoß. Wenn man selbst zuverlässig ist und ich darf behaupten, das zu sein, weil ich auch immer viel zu viel Angst vor den Folgen hätte, es nicht zu sein und weil ich mir immer denke, dass man das einfach nicht tut. Ich meine, nicht das zu tun, was man gesagt hat, dass man tut. Also jedenfalls war ich verzweifelt und völlig verloren und habe nur schwer wieder zu ihm zurückgefunden. Nun ist er aber der einzige Vivaio in meiner näheren Umgebung und wenn ich für ein Basilikum nicht kilometerweit fahren möchte, muss ich wohl oder übel in den sauren Apfel beißen. Gerne tu ich es nicht immer.

Jedenfalls haben wir dann halt einen Rincospermo gekauft und ärgerlicherweise auch nur zwei Euro Rabatt bekommen. Die Fronten verhärten sich hier gerade ein wenig, das steht fest. Mein unermüdlicher Vater hat ihn eingetopft und nun beten wir mal für ihn (Mauro), dass er wenigstens was taugt (der Rincospermo). Fast genau dasselbe hätte ich also auch schon vor drei Jahren schreiben können, immer wieder dazwischen und wenn alles gut geht, kann ich es auch in drei Jahren noch schreiben, wobei ich schwer hoffe, dass sich bis dahin die kahle Stelle in meiner Esstischnische auf der Terrasse geschlossen haben wird. Für mich ist ein solch überschaubares Leben etwas ganz Herrliches. Eine Bekannte von mir genießt derweil ihren Ruhestand auf ganz andere Art: sie macht die tollsten Reisen und saust durch verschiedene Kulturen und Länder. Ein Blog von ihr läse sich sicherlich um Einiges spannender, wobei ich glaube, dass die grundlegenden Gedanken doch mehr oder weniger immer dieselben bleiben. Mal im Außen, mal im Innen. Denn oftmals geht man nach Außen, wenn man im Inneren nicht das Ersehnte findet oder man geht zurück ins Innere und findet dort, was man im Außen vermisst. Und vielleicht stelle ich gerade deshalb erfreut fest, dass meine Gedanken sehr regelmäßig fließen und ich sie inzwischen dahingehend sortieren kann, was ich schreibe oder noch besser was sich schreibt. Denn in den allerwenigsten Fällen weiß ich bei den ersten Worten eines Eintrags, wie er weitergeht oder gar endet. Insofern: Es bleibt spannend. Auch für mich.

Mein Fiorista

Ich bin ja unglaublich treu. Das liegt daran, dass ich mich dann nicht an neue Menschen gewöhnen muss und die, die ich kenne, mich meist auch mögen oder falls nicht, es zumindest gut verbergen. So auch mein Blumenhändler. Unsere Zuneigung entstand aus dem Alltag. Allerdings war sie zunächst eher an seinen Vater gekoppelt. Der junge Mann, vielleicht Mimmo?? durfte damals nämlich höchstens mitfahren und aus dem Auto herauslugen. Vermutlich um zu lernen, wie man die durchaus komplizierte und auch kapriziöse italienische Signora umgarnt und schließlich wie einen hübschen und verkauften Blumenstrauß einwickelt. Ich kann dem treuen Leser schon jetzt zurufen: er hat gut gelernt. Er ist ein Profieinwickler vor dem Herren. Das einzige, was ich mit Sorge betrachte ist sein stetig zunehmender Bauchumfang, der es mir schon heute schwierig macht, ihn gebührend zu begrüßen. Ich komme nicht mehr richtig gut an ihn heran. Auch haben wir den gegengleichen Rhythmus bei den Baci und so werden wir irgendwann mit einem echten Kuss auf den Mund enden. Allerdings, nein, doch wieder nicht. Wenn er in dem Tempo weiterhin zunimmt, werde ich nicht mehr hinkommen. Auch gut. So regelt die Natur die Moral.

