VerkäuferInnen

Wer menschenscheu ist oder einfach nicht will, muss heute mit fast keinem menschlichen Wesen mehr Kontakt haben. Und wenn er ihn hat, kann er so unpersönlich und sachlich wie möglich sein. Das funktioniert meist so lange, bis irgendetwas außerhalb der Reihe geschieht, man einen Gefallen oder eben ein kleines Bisschen mehr möchte. Dann ist es gut, das italienische Prinzip gefahren zu sein und „seinen“ Verkäufer zu haben. Wie schwierig und zermürbend das in unserer superschnelllebigen Zeit sein kann, weiß ein Jeder. Kaum hat man sich ein Gesicht, vielleicht sogar mit Namen gemerkt, ist rotiert worden, Der- oder Diejenige arbeitet jetzt in einer anderen Filiale oder weiß Gott was noch alles. Die Friseurin meines Vertrauens verkauft jetzt Jeans und die einzige Frau außer meiner Mutter, die mir beim Augenbrauenzupfen nicht unerträgliche Schmerzen zufügt (es gibt noch eine Freundin, die hervorragend zupft, aber die lebt unfassbar weit weg von mir, was schon an sich eine Schande ist!), verkauft nun Schuhe. Was daran so viel besser sein soll?

In Italien habe ich ganz schnell gelernt, dass es deutlich besser läuft, ist man irgendwo Stammkunde und schafft sich auf die ein oder andere Art und Weise eine gemeinsame Historie. Dann kann sich jeder an „die Frau, der mal die Kiste mit Erdbeeren umgefallen ist“ oder „die Frau, der ich tatsächlich mal fünf Kilo Kirschtomaten angedreht habe, obwohl sie nur ein Kilo Kartoffeln wollte“ oder einfach „die große Deutsche“ (was in Deutschland nicht funktioniert) erinnern. Man kommt rein, wird freundlich begrüßt und nach Eltern, Hund oder wo man gerade herkommt gefragt. Dadurch dass ich dauernd einkaufe, ist das kein unerheblicher Vorteil, man ist ja kein Nerd und möchte auch ab und an mit Menschen und nicht nur mit sich selbst sprechen. Dazu bleibt im Alter immer noch genügend Gelegenheit. Verblüffend ist, dass gerade die unpersönlichste meiner Städte, natürlich Paris, in einem großen Markt an der Oper einen Kassierer hat, der immer an derselben Kasse sitzt (ganz rechts, wenn man rausgeht) und mit dem ich inzwischen sogar kleine neckische Worte wechseln kann. Das klappt am besten, wenn wir uns über die vielen Touristen unterhalten, die kein Wort französisch können. Dann ist meine große Stunde, denn ich habe – wie schon erwähnt – wie keine Zweite gelernt, feinsinnig zu nicken, zu lachen und zustimmende Silben zu murmeln, was im Allgemeinen großartig ankommt und mich zu einer geschätzten und verständigen Kommunikationspartnerin macht.

In meiner Heimat muss ich da schon mit stärkeren Geschützen auffahren, denn hier konkurriere ich in meiner Sprache und vielen Menschen, die immer da sind und viel regelmäßiger und mehr einkaufen als ich. Hier muss ich mir etwas einfallen lassen, um im Gedächtnis zu bleiben. Zum Glück kann ich hier dasselbe Prinzip wie andernorts verwenden, denn ich bin dann „die, die gerade aus Paris oder Rom kommt“. Oder einfach die Nette. Zum Beispiel gibt es eine Metzgereiverkäuferin, zwischen der und mir einfach ein Band allergrößter Sympathie gespannt ist. Sie hat auch mal zehn Jahre in Frankreich gelebt und ist immer noch erbost über die französische Anmaßung in punkto „cuisine“. Da braucht ihr keiner kommen und wenn ich ihr sage, ich fahre wieder nach Paris, kann ich sicher sein, dass sie mir noch eine eingeschweißte Wurst extra mitgibt „für Eahna Mo, der arme Kerle, der da wohna muss“. Das ist erfreulich und wenn ich nicht andauernd den heißen, neidischen Atem wartender Kundinnen im Nacken spüren würde, hätten wir uns schon sicher so manchen Schwank aus unserem Leben erzählt. Neulich hat sie mich, als ich schon fast bei der Türe war, nochmal zurückgerufen und zugeraunt „Mei, des sieht ma fei scho, dass sie in Paris a dahoim sin, da passens arg gut hin, so schick wie Sie immer sin!“ Ich war zu Tränen gerührt. Wer könnte je sein Fleisch woanders kaufen? Oder gar im Internet?

2 Gedanken zu „VerkäuferInnen“

  1. Leider bin ich komplett aus diesem Raster gefallen. Seit der Fußballgott an meiner Seite ist. Für mich interessiert sich kein Schwein! Wenn ich das mal so sagen darf. Wenn der Fußballgott ohne mich z.B. an der Wursttheke nach getrockneten Feigen verlangt, dann stürmt immer mindestens eine dieser leicht schwergewichtigen Damen an seine Seite, um ihm munter plaudernd diese geheime Lagerstätte zu zeigen. Wenn ich nach was frage, wird lässig und nicht wirklich erfreut mit der Hand in eine Richtung gewedelt und mir bedeutet, daß es ja wohl nicht so schwer sein kann, geschroteten Leinsamen zu finden. Ich meine das Leben mit meinem Fußballgott an der Seite ist einfacher und leichter geworden, aber ich finde es reicht doch schon, die Oberherrschaft in der Küche verloren zu haben. Oder?

  2. Ich habe eine Fleisch -und Wurstfachverkäuferin meines Vertrauens! Frau Gemein sieht eher aus wie ein Mann, schaut nicht wirklich auf ihr Äußeres, wie ich schon von einer anderen geschätzten Kollegen erfahren habe. Nie häb sie sie einmal in einem Rock oder Kleid gesehen, nicht mal zur Weihnachtsfeier. Also um zurück zu kommen, bin ich also immer froh, wenn sie mich erblickt und sie sofort alles stehen und liegen lässt, um mir das perfekte Stück Fleisch zu verkaufen. Nun bin ich ja nicht unbedingt so offen und kommunikativ wie die liebe Bloggerin (danke übrigens für das Kompliment mit dem zupfen) (und ja es ist eine Schande), aber hier im Exil habe ich gelernt, man muss sich diese Damen zu Verbündeten machen und bekommt immer das beste Stück.

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