Das höchste Gut

Nur schwerlich kämen Menschen, die mich kennen, auf die Idee, mich abgebrüht oder supercool zu nennen (gut, manche meiner Pariser Outfits können sich durchaus sehen lassen!). Auch bin ich nicht wahnsinnig wählerisch oder elitär (zum Beispiel treibt meine Indifferenz in Bezug au Skihelme meinen Mann noch in den Wahnsinn). Was mir aber – gerade im Moment – im Vergleich zu manch anderen auffällt, ist, dass ich mir durchaus wählerisch bin, was Diejenigen betrifft, die mich kränken oder beleidigen oder ärgern dürfen. Das müssen die meisten sich ziemlich hart erarbeiten. Dann gelingt es ihnen zwar, aber der Weg dorthin ist steinig und steil. Momentan erlebe ich um mich herum wahre Minenfelder, zum Glück nicht in Bezug auf mich (oder ich bekomme es nicht mit!), aber in Bezug auf so ziemlich das gesamte Umfeld.

Jeder ist böse, alle Menschen sind eigenartig, jeder Satz wird darauf hin interpretiert, ob nicht doch Böses oder eine perfide Strategie dahinter stecken könnten, wobei das sowieso angenommen wird. Meist geht es nur noch darum, festzustellen, welche. Was bringt einem das? Sich als ewiges Opfer zu fühlen? An nichts schuld haben? Ich muss mich natürlich fragen, warum mir das gerade so auffällt, die Dinge kommen ja nicht ohne Grund auf einen zu. Tatsache ist, bei meinen Freundinnen ist das nicht so. Wir vergeuden unsere Zeit nicht mit endloser Jammerei, sondern erzählen uns aus unserem Alltag und kichern über Vieles, holen aber auch Rat ein, wenn er gebraucht wird. Keine würde die andere auf Dauer als Mülleimer benutzen. Das ist nämlich ein schleichender Prozess von der Vertrauten zur Mülltonne. Und wehe dem, der sich da geschmeichelt fühlt.

Ich denke nach wie vor an den Arbeiter, der bei meinem Papa mal was am Haus gemacht hat. Das war vor ca. 25 Jahren als ich während eines Umzuges so vor mich hingebroddelt hatte und er meinte – ein Zweisitzersofa lässig durch unser Rundtreppenhaus wuchtend -: Es passiert einem nur das, was man zulässt. Das ist so simpel und weise, ich vergesse es immer nur für kurze Zeit. In dieser geht es mir dann aber in der Tat auch nicht so gut. Die Eigenverantwortung, wie wir sie inmitten unserer Lebensumstände erleben dürfen, ist das allerhöchste Geschenk und Gut. Das sollte und dürfte niemand vergessen. Auch wenn der Müllmann die Tonne bestimmt absichtlich quer in die Einfahrt geschubst hat.

4 Gedanken zu „Das höchste Gut“

  1. Eine sehr weise Freundin von mir meinte einmal: irgendwann ist das emotionale Füllhorn voll. Das betrifft auch die Mülltonne. Irgendwann ist sie voll, man kann noch etwas drücken, das ist aber meistens eklig. Bis alles wieder geleert ist, muss man dann halt geduldig warten und dann ist sie wieder bereit zur Füllung. Man sollte nie Freundinnen, weder für das Eine, noch für das andere benutzen. Sicherlich ist es manchmal schwierig, weil das, was man sagt, beim Anderen gar nicht so ankommt, wie man es gemeint hat und dann setzt sich das fest und man bekommt es nicht mehr los. Nun sind wir alle ja nicht mehr die Jüngsten und man hatte schon viele Begegnungen und ich habe die Erfahrung gemacht, dass nur Wenige es wert sind, um sie zu kämpfen!

  2. Täglich überlege ich bei den kleinsten Vorkommnissen, was will oder soll mir das sagen! Nichts! Es ist halt einfach mal so. Jemand war unaufmerksam, nachlässig oder ich war es und schon ist der vermeintlich gerade Weg blockiert. Aber in mir drin bohrt die Überlegung weiter, was soll ich daraus lernen, dass mir z.B. gerade der Aufzug vor der Nase weg gefahren ist? Dann denke ich, naja vielleicht bleibt er im 7. Stock hängen und ich bin Gottseidank nicht drin. Oder dieser Aufzug stürzt ab und was man halt so denkt bei verschiedenen Situationen im Alltag. Mülleimer bin ich nicht mehr, weil ich keine problembeladenen Damen mehr um mich habe. Meine Gesellschafterinnen sind nur noch krank und hinfällig und vollauf damit beschäftigt, sich über weniger kranke Simulantinnen auszulassen. Oder man spricht über schöne und sehr gut besuchte Beerdigungen oder scheußliche Krankenhausaufenthalte. Also ich kann sagen, im Alter relativiert sich alles und nichts ist mehr schlimm, außer der Überlegung, warum ist dieser blöde Aufzug mir wirklich jetzt gerade vor der Nase weggefahren.

  3. Mare, Du hast so recht und sehr klug geantwortet, ihr jungen Frauen seid ja wesentlich offener als meine Generation das in Eurem Alter war. Bei uns hat man es bevorzugt, das eigene Leben als rosig, erfüllt und ausgeglichen darzustellen, halt so, dass Neid entstehen musste. Ich habe vor einem Vierteljahr mich von einer meiner drei Freundinnen getrennt, weil sie nach meiner Empfindung eine Grenze der zumutbaren Aussagen überschritten hat. Das war mir zu familiär und – ich habe kein richtiges Wort dafür – zu privat, das hat mich sehr getroffen und ich erwarte von einer Freundin, dass auch sie Grenzen einhält. Und mich nicht wie einen lästigen Vertreter abfertigt.

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