Mimmo also betreibt im Erbe seines Vaters also einen mobilen Blumenstand. Nicht auf einer dreirädrigen Ape, das wäre natürlich malerischer, aber da er von Neapel immerzu nach Rom hochhoppelt, wäre es doch sehr unpraktisch. Sein Gefährt ist eine interessante Mischung aus Auto und Verkaufsfläche. Wie er es anstellt, dass immer und zu jeder Tageszeit fast die gleich große Auswahl zur Verfügung steht, ist mir ein Rätsel. Sein Vorteil ist – und hier muss ich einen kleinen Einschub machen -, dass er seine Ware mobil präsentiert. Mein armer Obsthändler hingegen hat nachdem ich nun knappe fünf Wochen nicht nach dem Rechten sehen konnte, gut zwei Drittel seiner Verkaufsfläche vor dem Laden eingebüßt. Die garstigen Vigili waren mit der ausladenden Präsentation von Orangen und Äpfel zu 99 Cent das Kilo nicht einverstanden und nun stehen gerade mal zwei magere Kisten vor dem Laden und Pessimisten kommen im Vorbeifahren zu dem Schluss, dass es den Laden nicht mehr gibt. Un disastro! Nun, das jedenfalls kann Mimmo schon mal nicht passieren. Zwar könnte der neue römische Polizei-Lamborghini meinen Mimmo mit Leichtigkeit einholen, aber im Normalfall könnte er bei mäkeligen Vigili, die ihm sein Geschäft missgönnen, einfach die seitlichen Planen herablassen und davon brausen.

Mimmo muss sich sowieso täglich mit den Gegebenheiten der Straße auseinandersetzen. Denn um in Rom täglich denselben freien Parkplatz zu finden, muss man sich sicher mit mehr als Padre Pio gut stellen und so habe ich schon grausige Schreckensmomente verlebt, weil ich dachte, er sei nicht da, derweil stand er nur eine Ecke weiter. Wenn man ihn liebt, dann sucht man ihn. Immer im Vertrauen darauf, dass er einen schon nicht im Stich lässt. Ab und zu sorgt Mimmo auch für neue Adrenalinstöße, zum Bespiel heute mit einem neuen Mitarbeiter, der dem Aussehen nach zu urteilen ebenfalls zur die Familie gehört, aber nicht eine Unze von Mimmos Charme und Warmherzigkeit hat, sondern lieber mit der mageren Verkäuferin aus dem benachbarten Unterwäschegeschäft schäkert. Er ist eben noch sehr jung. Als Mimmo dann hinter einem Kleinlaster hervortrat, der ihn gerade so verbarg, mich in seine Arme riss und mir versicherte, ich sei doch die Allerwunderschönste und wie glücklich er sei, dass ich wieder da bin, war die Welt wieder in Ordnung und ich habe sofort viele Blumen gekauft. Übrigens Osterblumen. Die sehen aus wie Blumen, die ich kenne, deren Namen ich allerdings nicht weiß. Schön sind sie und mein Vater meint allen Ernstes, sie röchen nach Zimt, was für Osterblumen ja eher untypisch wäre. Aber die Wege der Natur sind bekanntlich unergründlich. Die von Mimmo zum Glück jedoch nicht.

Einfacher Rührkuchen??!!!

Vieles im Leben hat Konsequenzen, die sich einem nicht gleich erschließen. Sie tauchen erst viel später auf und verursachen doch die ein oder andere Herausforderung. Aufmerksame Leser erinnern sich vielleicht an unsere zügellosen Vacanze Romane im Sommer. Als wir beinahe jeden Abend mit der Vespa in die Stadt gesaust sind und Unmengen an Aperol Spritz in uns hineingeschüttet haben und damit der nicht so alleine im Bauch rumplätschert auch in der Folge immer neue Restaurants ausprobiert haben. Weil mein Mann eben doch schon länger in diesem schönen Land lebt, gar dort geboren ist, ist er mir in wenigen kulinarischen Finessen auch einen Hauch voraus. Und so bestellte er sich eines schönen Abends „Polpette al Sugo“. Weil wir in einem echt schönen Restaurant waren, das eigentlich wie ein bayerischer Biergarten angelegt war, schmeckten sie einfach traumhaft gut. Ich hatte einen Mordsrespekt vor ihnen! Und verschob dieses Urgericht der römischen und natürlich italienischen Küche erst mal ein wenig. Ist kein echtes Sommergericht.

Neulich in Augsburg jedoch überkam mich die Tollkühnheit und ich hab mich sofort mit drei verschiedenen Rezepten dran gemacht. Ich glaube wenig an Einzelrezepte, denn der eine, der es niederschreibt, mag dieses Gewürz nicht, der andere hat es nicht im Haus und so weiter und so scheinen Notgeburten auf einmal das Maß aller Dinge. Dem trau ich nicht und mische meist die Rezepte. Egal, jedenfalls waren diese Bällchen ein voller Erfolg und ich wollte sie natürlich auch in Rom machen. Aber dafür braucht man Eier. Und damit nahm alles seinen Lauf. Eier habe ich fast nie zuhause. Es gibt sie auch nur im Sechserpack. Ihretwegen hätte ich schon zweimal fast meine Wohnung abgefackelt, weil ich aus den Resteiern meist versuche, harte zu machen, sie dann aber auf dem Herd vergesse. Resteier und ich werden keine Freunde mehr in diesem Leben. Gestern dachte ich mir jedoch: Mensch, das trifft sich prima, Wochenende ist’s, Mann ist da, Eier sind da – machst einen Kuchen. Nachdem ich auch noch Butter im Gefrierfach gefunden hatte und ein Rezept, für das man kaum etwas anderes brauchte als Zucker, Mehl, Butter und eben Eier, wollte ich loslegen.

