Stadt der Liebe

Ich hatte ja versprochen, den Gedanken über vorurteilsbehaftete Schönheit bei einem Abendessen mit einem schönen Mann weiter zu beleuchten. Im Prinzip eignet sich ein jeder Ort dazu, aber einer nach landläufiger Vorstellung vielleicht ganz besonders: Paris. Also dieses Paris ist doch immer wieder ein Mirakel. Stadt der Liebe? Statt der Liebe? Es gibt wohl kaum eine Stadt, in der es einem so schmerzhaft bewusst wird, wenn man keinen Menschen an seiner Seite hat wie Paris. In der man die Hektik und Anonymität einer Großstadt schlechter aushält ohne einen anderen oder in der man häufiger nach dem Arm einer hoffentlichen Begleitperson greift wie in Paris. Deshalb, ja, es könnte durchaus die Stadt sein, in der einem die Liebe dankbar bewusst wird, wohingegen man sie in anderen, weniger gefährlichen Städten eher selbstverständlich hinnimmt. In der rauen Kühle der Pariser Luft hingegen ist sie nicht nur ein wärmende Kaschmirjäckchen, vielmehr ein notwendiger Daunenparka. Über den man sich nicht minder freut, wenn es kalt ist als über fluffige, kuschelige und federleichtes (farblich passende) Strickwaren bei einem Nachmittagsschokolade bei „Angelina“. Mein Verhältnis zu Paris ist zwiegespalten wie das einer Pariserin (hihihi). Ich bin superkritisch an den meisten Tagen und zähneknirschend verliebt an den anderen. Dieses Wochenende entwickelt sich zu einem verliebten Paris-Wochenende. Trotz oder gerade wegen mancherlei drolliger Dinge, die vermutlich nur hier passieren können.

Nehmen wir einfach mal den Freitagabend: Unerwarteterweise hat mich mein Mann in ein immer ausgebuchtes Restaurant mehr oder weniger unter dem Eiffelturm geführt. Wir waren da schon mal im Sommer vor zwei Jahren (kurz nachdem ich mich schrecklich mit meinem Onilne-Befragungsdienstleister gezankt hatte und immer noch vibriert habe vor lauter Ärger) und es war wunderschön. Denn tatsächlich sieht man das Stahlkonstrukt zwar von fast jeder Stelle der Stadt – außer aus einem der teuersten Restaurants in Paris, das sich eben gerade in der Spitze jenes Turms befindet -, aber es verliert auch dann nicht an Wirkung. Schon beim Betreten ist mir leider aufgefallen (ich finde es schlimm, dass mir so etwas auffällt, aber dann darf man mich nicht so lange an der Garderobe warten lassen), dass das Datum auf der Begrüßungskarte nicht stimmt und der Teppich durchaus eine Grundreinigung vertragen könnte. Freitag, der 14. ist einfach nicht am Freitag, den 13. Das kann man drehen und wenden wie man will und es hat nichts mit Creation und „je ne sais quoi“ zu tun. Das Essen war vorzüglich, nur etwas karg, so dass ich in meiner Not Butter bestellt habe. Damit haben wir uns dann sehr respektable Butterbrote geschmiert und feinsten Wein dazu geschlürft. Herrlich. Das Dessert wollten wir sicherheitshalber woanders nehmen und sind kichernd in einem nach feuchter Wäsche riechenden Taxi ins neu eröffnete Ritz gefahren. Das hat für seinen Totalumbau immerhin fünf Jahre gebraucht und entsprechend gespannt waren wir auch. Es liegt nämlich genauso nahe, dass es durchaus eine Art Stammbar für besonders nette Abendbeginne oder -ausklänge hätte werden können.

Aber wie groß war die Überraschung! Ein fast menschenleeres, blumenloses, totenstilles Ambiente hat uns empfangen. Die Bars seien im hinteren Flügel und nachdem wir einen Straßenzug im Inneren des Hotels vorbei an zahlreichen Vitrinen gelaufen sind und uns zunehmend wie in einer Shoppingmall in einem arabischen Emirat gefühlt haben, konnten wir leises Gemurmel hören. Es kam aus zwei gegenüberliegenden Räumen, die erleuchtet und nett gestaltet waren, aber zum Einen voll und zum Anderen irgendwie deplatziert in dieser unbelebten Atmosphäre. Hat uns nicht gefallen. Hunger hatten wir aber dennoch. Und so sind wir also in einem spanischen/italienischen Restaurant mit Bar gelandet, wo wir einen Teller mit feinstem Schinken Brot und zwei Gläser Rotwein bekommen haben. Satt, hochzufrieden und im sicheren Gefühl, der Stadt trotzdem das Beste abgetrotzt zu haben, sind wir heimgewankt. Gestern dafür hielt ein noch viel schöneres Restaurant die Überraschung bereit, so gut und fein zu sein, dass ich nur wieder an meinen kürzlich geposteten Beitrag anschließen kann: keine Vorurteile gegenüber Schönheit. Weder bei Restaurants noch bei ausnehmend hübschen Platzanweiserinnen oder Kellnern. Es ist einfach nicht fair. Und Paris gegenüber ist es vermutlich auch nicht fair, es zu verteufeln, nur weil es so eindrucksvoll schön ist. Halt auf eine ganz andere Art als mein Rom, das ich nächste Woche nach einer Ewigkeit wieder sehen werde.