Männer in Filzpantoffeln

Über so vieles im Leben macht man sich Gedanken: Werde ich die Prüfung bestehen? Hab ich noch Butter im Haus? Passt der schwarze Rolli zum silbernen Plisseerock? Über so vieles andere wiederum nicht. Das ist ein Fehler, wie ich spätestens seit einer kürzlichen Veranstaltung weiß. Die Frage der Stunde müsste lauten: dürfen Männer bei einer Einladung im eigenen Haus gemütliche, ausgelatschte Filzpantoffeln tragen? Hm. Wer hätte sich darüber je Gedanken gemacht? Es war nie notwendig und schwupps sind wir bei dem, was mein Orga-Professor an der Uni einen „Hygienefaktor“ genannt hat. Und der hat an sich recht wenig mit Hygiene zu tun. Konkret geht es dabei um die Umstände und Fakten, die nicht positiv auffallen, wenn sie vorhanden sind, weil sie – ähnlich wie saubere Waschräume – als eine Selbstverständlichkeit vorausgesetzt werden. Sind sie jedoch mangelhaft oder liegen gar nicht erst vor, fallen sie umso unangenehmer auf und haben auch Einfluss auf andere, durchaus positive Umstände und Elemente. Sie haben also eine geheime Macht, die erst durch ihre Abwesenheit zum Tragen kommt. Voll fies sowas.

Bei manchen Dingen braucht es aber tatsächlich so einen Hygienefaktor, der dem eigenen Unwohlsein bei bislang unbedachten Sachverhalten so richtig Form und Gestalt gibt. Wenn es bei uns klingelt oder wir Besuch haben, werde ich echt fuchsig, wenn mein Mann keine Schuhe anhat, bei Frauen geht es im Sommer vielleicht noch, wenn sie barfuß sind, aber Männer sollten in meinem Unterbewusstsein wohl doch immer verteidigungs- oder auch angriffsbereit sein. Und das sind sie nun mal nicht in Schluppen. Daher fürchte ich auch nichts mehr als Einladungen, wo ich Schuhe vor der Haustüre (entsetzlich) oder im Flur (grauenvoll) vorfinde und mir liebevoll ein Paar Pantoffeln hingestellt wird. Ich hab mir etwas gedacht, als ich genau diese Schuhe zu meinem Outfit gewählt habe. Es wirkt in Strümpfen einfach nicht. Oder ich bin tollkühn bei Eisregen barfuß in Lackschuhe gehüpft, weil ich ein bisschen Sommergefühl haben wollte und es einfach besser aussieht. Dann wirke ich wie eine hilflose Ente, die sich durch hohes Laub watschelt. Ein einziger Graus. Und kein Parkett der Welt kann dies wert sein finde ich (deshalb sieht meines auch so aus wie es aussieht).

Was ist es, das Schuhe so besonders macht? Die Frage an sich ist für Frauen beinahe unvorstellbar, die meisten würden nur selten auf eine Gelegenheit verzichten, neue, hohe, unbequeme, einzigartige oder seltene Schuhe zu tragen und zu zeigen. Schuhe haben so viele Vorteile. Sie sind nicht weiter nachtragend, auch wenn man zwei Wochen nur von Eis und Pasta und Weißwein gelebt hat, ignorieren, dass die Jeans von H&M und das T-Shirt vom Freund ist, gehen eine Allianz mit der Handtasche ein oder stemmen sich ihr charakterstark entgegen und verleihen der Trägerin Streetstyle-Chic, kurzum: Schuhe sind unverzichtbare Begleiter im Leben. Vielleicht nicht im Haus. Dort kann auf sie verzichtet werden, aber wenn ich drüber nachdenke, auch erst in den letzten Jahren. Meine Mutter oder meinen Vater habe ich selten bis niemals ohne Schuhe gesehen. Wikipedia sagt dazu: „In der Antike war das Tragen von Schuhes das Vorrecht der Herrschenden und damit ein Symbol der Macht, während die Sklaven barfuß gehen mussten.“ Erniedrigt man sich also selbst, wenn man sich anderen barfuß präsentiert? Oder ist es in einem bestimmten gesellschaftlichen Kontext einfach respektlos, in Filzpantoffeln aufzukreuzen? Egal wie, auch hier haben Frauen einfach ein natürliches Gefühl für Anstand und Sitte: sie würden nur unter ganz besonderen Umständen eine Gelegenheit auslassen, ihre Schuhe zu zeigen. Und wir ertragen auch noch mit Gleichmut die ständig wiederkehrenden Fragen, ob wir nicht schon ein paar „schwarze, hohe Schuhe“ hätten…..Ja, so sind wir.