Eier und Zucker schaumig rühren. Ging nicht. Mixer hat noch ein röchelndes Geräusch gemacht und war dann tot. Bis dahin hatte ich schon so viele Hürden genommen und da war es dann ähnlich wie mit Mares Poncho vor eineinhalb Jahren, da kann ich dann stur werden. Also sind wir zum Elektronikfachmarkt unseres Vertrauens gesaust, haben da auch gleich noch bunte Tassen gekauft und haben uns an den Kuchen gemacht. Leider war auch das Backpulver etwas älter und auch der Vanillezucker, aber inzwischen war ich zu allen Risiken bereit. Langer Rede, kurzer Sinn: es hat dann funktioniert. Man hätte vielleicht auch die angegebene Milch reintun können, dann wäre er nicht ganz so trocken geworden, aber nun, am zweiten Tag und unter einer hübschen Glasglocke, schmeckt er ganz passabel und zu meiner Freude kann ich vermelden, dass auch alle das alte Backpulver überlebt haben. Das Einzige, was mich an dem Kuchen stört, ist sein Namen: Einfacher Rührkuchen. Hallo? Ich war zwei Stunden damit beschäftigt. Mag mir gar nicht ausmalen, welche Mühe ein nicht einfacher Kuchen macht.

Also wirklich

Auch unsere Lieblingsstadt Rom kann einen auf die Probe stellen. Zum Beispiel mit äußerst schwierigem Wetter. Während in Deutschland – angeblich – die Sonne auf Karnevalisten aller Art niedergebrannt ist, schlagen wir uns hier mit Regen und vor allem grauem Himmel rum. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das zum letzten Mal erlebt habe. Besonders ärgerlich ist das natürlich, wenn man selbst dafür verantwortlich ist. Ich hätte es wissen müssen, als ich kurz nach der Ankunft mein Auto fast schon zwanghaft zu Michele zwecks Reinigung gefahren habe. Die folgenden Tage verbrachten wir in steter Sorge, dass bei einem unserer kurzen Streifzüge dicke Tropfen auf das blanke schwarze Gefährt fallen könnten. Bis es uns gestern dann völlig wurscht war und wir zu unseren Streifzügen aufgebrochen sind. Zuerst zu Ivan, dem Fischhändler. Auf dem Weg dorthin habe ich meine Mutter schonend darauf vorbereitet (sie lehnt Veränderungen in diesem Ausmaß eher ab), dass wir uns vielleicht einen neuen Fischverkäufer suchen müssten. Ivan war die letzten Male nie mehr im Laden und bis ich seinen Bruder an mich gewöhnt haben werde, dauert mir das zu lange. Ich bin einfach zu selten da und muss auf die Treue der vergangenen Jahre zählen können.

Einen Fisch wollten wir dennoch. Also bin ich schon etwas wehmütig angesichts des drohenden Abschieds hinein und war äußerst positiv überrascht: die Theke war so groß wie zu unseren besten Zeiten, Fische aller Art lagen geschichtet übereinander (Acqua fredda porta buon pesce, kaltes Wasser bringt guten Fisch), Toni (so der Name des Bruders, wie ich kurz darauf erfahren sollte) stand mit geraffter Schürze da und blinkte mich freundlich an – gar nicht soooo schlecht. Wir haben kurz geplaudert, vor allem auch darüber, dass Ivan wohl gar nie mehr in seinem Laden vorbeischaut und schwupps stand er hinter mir. Und schwupps lagen wir uns glücklich in den Armen. Wenn man sich so selten sieht, merkt man erst, wie gerne man sich mag. Was war das für ein Wiedersehen. Und dann erzählte er mir eine Geschichte, bei der ich gemerkt habe, dass ich entweder sauvergesslich oder überhaupt nicht nachtragend bin. Seine langjährige Mitarbeiterin – keine Ahnung, wie sie hieß – ist nämlich seit geraumer Zeit nicht mehr da. Und in diesem Zusammenhang hat er sich ganz arg und oft bei mir entschuldigt, dass sie mich vor einiger Zeit darauf angesprochen hatte, dass ich mit einem falschen Zwanziger bezahlt hätte. Wer kann sowas ahnen? Würde ich Geld fälschen, hielte ich mich sicher nicht mit blauen Scheinen auf. Soviel steht mal fest.

