Werte und Konventionen

Die meisten Leben werden begleitet von ziemlich alten Ritualen. Viele davon kommen aus der Religion. Ob das die Taufe ist, die Kommunion oder die Hochzeit – sie alle sind Höhepunkte mit festen Abläufen. Ob die Teilnehmer nun aus der Kirche ausgetreten sind oder nicht, feiern tun sie all das schon noch recht gerne und letztlich ist es auch genau richtig so. Denn die Werte sind eben doch geblieben, auch wenn man jetzt weniger Steuern zahlt oder sie dort spendet, „wo sie auch wirklich ankommen und nicht in diesem korrupten Verein versanden“. Nicht immer komplett und superkonsequent, besteht also doch der grundsätzliche Respekt für dieses „Höhere“ und für die Gemeinschaft. Solche Ereignisse werden meist ganz ähnlich, wie sie in der eigenen Familie schon gefeiert worden sind, begangen und der Gefeierte nimmt neben Geschenken auch die Bedeutung des Tages mit.

Wie gut, dass wir in Europa die meisten Traditionen und Rituale schon recht lange haben. Sie geben uns Sicherheit, zumindest Denjenigen, die sie feiern, den anderen fehlen sie vermutlich nicht. Warum ich das alles so ausführlich schreibe? Weil ich gestern Gast auf einer sehr schönen Konfirmation war, bei der zu spüren war, dass die Konfirmanden sich intensiv und ernsthaft mit der Thematik auseinander gesetzt hatten. Auch die Eltern haben ihren Teil miterlebt und sich darauf eingelassen. Sie waren Teil im Leben ihrer Kinder. Am Abend kam dann zufällig der Fall eines Vaters zur Sprache, der auch Teil im Leben seiner kleinen Tochter ist, sie liebt, für sie sorgt, nicht nur mit Geld, sondern auch aktiv an ihrer Entwicklung teilnimmt, ein Vorbildvater, ein „neuer“ Vater sozusagen. Und so hat er auch das Großereignis, als sie das erste Mal alleine auf die Toilette gegangen ist, festgehalten. In Zeiten von Smartphones wird so etwas eben fotografiert und dann der Oma geschickt. Zum Beispiel. Oder der Mutter, die im Büro arbeitet und nicht dabei sein kann.

Was aber passiert, wenn ein solches Foto bei einer Einreisekontrolle in die USA „gefunden“ wird, ist gruselig. Dann legt die Maschinerie eines Landes los, das kein allzu großes Urvertrauen in seine Werte und Bewohner hat und auch nicht haben kann, weil es sie als „die Bewohner“ gar nicht gibt. Sie müssen sich täglich neu auf ein bestimmtes Verhalten „kommitten“ und die jeweiligen Regeln strengstens einhalten und überwachen. Deshalb fahren Chefs nicht gerne oder gar nicht mit ihren Mitarbeitern Aufzug und flapsige Anzüglichkeiten spart man sich besser. Es ist ein anderes Miteinander, wie ich finde, weniger spontan und herzlich, dafür viel (politisch) korrekter. Weil es keine gemeinsamen Werte außer denen, die irgendwo festgeschrieben sind, gibt. Das Natürliche im Miteinander bleibt auf der Strecke und bahnt sich dann wohl abseits der Straße seinen Weg.

One thought on “Werte und Konventionen

  1. Mein Fußballgott wiederholt täglich, dass das Internet unser Ruin sein wird. Der komplette Verlust des Miteinanders und des Vertrauens zum Gegenüber. Eigentlich hat er Recht, direkten Verfolgungswahn hat er neben diesem betrügerischem Internet auch bei allen Journalisten, egal welcher Zeitschrift sie angehören. Und trotzdem ist er gut informiert. Ja aber durch wen, doch nicht nur durch unsere Küchengespräche? Denn wenn ich ihm was über Beckenbauer oder Weinzirl erzähle, fragt er sofort, welcher Gauner denn das wieder gesagt hat. Ja, es ist gut, dass es noch richtige Anlässe und Familienfeiern gibt. Denn die dort verbreiteten Intrigen kann man zurückverfolgen. Und die Anregungen für unser zur Distanz zwingendes Verhalten bekommen wir ja wirklich nur durch die im Minutentakt über das Netz verbreiteten Nachrichten in der ganzen Welt. Drum ist es gut, wenn Familien in vernünftiger Distanz miteinander umgehen. Ich liebe unsere Familienfeiern und habe es genossen, in jungen Jahren Einladungen zu geben. Für Freunde! Ich habe mich da immer sicher gefühlt.

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