Dick, krank, aber ehrgeizig

So, ich fasse die Ergebnisse der Studien, die in den letzten Tagen veröffentlicht wurden mal kurz zusammen: Es gibt mehr übergewichtige (und hier reden wir nicht von den fünf Standardkilos, die fast jeder runter haben möchte) als untergewichtige Menschen. Und zuckerkrank sind sie dann auch noch. Besonders englischsprachige und arme Länder sind von dieser Entwicklung betroffen. Dafür werden die Eltern in der westlichen Welt immer ehrgeiziger und schlagen sich bei öffentlichen Ostereiersuchen mit ihren Konkurrenten oder zerren plärrende Kleinkinder beim Kindermarathon über 40 (sic!) Meter an einem Arm über die Ziellinie. Dabei hören bereits werdende Mütter CDs, die die Gehirne ihrer Kinder im Bauch zu Höchstleistungen stimulieren sollen.

Weil sie andererseits meist nicht willens sind, ihre hart erkämpften Abteilungsleiterjobs aufzugeben, sind sie dann am Abend zu ermattet, um etwas zu kochen, sondern greifen zu einer praktischen Fertigmenülösung oder – ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, wie man sich abseits von normalem Kochen ernährt – was die Industrie auch sonst immer an kruden Ideen hervorbringt und was erwiesenermaßen zu Übergewicht führt. Vom Kindergarten und der Schule wird in dieser Zeit erwartet, dass die Brut gefördert wird und auf die Einzigartigkeit der verstörten, sozial inkompetenten Kinder eingegangen wird. Das Kind soll schließlich trotz aller emotionalen Mängel zuhause perfekt und geländegängig auf alle elterlichen Launen und Befindlichkeiten reagieren können. Und am besten mit vier Jahren einen Marathon mitlaufen und gewinnen.

Wer kommt auf eine solche Idee? Ein Marathon für Kinder? Wenn ich ab und zu im Wald bin, früher täglich, sehe ich Kinder, die hinter ihren joggenden Eltern herhechteln müssen und es ist ein so unnatürliches Bild als würden sie in High Heels bei einem Galadinner sitzen und Konversation machen. In dieser Lebensphase kann und darf es noch nicht um das so lange Durchhalten gehen, zu Vieles gibt es noch zu lernen, als dass man sich mehr als fünf Minuten aufs Durchhalten konzentrieren könnte. Ach, darüber haben wir schon so oft gesprochen, es ist doch immer wieder Dasgleiche. Kinder, Partner und Hunde haben bedeutet auch, dass man sich selbst zurück nimmt und etwas dafür tut. Andere schimpfen, dass sie das eigene Kind besser erziehen oder ihm beim öffentlichen Ostereiersuchen das größte Nest vom gegnerischen Vater erkämpfen, kompensiert keine emotionale Verwahrlosung.

2 Gedanken zu „Dick, krank, aber ehrgeizig“

  1. Da war meine Kinderzeit, die mitten im zweiten Weltkrieg stattfand, vergleichsweise friedlich und entspannt. Wenn man die Bombenangriffe überstanden hatte, konnte man wieder raus zum Spielen, man bekam höchstens die Ermahnung, den Ruinen etwas fernzubleiben, man wusste nicht sicher, ob noch was nachrieselt. Dabei fanden wir die allerschönsten Kalkstücke in den Ruinen, denn wir brauchten sie um auf der Straße unsere Hupfen aufzumalen. Das nun aber nebenbei. Die Sechziger Jahre waren bereits etwas fortschrittlicher. Da machte man sich schon Gedanken über die Frühförderung der Kinder. Aber nicht so arg und vor allem nicht wettkampfmäßig. Was heute hier abläuft ist einfach unfassbar und rücksichtslos. Diese armen Kinder, die bereits Terminkalender brauchen, um die Woche unter einen Hut zu bringen, das ist entsetzlich. Wenn ich nochmal heute ein Kind großziehen müsste, würde ich mich dem Wettkampf nicht stellen, sondern versuchen, in Anlehnung an meine Kinderzeit Freiheit, Spiele im Freien, andere Kinder, unbefangenes Spielen ohne erzieherische Absicht. Und essen, so wie bei uns, wenn wir Hunger hatten, nachmittags gab es ein Marmeladebrot und Wasser und Abends Wurst- und Käsebrote, je nach Wunsch und Obst. Mittags gab es immer frisch gekochtes warmes Essen. Mütter waren halt für die Familie da. Das war die Norm und Schlüsselkinder immer bedauerte Ausnahmen. Aber dicke oder verhaltensauffällige Kinder gab es nicht oder fast nicht.

  2. Also nun muss ich sagen habe ich ja mein halbes Leben Sport getrieben und da bin ich nicht ganz unbelastet. Ich würde fast sagen, wenn es um Sport geht, da passiert irgendwie etwas in mir, das ich nicht mehr steuern kann. So war ich z.B. am Wochenende auf dem ersten Leichtathletikwettkampf meiner Tochter und kaum dass es los geht, bin ich schon bei den Olympischen Spielen (ich habe mir nichts anmerken lassen), keine Ahnung, was da passiert. Als ich aber heute in Bonn war und dort dem Postmarathon zusehen durfte, rein zufällig, weil wir in der Nähe waren, da war ich doch auch sehr erschrocken, dass da nicht nur Erwachsene liefen sondern auch Kinder und die wurden auf eine Art angeschrieen, das war schon echt schockierend. Machen die das freiwillig oder nur, um ihren Eltern zu gefallen? Ich bin in dem Alter nach dem Mittagessen runter zum Spielen und wenn es dunkel wurde wieder hoch gegangen. Keiner wusste, was ich getan habe und mit wem. Heute werden die Kinder regelrecht gecoacht von den Eltern und es wird geplant, was sie wann zu tun haben, um ihre wenige Freizeit nicht sinnlos genutzt wird. Ich versuche, meine Kinder zu unterstützen bei dem, was sie tun möchten, fahre sie zwar auch überall hin, versuche mich dann aber im Hintergrund zu halten und glaube, das finden die ganz gut. Ich glaube, viele Eltern haben immer Angst, etwas falsch zu machen und können die Dinge gar nicht mehr ihren Lauf lassen.

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