Ich hab das gleich wieder vergessen, weil ich mir absolut keiner Schuld bewusst war, aber er fand es skandalös, eine seiner treusten und brav zahlensten Kundinnen – im Nachhinein – so anzugehen. Und jetzt, wo er es sagt, finde ich es eigentlich auch skandalös. Nun, jedenfalls haben wir einander wieder, keiner muss sich umgewöhnen und alles ist gut. Dann sind wir weiter zu einem Einkaufszentrum, das uns sintemal viel Freude bereitet hat, denn für Stadtbummel oder Sightseeing war das Wetter eindeutig zu schlecht. Was uns dort erwartet hat, hat betroffen gemacht. Wären wir in Südindien in so ein Viertel gestoßen, hätten wir gesagt: naja, ist ja klar, ist ein armes Land, aber in Europa?? Die Straßen war so kaputt, dass sich die Via Appia Antica dagegen wie eine Autobahn fährt, Straßen- oder Hinweisschilder gab es nicht und als wir es dann endgültig gefunden hatten, war die Auswahl der Geschäfte so schäbig und billig, dass einem Angst und Bange um die Menschheit werden möchte. Alles billig, hässlich und kurzlebig. Nur Fastfoodketten und dementsprechend nur Menschen mit Kopfhörern, Kapuzenjacken und Turnschuhen. Ein echtes Elend. Ist es das, wofür man arbeiten geht? Sich von Montag bis Freitag plagt? Um in einem solchen Zentrum billige Ware zu kaufen? Wir waren schockiert. Und dann hatte der blöde Wind auch noch Saharasand in die Atmosphäre über Rom geweht und zusammen mit dicken Tropfen über meinem Auto fallen lassen. Bin echt bedient. Abends gab es dann Fisch. Der war gut.

Zauberhaftes Italien

Für alle Zuhause- bzw. Noch-Zuhause-Gebliebenen: Es ist in Rom kein bisschen warm und grauen Wolken hängen über der Stadt, was mich sehr empört und verängstigt, weil ich mein Auto als Erstes gewaschen habe, wie ich das übrigens in Rom immer tue. Es steht während meiner Abwesenheit so treu und brav in der Garage, wird eingestaubt und respektlos von Katzen besetzt, da ist es das Mindeste, was ich tun kann bei meiner Rückkehr. Trotz der deutschen Wetterverhältnisse und Gewohnheiten haben wir sofort bemerkt, dass wir wieder in Italien sind. Denn in Rom ist Taxistreik. Und das seit fünf Tagen. „Uber“ und vor allem „Uber Pop“ sind die Steine des Anstoßes. Das ist verständlich. Zumindest aus Sicht der Taxifahrer, die teilweise jahrelang ihre Lizenzen und Konzessionen abbezahlen, mit denen ein recht übler Handel getrieben wird. Angeblich vergibt die Stadt zu wenige. Und die, die vergeben sind, streiken recht oft. Dass sich dort – ebenso wie in Paris – ein privates und flexibles Unternehmen prima hineinschlängeln kann, liegt auf der Hand. Unser höchsteigener Tassista, der liebe Berardo teilte mir all dies bereits per WhatsApp mit, als ich ihm unsere Ankunftszeit mitteilte.

Und so kam er dieses Mal nicht als Taxifahrer, sondern als sehr guter Freund der Familie im Auto seiner Tochter. Und welch Glück, dass er seine Tochter vergöttert und verwöhnt. Deshalb konnten wir mit unserem nicht unerheblichen Gepäck in einem Einser BMW Platz nehmen. Mein Vater war kein Taxifahrer und ich auch Einzelkind, aber mein erstes Auto war der Uralt-Golf von meiner Oma und den musste ich ihr auch noch abkaufen. Das ist jedoch ein anderes Thema und soll hier nicht weiter behandelt werden. Im Hinterkopf kann man es ja mal behalten. Berardo (so heißt er und nach über fünfzehn Jahren bin ich mir immer noch nicht hundertprozentig sicher, ob das sein Vor- oder Nachnamen ist) stand also bei den Abflügen, weil man ihn bei der Ankunft erkennen und gegebenenfalls lynchen würde. Als er uns ratlos suchend sah, ist er aus dem Auto gesprungen und wir sind wie zwei Verliebte aufeinanderzugeeilt, weil auch noch die Polizei und Teile des italienischen Militärs um uns herumstanden. Damit es noch glaubwürdiger wird, hat er auch noch meine Mutter sehr geschmust und uns fürsorglich Stück für Stück in den deutschen Kleinwagen geschichtet.

