Eine Yacht ist immer länger

Früher habe ich über Menschen wie ich es heute bin, gekichert. Sucht sich jemand wirklich einen Film vorher aus, den er im Fernsehen anschaut? Stimmt es, wenn jemand sagt, er schaut am liebsten „ARTE“ oder inzwischen auch „Servus TV“? Wegen der schönen Tier- und Landschaftsfilme? Oder Dokumentationen? Kann doch gar nicht sein, dachte ich mir. Aber heute gebe ich freimütig zu: Ja, wenn ich schaue, dann gezielt. Und bei der heutigen Recherche, nachdem ich zwei Tage hintereinander aus war und deshalb ein ganz schlechtes Gewissen habe, bin ich auf eine beachtliche Doku gestoßen: „Arme Reiche“. Da ist die Rede von Selbsthilfegruppen für Multimillionäre und der Disziplin „Reichtumsforschung“, die auf wissenschaftliche Erkenntnisse zur Vermögenskultur abzielt. Die Sorgen der Reichen drehen sich – wer hätte es gedacht – ums Geld. Also nicht viel anders als bei Nicht-Reichen. Dabei kann einem die Niedrigsinspolitik genauso zusetzen wie Währungskrisen oder Vermögenssteuern. Ein Elend. Wahrlich.

Habe ich neulich noch gelesen, dass manche Reiche – allerdings in diesem Fall Milliardäre – immer einen vollgetankten Heli mit laufenden Rotorblättern bereit stehen haben, um sich im Fall eines politischen Zusammenbruchs in ihrem Land (Trump!) oder zu vielen Immigranten schnell, schnell an einen anderen sicheren Ort transportieren zu lassen. Klar ist es prima, wenn man derartige Fall-Back-Options hat, aber lebt man damit ruhiger oder eher unruhiger? Kann wirklich so viel passieren? Klar, wenn es denn soweit ist, ärgert man sich, nicht drüber nachgedacht zu haben. Aber immer daran denken? Auch nicht schön. Was noch viel weniger schön sein muss, ist, dass fast immer jemand zehn Zentimeter mehr Yacht hat oder eine Flügellänge voraus im Privatjet ist. Und weil mir das Schicksal hold ist und mir eine Vorabend-Magazinsendung anschaue, weiß ich auch, dass eine wahnsinnig hässliche, ziemlich alte Multimillionärin sich wieder mit ihrem fast schon teeniehaften (sie 76, er 50) Liebhaber ausgesöhnt hat. Kichernd mutmaßte er, er hätte ihr einen 49-Karat-Ring geschenkt, sie wollte wohl aber einen 50-Karäter. Klar, da würde ich meinem Mann auch das Gesicht zerkratzen.

Geht man die Thematik mal streng logisch an, wird schnell klar: Um wirklich richtig (erfolg)reich zu werden, braucht es eine gehörige Prise Narzissmus (hab neulich gelesen, dass überdurchschnittlich viele Narzissten in den Führungsetagen zu finden sind). Der gibt nämlich den nötigen Schwung, all seine Ideen für großartig und umsetzbar zu halten und das ist ja meist schon die halbe Miete (nur bei US-Präsident scheint es dann doch nicht zu genügen). Ärgerlich für Narzissten ist dann nur noch, dass sie auch wahnsinnig schnell gekränkt sind, andere Menschen oftmals für ihre Zwecke ausbeuten und deshalb kein wirklich stabiles Freundessystem aufbauen konnten und wollten. Und dann sind wir ziemlich schnell beim Thema „Arme Reiche“. Ich möchte jetzt nicht den Gänseblümchenspruch „wer Freunde hat, ist reich“ zitieren, aber es ist schon was dran, dass es zum Glück beiträgt, sich über einen der ersten Sonnentage freuen zu können. Und wenn man dann noch jemand hat, mit dem man in der Sonne einen Cappuccino trinken kann, kann der Heli ruhig am Boden bleiben. Auch wenn die Frau am Nebentisch eine echt hübsche Handtasche hatte….