Liftgespräche und Schussfahren

Wir sind beim Skifahren. Wahnsinnig toll. Wie zwei Pferde, die zu lange im Stall waren, rasen wir – man möchte sagen: hirnlos, aber dafür sind wir zu vorsichtig und zu betagt, um die Folgen außer Acht zu lassen – seit zwei Tagen die Berge rauf und runter. Keiner möchte gerne mit uns fahren, die einzigen, die das gerne würden, müssen arbeiten, weil wir schrecklich außer Rand und Band sind. Gerade am Morgen, wenn noch wenige Leute unterwegs sind, gibt es ein, zwei Pisten, die dauern kaum eine Minute zum Abfahren und ca. vier Minuten Lift. Und eben auf dieser Piste hatten wir einen Parallellauf mit zwei anderen Skifahrern, zwei Männern, einer Oberbayer und Gschaftlhuber, der andere Düsseldorfer und sichtlich bemüht, so cool zu sein wie sein bayerischer Freund mit der weißen Porschebrille. Ich muss zugeben, ich hab extra Gas gegeben, um auch ja nichts von den Gesprächen im Lift zu versäumen. Es gab durchaus einen Einblick in die männliche Psyche, die ja oft verkannt wird, offenbar aber nicht immer soooo tiefgründig ist, um irgendwas zu verkennen.

Die Angelika auf der Maierlalm wäre ja also jetzt verliebt in ihn und würde sich Hoffnungen machen, da müsse man schon aufpassen. Warum? Na, ganz klar. Im Sommer arbeite sie auf Ibiza und vermiete dort Häuser und der Düsseldorfer (das Boatscherl) suche ein solches. Da hat er ihr seine Visitenkarte gegeben. Ist doch klar, dass sie sich jetzt Hoffnungen macht, törichtes kleines Ding, das sie nun mal ist. Und weil die Kerstin, des Düsseldorfers Gattin, eh eher ungern die Hänge rauf- und runtersaust und er das auch gar nicht so schlimm findet, müsse er doch gleich zwei Mal aufpassen. So sein weltmännischer bayerischer Freund. Dass man für zwei Kinder im Tagesskikurs, wo sie nur Schlepper fahren und zu zwanzigst rumrutschen 35 Euro pro Kind zahlt, weiß ich jetzt auch. Leider haben wir sie wegen einem kurzen Gerangel beim Einsteigen verloren und dann haben sie wohl auch die Lust verloren und eine andere Piste gewählt. Doof, hätte gerne noch mehr gelernt.

Gleich auf den nächsten Fahrten wurden wir dafür in die Denkstrukturen unserer jungen Hoffnungsträger, der berufstätigen Checker in Großstädten eingeweiht. Ja, man könne jetzt langsam wieder mit dem Rad zur Arbeit fahren, aber es wäre weitaus chilliger, von Zuhause aus zu arbeiten und dann einfach an der Isar entlang zu radeln, da der Weg durch die Stadt doch die volle Chemiedröhnung sei. Außerdem wäre die Kundenstruktur sowieso so unglaublich global, dass es wenig Sinn mache, sie vom Büro aus zu betreuen. Wir spitzten neugierig die Ohren, welch wahnsinnig aufregende Tätigkeit sich dahinter verberge, wurden dann aber jäh enttäuscht, als es hieß, manche könne man auch von den Eltern aus in Stuttgart betreuen, da ginge dann ein Regionalzug hin. Was soll man sagen? Sind das die Abenteuer der heutigen Jugend? Reutlingen, Biberach und co? Ganz so trist ist es aber doch nicht, denn bei einer unserer letzten Liftfahrten – wir waren am Nachmittag etwas entnervt von all den wahnsinnig schlechten Skifahrern, noch schlimmer aber von den hirnlosen Schussfahrern – durften wir lernen, was junge Menschen antreibt: drei verschiedene Apps auf dem Handy und der GoPro, die die Distanz messen und vor allem die Geschwindigkeit. Und damit sind wir für die nächsten Tage bestens gewappnet. Es geht nämlich nur um die Geschwindigkeit und die Anzahl der gefahrenen Kilometer. Alles andere ist nebensächlich. Vermutlich geht es auch beim Radeln nicht darum, an ein Ziel zu kommen, sondern nur möglichst viel zu radeln oder einen neuen Höhenmeterrekord oder so aufzustellen. Und wenn das alles so ist, um was geht es denn eigentlich in diesen jungen Leben, die alles filmen, messen und vergleichen?