Heute dann, als wir für meine Mutter endlich eine Handtasche gekauft haben, durften wir erneut feststellen, was für ein zauberhaftes und engagiertes Land dieses Italien doch ist. Kaum mit dem Taxi an der Spanischen Treppe angekommen, sind wir in das Geschäft ihres Vertrauens, besser gesagt ihrer Sehnsüchte gestürmt und haben dort einer verdatterten Verkäuferin in Rekordzeit eine Handtasche abgekauft. Sie spricht vermutlich jetzt immer noch darüber, welche tollen Modelle es gibt und dass um drei Uhr in Mailand die Herbst/Winterkollektion vorgestellt wird. Wir bekamen Espresso und Wasser und nach einer halben Stunde haben wir uns auch schon wie zuhause gefühlt. Aus Ermattung und Resignation hab ich mich dann auf die Treppen gesetzt – mein Mutter hat da mehr Contenance und ist stur wie ein Sägebock an der Kasse stehengeblieben – und habe begonnen, mir meine Gedanken über den Durchlauf in solchen Geschäften zu machen und wie oft mein Mann dort vernünftigerweise einkaufen würde, wenn der Bezahlvoqrgang zwanzig Mal so lang dauert wie das Auswählen. Dann kam die Lösung: Es war keine passende Schachtel aufzutreiben, der Po der Tasche, so wurde mir erklärt, sei zu sperrig und passte in jede Schachtel in letzter Sekunde dann doch nicht hinein. Nun, welche Frau kennt dieses Problem nicht? Man habe jetzt jemanden in ein anderes Geschäft geschickt, um eine Schachtel holen zu lassen. Und das hat nun eben gedauert. Es ist und bleibt ein hinreißendes Land dieses Italien.

Baguetteannagen

Nur wenig Dinge im Leben sind verlockender als ein frisches Brot/Baguette oder gekochter Schinken aus Italien. Und deshalb gelingt es mir fast niemals, von einem frisch gekauften Brot oder eben Baguette nicht sofort ein Stück abzunagen. Früher war ich der Schreck meiner Mutter, wenn ich ausgehöhlte Brote vom Bäcker mit nach Hause gebracht habe. Heute der meines Mannes, der es unpassend findet, dem Baguette noch im Geschäft oder auf der Straße den Po abzunagen. Ihm zuliebe beherrsche ich mich bis nach der Kasse. Denn normalerweise nehme ich es und breche ein Stück ab. Schlimm. Das mit dem Schinken in Italien ist hingegen ein Kindheitsversprechen an mich selbst. Früher, wenn wir unsere Ferien in Italien verbracht haben, gab es einen kleinen „Despar“, bei dem man schon auch mal Bonbons rausbekommen hat, wenn kein Kleingeld in der Kasse war oder es sich um so piepkleine Beträge gehandelt hat, die beim besten Willen nicht mehr monetarisierbar waren. Dort haben wir unsere größeren und kleineren Einkäufe erledigt. Und neben massig Schokolade und Ovomaltine für meinen unterernährten Vater, gab es auch immer den herrlichen gekochten Schinken, der in Italien so ganz anders schmeckte und immer noch schmeckt als in Deutschland.

Schon der Kauf war außerordentlich aufregend. Die Maschinen viel größer und auch die Verpackung. Die Ware wurde in Waschspalier eingewickelt, der Preis mit dickem schwarzen Filzstift auf das hellbraune Papier geschrieben und dann thronte er duftend in unserem Kühlschrank. Hauchdünn war er geschnitten und herrlich trocken (ich mag außer bei Fleisch fast gar nichts Saftiges, vielleicht noch bei Zwetschgendatschi, aber keinesfalls bei Garnelen oder Fisch!!!). Und er sollte die Quelle einer großen Sehnsucht werden. Er war nämlich für den Papa. Man konnte schon mal eine Scheibe haben, aber nicht die Mengen, die ich gerne gehabt hätte. Und damals vor dem kleinen Kühlschrank in der Küche mit dem Vorhang habe ich mir geschworen: wenn ich mal groß bin, kaufe ich mir gekochten italienischen Schinken, so viel ich will. Und esse ihn ohne Brot. Morgens, mittags und abends. Nun muss man wissen, es gab bei uns vernünftigerweise auch keine Cola oder Fanta oder so einen Kram. Aber das war mir relativ egal. Der Schinken war und ist bis heute hingegen eine große Freude für mich und mein Metzger in Rom weiß ganz genau, dass es keine gute Idee ist, ihn erstens zu dick zu schneiden und mit zweitens nicht probieren zu lassen.

