Fleckenteufel

Eine unbestreitbare Tatsache ist, dass die Menschen in halb volle und halb leere Gläsertypen zu unterteilen sind. Ob generell oder je nach Situation, das hängt von der inneren Stabilität ab. Sind sie völlig gelassene und hochentwickelte im Hier-und-Jetzt-Typen, nehmen sie die Dinge und das Leben einfach hin und werten gar nicht mehr, ja sind sogar absichts- und wunschlos. Möglicherweise gibt es genau einen solchen Menschen auf irgendeinem nepalesischen Gipfel oder er ist Ziegenhirte in einer abgeschiedenen Gebirgsregion. Eine weitere Tatsache ist, dass wir zwar heute jederzeit und immer auf unsere Begierden und Wünsche achten und danach trachten, sie möglichst sofort erfüllt zu haben, aber die allerwenigsten ihre wahren Bedürfnisse kennen, weil das auch gar nicht so einfach ist. Ein Porsche ist nämlich ein Wunsch und kein Bedürfnis. Aber hier schweifen wir ganz eindeutig in die Philosophie bzw. die Psychologie ab und an sich wollte ich ja über meine Kaschmirpullis sprechen.

Ich kann mich in der momentanen Situation nämlich genau zwischen den beiden Gläsertypen entscheiden. Bin ich der halb volle Typ, dann freue ich mich, dass ich bald viele neue Kaschmirpullis kaufen kann, weil Platz im Schrank ist oder bin ich der halb leere Typ und gräme mich über den überproportional gehäuften Schwund an Kaschmirpullis in meinem Leben. Der Schwund tritt nämlich in den letzten beiden Monaten geradezu inflationär auf. Von der Mottenplage in Paris hatte ich ja schon berichtet, nun könnte man von einer Gallseifenplage sprechen. Leider widerfährt mir hin und wieder ein kleines Missgeschick, von dem ich die längste Zeit gar nichts bemerke und fröhlich weiter vor mich hin wurschtle, während meine Vorderfront kleine Schlieren oder Schmutzbätzele aufweist, gerne auch Tomatensoßenspritzer. Denen rücke ich dann mit Gallseife zu Leibe. Was auch fantastisch funktioniert. Die Flecken gehen immer raus. Zurück bleiben dafür weiße, größere Flecken. Von der Gallseife. Auf diese Art habe ich schon einen neonpinken Pulli mit blöden Giltzerschmetterlingsapplikationen benähen lassen müssen, bei einem flaschengrünen ist nichts mehr zu machen und heute habe ich einen meiner ältesten und schönsten karamellfarbenen in ein Entfärbebad gesteckt. Weil’s grad schon wurscht ist, warum ich ihn wegwerfe.

Noch bin ich in der Phase stärksten Haderns und noch nicht wirklich zum Optimismus bereit, es könnte aber sein, dass sich das bei der nächsten Einladung zu einem Cashmere-Sale wie das ja nun neudeutsch heißt, ändert und ich fröhlich und enthemmt wie nie zuschlage. Denn das weiß ich sicher: Kaschmirpullis sind kein Wunsch, sondern ein Bedürfnis.

3 Gedanken zu „Fleckenteufel“

  1. Was soll ich dazu sagen? Ich habe mir in Rom einen traumschönen rohweißen Kaschmirpulli gekauft. Zuhause dann blöderweise eine Bolognese gekocht. Und was passierte? Als sie eigentlich fertig war, Schürze ausgezogen und wusch, sprang in bösartiger Absicht der Kochlöffel in die Bolognese, diese großflächig auf den nagelneuen Pulli, dieser mit Fleckentferner in die Waschmaschine und dann in den Müll. Ich habe ihn nie wirklich getragen, war teuer, so ein Mist. Eine Freundin von mir hat sich vor Urzeiten in meiner Begleitung ein Twinset, ebenfalls in rohweiß von J.S. für den Gegenwert eines gebrauchten Autos gekauft und dann grünen Tee getrunken und den dann verschüttet. Dem Twinset ging es wie meinem Pulli. Es ist so schlimm, aber da muss entschlossen gehandelt werden, ich kann nur sagen, Augen zu und direkt ran an den Mülleimer.

  2. Du meine Güte, was für ein Drama! Ich hoffe nicht, dass es der Pulli ist, der auch „Oberpleis“ Pulli heißt. Habe dann die schlimmsten Befürchtungen, dass die Liebe Bloggerin nicht mehr hierher kommt wegen fehlendem warmen Lieblingspullis. Also ab zum shoppen, ein Neuer muss her. Gibt es sowas? Gerade ist ja Sommer?! Ich habe nun ja wirklich nicht so viele Kaschmirpullis, aber neulich habe ich doch tatsächlich einen verwaschen, der mir aus Versehen in die 40 Grad Wäsche gerutscht ist. Ich bin jetzt noch wütend auch mich, weil dieser Pulli auch noch regulär und nicht als Schnäppchen in einem hiesigen Luxuxgeschäft gekauft wurde. Nicht einmal einer Puppe hätte ich den anziehen können.

    1. Oh wie fürchterlich!!! Das tut mir leid. Das ist in der Tat doppelt schlimm. Aber man könnte jetzt dann im Schlussverkauf günstig und auf Vorrat nachkaufen.

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