Nun bin ich sicherlich mit solchen Kindheitserinnerungen oder -sehnsüchten gut dran und kann sie relativ harmlos im Leben ausleben (natürlich hilft es, dass ich regelmäßig in Italien bin, wer weiß, welch schlimme Störung sich sonst in mir breit gemacht hätte), aber was ist mit all den Menschen, denen (noch) Wichtigeres als dieser Schinken gefehlt hat? Neulich habe ich in der Mediathek einen Zweiteiler über den zweiten Weltkrieg gesehen und dass damals Kinder nach England verschickt wurden. Sie lebten dort bei fremden Familien – über Jahre hinweg – und sollten dann wieder zurück zu ihren eigenen (traumatisierten) Eltern. Wie soll das gehen? Und wie kann es sein, dass unsere Wohlstandskinder heute beinahe verstörter, dicker und lebensunfähiger im Sinne von sozial auffällig sind als diese Kinder? Fehlt ihnen das Korsett der Disziplin, an dem sie sich halten können? Ich für meinen (kindheitserinnernden) Teil freue mich jedenfalls sehr, dass ich momentan zwar noch in Paris, morgen aber bereits in Rom sein werde und als eine der ersten Taten mindestens 200 Gramm gekochten Schinken ordern werde. Wieviel davon nach Hause kommt, steht auf einem anderen Blatt.

Bus, Bahn, Füße

Seit so vielen, vielen Jahren bin ich nun schon in Rom. Und bin noch nie mit dem Bus in die Stadt gefahren. Warum? Weil sich manche Gewohnheiten festigen und dann nie mehr hinterfragt werden. Gewohnheitsrecht nennt man das beim Weihnachtsgeld, zumindest habe ich das in der Uni gelernt und man muss höllisch aufpassen, dass sich das nicht auch in der Ehe irgendwann einschleicht und dann einer empört sagt: He, sag mal, Du hast mir doch immer Frühstück gemacht und die Schuhe geputzt, das ist mein gutes Recht!!! Ich weiß, ich kann Sachen so schreiben, dass man sie glaubt. Wer mich kennt, weiß, dass es Frühstück bei mir nicht gibt. Einen Kaffee ja, aber Frühstück nein. Aber das ist ein anderes Thema. Zurück auf Los. Um Weihnachtsgeld gehts auch nicht, aber um Bus und Bahn. Ich habe im Laufe der Jahre festgestellt, dass ich öffentliche Verkehrsmittel liebe. Ich fühle mich mit ihnen so frei.

Das mag widersinnig klingen, aber man hat einfach viel weniger Sorgen, muss nie zum Ausgangspunkt zurück und kann sich völlig frei in einer Stadt bewegen. Sicher, es ist prima, wenn man über ein Back-up wie Taxigeld verfügt und ja, das habe ich sowohl im Hinterkopf als auch in der Handtasche. Und weil ich so abenteuerlustig drauf bin und ganz viele neue Dinge mache zur Zeit, habe ich auch diese Woche gleich zweimal das Abenteuer Bus und Bahn in Rom gewagt. Was soll ich sagen? Perfekt. Nun ist Rom eh keine besonders autofreundliche Stadt. Als es das ZTL, Zone Traffico Limitato noch nicht gab, konnte ich zwar mit meinem Smart und einer gehörigen Portion unerschütterlicher Skrupellosigkeit prima in die Stadt hineinfahren und mit meiner Mutter hinter dem Pantheon parken oder mit meinem Papa auf die Spanische Treppe zurasen, weil ich anders nicht wusste, wie ich zu dem einzigen Tabacchi kommen soll, der am Sonntag Zigarillos verkauft, aber seit vielen Jahren werden leider auch deutsche Autos unerbittlich gejagt und so geht das alles nicht mehr und man muss fürchterlich lange Umfahrungen zu Parkhäusern in Kauf nehmen, die unter all den Amphoren in einen der sieben Hügel gebuddelt worden sind. Die Wege dort hinaus sind länger und ermüdender als so mancher Stadtbummel.

Mit dem Bus hingegen: Supereasy. Man kann damit nämlich sogar zu dieser Wahnsinnsstraßenbahn fahren, die quasi auf den Campo dei Fiori fährt. Und während wir früher mühsam Parkplätze an der Endhaltestellen gesucht haben, dann doch aus Versehen im Parkverbot gelandet sind und einen Strafzettel in Höhe von zwei Taxifahrten bekommen haben, fahre ich heute für 1,50 gemütlich dorthin und lese oder lausche den Unterhaltungen. Halt nein, das geht heute nicht mehr. Seit Steve Jobs die Welt verändert hat (und nicht zu ihrem Guten, wie ich anmerken möchte), sitzen zwei von drei Bus- und Bahnfahrern über ihren Smartphones und tippen und tippen und tippen. Selten gibt es noch menschliche Dramen zu beobachten. Dafür sind die dann umso wertvoller. Zum Beispiel war vorgestern einer mit so einem saublöden Strohhütchen wie der, der neulich gestorben ist, sie immer getragen hat, neben seiner Freundin gesessen und hat in einem fort auf sie eingeredet. Sie hat zum Fenster rausgeschaut und ihn weitgehend ignoriert. Bis er, ja, bis er sie so weit hatte, dass sie geweint hat. Dann kam seine große Stunde: er hat sie an seine Brust gerissen und getröstet. Natürlich war es für das Mädchen nicht nett, aber für alle Drumherum dafür sehr unterhaltend. Wird man grausam durchs Busfahren? Nein, man nimmt nur wieder mehr am Leben teil. Bin sehr begeistert!

Schicksal

Et kütt, wie et kütt, es kommt, wie es kommt. So sagt der gepflegte Kölner angesichts des Unabwendbaren, des Schicksals. Hab ich heute auch erfahren dürfen. Ursprünglich wollten wir – sozusagen traditionsgemäß – zu Mittag ans Meer fahren, denn es ist der September vorbei und das war ja der potenzielle Wendepunkt im Pasquale-Krimi in Ostia. Aber vielleicht wollten wir es unterschwellig nicht wissen und weiterhin in seliger Ungewissheit bleiben oder hatten keine Lust auf die längere Autofahrt (die uns im Sommer gar nichts ausmacht, wenn wir sie Tag für Tag machen). An sich – so waren wir uns einig – wollten wir einfach nicht so viel essen. Und schon gar nicht trinken. Vernünftig sein. Wir kennen uns nach so vielen Jahren nämlich recht gut und wissen, dass es niemals bei ein paar Gamberi mit Salat bleibt….Oder gar bei einer halben Flasche Wein. Also: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.

Hochzufrieden mit unserer Selbstdisziplin haben wir den weiteren Tagesverlauf geplant. Und sind schließlich in unseren Lieblingspark gefahren, um dort auch nach Kastanien zu schauen und vor allem, um uns die Beine zu vertreten, denn das coole Vespafahren von Geschäft zu Geschäft so wie gestern hat den Nachteil, dass überhaupt keine Schritte zustande kommen und das macht mich dann wiederum fuchsig. Rom schneidet eh am schlechtesten ab in der Schrittebilanz. In der Villa war es furchtbar schwül und dampfig und fast war ich auf dem Weg, etwas grantig zu werden….Bis wir an meinem Lieblingsbrunnen vorbei gelaufen sind und auf einmal „o sole mio“ durch’s Grün geschmettert wurde. Auf einer Bank, vor einem Baum saß ein Herr und lauschte – wie mein listiger Mann sofort entdeckte – der Musik aus den Lautsprechern aus dem Baum vor ihm. Herrlich war das. Vorbei war aller Grant. Auf dem weiteren Weg haben wir noch unfassbar kräftige Gänse und Enten getroffen, an St. Martin und Weihnachten gedacht und sind – angesichts dieser künftigen Gelage – weiterhin kräftig ausgeschritten. Mit dem Erfolg, dass ich wahnsinnig Hunger bekommen habe. Mein Vorschlag, in Trastevere einen kleinen Mittagshappen zu uns zu nehmen, wurde gerne und sofort aufgenommen. Da nahm das Schicksal dann seinen Lauf.

Gesagt, getan. Heim, umgezogen, auf die Vespa gestiegen, losgefahren. Claudio, der nette Kellner hat sich gefreut, wir uns auch. Und dann sind die Dinge ein wenig aus dem Ruder gelaufen. Erstaunt und sichtlich verblüfft hat er versucht, unsere Bestellungen in sein neumodisches Gerät zu tippen. Ist ihm fast nicht gelungen. Das Ende vom Lied war, dass wir mindestens genauso viel gegessen haben wie am Meer, nur halt in anderer Umgebung und näher. Manche Dinge sind einfach nicht aufzuhalten. Sie sind Schicksal. Man kann sich ihnen einfach nicht in den Weg stellen. Sollte man auch nicht. Wäre nutzlos.

Notizen

Dass das Leben in und zwischen drei Wohnorten nicht nur aus Café au Lait, Cappuccino und Kaffeetrinken besteht, sondern auch zu einem Gutteil aus Organisieren und logistischer Planung, ist vermutlich jedem klar. Manchmal gleicht es eher einem Transportunternehmen, das internationale Güter hin- und herfährt. Nun habe ich Artikel des täglichen Bedarfs natürlich an allen Standorten und fahre nur Lieblingssachen hin und her. Seit die Airlines sich sogar den Transport von Gepäck bezahlen lassen und die Flughäfen trotz aller Bemühungen kaum in der Lage sind, die Herausgabezeit des Ausgabegepäcks unter der Flugzeit zu halten, wäre es auch kaum möglich, Schuhe, Jeans und weiße T-Shirts mitzunehmen. Und Kaschmirpullis kann man ja eh nicht genug haben, oder? Auch bieten verschiedene Standorte die klimatische Möglichkeit, diverse Schwerpunkte zu setzen. Durchaus gibt es Kleidungsstücke, für die Augsburg noch nicht reif ist oder ich mich zu Tode frieren würde. Aber wusch, gleiten wir schon wieder in die pseudoglamourösen Aspekte ab. Derweil wollte ich doch über was ganz anderes schreiben.

Über Briefe an einen selbst. Abenteurer und Vielreisende aus früheren Zeiten machten es vor. Sensible Geister sowieso. Zu Zeiten von Briefen und Postkarten schrieben sie sich selbst. Je nach Land waren sie weit vor den eigenen Zeilen wieder zu hause, aber wie groß war die Freude, zwischen ärgerlichen Rechnungen und immergleichen Werbesendungen die eigene Schrift zu erkennen und sich selbst an die schöne Urlaubszeit zu erinnern. Wieder andere hinterlegen gleich ganze Prophezeiungen über innenfamiliäre Entwicklungen beim Notar. Oder sie schreiben sich profane Notizen. Menschen wie ich, die Listen aller Art lieben und an Tagen mit hohem Frustpotenzial am liebsten noch „Atmen“ drauf schreiben würden, nur damit es abgestrichen werden kann, lieben es natürlich, Zettel zu schreiben, was am nächsten Standort beispielsweise zu kaufen ist: Gesichtscreme, Finishsalz oder besonderen Pfeffer zum Beispiel. Müllbeutel und Geschirrreinigertabs, die es in der Heimat besser und günstiger gibt, für den anderen. Und weil einen das Hirn trotz aller bester Vorsätze über die Wochen im Stich lässt, macht es Sinn, sich nicht nur zu schreiben, was man noch tun muss, sondern auch wie der Status-Quo ist.

So vergesse ich immer wieder, wann ich das Bett in Rom das zuletzt überzogen habe. Ich nehme mir vor, einen Rhythmus zu halten, aber wer weiß, wann man fliegt, wer kann sich erinnern, wie oft darin geschlafen? Warum wir auf der Welt sind? Und so weiter und so weiter. Seit ich mir diese netten kleinen Zettel schreibe und selbst die wieder vergesse, freue ich mich wie ein Eichhörnchen, wenn es unversehens im hintersten Winkel eines Astlochs einen Vorrat köstlicher Haselnüsse findet. Noch mehr freue ich mich, wenn da steht: Einmal geschlafen. Dann ist es zwar nicht mehr superfrisch, aber erspart mir, gleich nach der Ankunft zentnerschwere Matratzen zu beziehen. Auch bei der saisonalen Wiederinbetriebnahme von Ski- oder Badesachen kann ich mich fürchterlich freuen, wenn ich auf einen Zettel stoße, der mich daran erinnert, die Badetasche zum Schuster zu bringen oder dass die Ski frisch gewachst waren. Man sollte generell viel mehr mit sich selbst kommunizieren. Man ist ja nie derselbe Mensch und so bleibt es auch immer spannend. Echt.