Das Kissenmenü

Für all Diejenigen, die es noch nicht wissen: möchte man es drauf anlegen, mich richtig und nachhaltig zu verärgern, genügt es, mir ein hartes, hohes Kissen – am besten gleich zwei – zu geben. Soll ich auf einem solchen Hochhaus schlafen, ziehe ich es vor, mir einen Schal oder ein Handtuch unter mein Haupt zu schieben. Und bin verärgert. In den meisten Hotels bleibt mir auch nichts anderes übrig als verärgert meinen besten Kaschmirschal zu verrammeln (auf die Idee, mit Kopfkissen zu verreisen, wie es wohl einige Menschen tun, bin ich noch nicht gekommen, muss ich zugeben, ist aber wirklich eine Überlegung, jetzt, wo ich so drüber schreibe…..), nicht so heute. Während einer anderen Hotelroutine, nämlich dem Verstauen sämtlicher Menüs, Hotelinformationen, Bibeln, und Aufsteller, die meiner Meinung nach überhaupt gar nichts an einem Ort zu suchen haben, an dem man sich „wie zuhause“ fühlen soll, habe ich interessehalber einen Blick auf den Plexiglasaufsteller auf meinem Nachtisch geworfen. Denn ganz ehrlich: was soll da drauf stehen? Im Bad ok, da erfährt man, dass zwar gerne alle zwei Stunden die Handtücher gewechselt werden, man von Hotelseite aber doch auch bitte gerne seinen Beitrag zum Umweltschutz leisten würde. Das ist verständlich und vertraut, was aber kann neben dem Bett an Information (von Hotelseite) stehen?

Dort steht, dass man liebend gerne auf die Wünsche der geschätzten Gäste eingehen möchte und die unterschiedlichsten Bettwaren bereit hält. Also habe ich meinen Mann gebeten, mir doch bitte ein weiches, knautschbares Kuschelkissen, unter dem ich nicht ersticke und das ich mir in den Nacken bollen kann, zu bestellen. Er mag es nicht gerne, wenn man etwas anders möchte, als es vorgesehen ist. Außer bei Wohnungen und Ampeln. Da liebt er es geradezu, Wände und Farben bestenfalls als erste Vorschläge zu betrachten und sie ganz nach eigenem Gusto zu interpretieren. Nach ein paar kleinen Wiederholungen hat er dann dennoch bei der Rezeption angerufen (er spricht einfach so viel besser Italienisch als ich) und hat nach einem anderen Kissen gefragt. Und dann war er baff. Er wurde nämlich gefragt, welche Art von Kissen aus dem „menu dei cuscini“ er denn wohl gerne hätte. Sprachlos war er. Ich konnte ihm das Menu sehr triumphierend reichen und auf das weiche Daunenkissen deuten. Ich finde nämlich, wenn man schon so einen Service anbietet, dann freut man sich doch auch, wenn er genutzt wird. Das ist doch, wie wenn ich mordsviele Gerichte auf ein Buffet stelle und die Gäste dann ein Butterbrot essen. Viel netter ist es, wenn sie fragen, ob noch was von dem Kichererbsenauflauf da ist.

Nun liege ich also auf einem daunenweichen Kissen, freue mich, dass ich kein bisschen allergisch mehr bin und arbeite immer noch die Pasta vom Mittag ab. Zwischendurch höre ich drohendes Hupen von der Hauptstraße, auf der sich andauernd tankergroße Reisebusse aneinander vorbeiquetschen, Motorini sich todesmutig an ihnen und vor allem auch zwischen ihnen entlang fädeln und überlege, ob ich heute tatsächlich nochmal aufstehe. Die Daunen halten mich förmlich gefangen, der Ab- und vor allem der Wiederaufstieg hier in Positano ist steil und ich bin schrecklich müde. Es wäre doch zu schade, würde ich mein Wunschkissen nicht erst mal ausgiebig testen oder? Es wäre geradezu unhöflich…..tssssss.

Bericht aus der Hauptstadt

Gerade in Bayern wird ja sehr gerne über unsere teure halbfertige Hauptstadt geschimpft, gelächelt, gelästert. Völlig zu Recht übrigens. Es ist geradezu lachhaft, was hier an Geld versenkt wird. Kaum sagt einer mit dem Wort „Kultur“ im Titel, es wäre doch ganz supi, wenn die Museen auf der Museumsinsel unterirdisch verbunden wären und Besucher sich somit die Highlights in einem Aufwasch anschauen könnten, so bekommt er es. Flughäfen, Bahnhöfe, bei denen der Taxistand quasi nicht vorhanden ist, ein ganzes Schloss wird wiederaufgebaut, alles ist möglich. Die Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten. Ähnlich den berühmt-berüchtigten Kindern vom Prenzlauer Berg, denen offenbar nichts verwehrt wird, immer in der Hoffnung, dass sie sich dafür prächtig entwickeln. Berlin hat natürlich auch ganz wunderbare Ecken und mit ein bisschen Geduld hätte es sich vielleicht auch von alleine prächtig entwickelt. Mit so vielen Retortenbauten, die sich als Rechtfertigung für wahnsinnige Kosten „Kultur und Kunst“ auf die Fahne geschrieben haben, wird das eher schwieriger als einfacher. Finde ich zumindest.

Dafür waren wir einem wirklich goldigen Hotel und konnten Zeuge der erfrischendesten Jugendkultur überhaupt werden. In einem ehemals grässlichen Durchschnittshotel wurde von einer Hotelkette ein hippes Hotel eröffnet mit DEM Frühstückscafé der Stadt. Rund um die Uhr ist das Mümmeln von unfassbaren Mengen an Eiern und Toast und Pancakes hier möglich. Mindestens zehn Nationalitäten arbeiten in Restaurant und Hotel, alle sehr, sehr freundlich, hilfsbereit und kompetent. Was kostet die Welt? ist nicht mal die richtige Beschreibung für die vorherrschende Einstellung. Es ist eher die Gewissheit, dass Vieles möglich ist, einem Vieles zusteht und mit Freundlichkeit alles leichter geht. Die Butter vom Brot lassen sie sich allerdings auch nicht nehmen. Diese Überzeugung spricht für mich als Kleinstadtkind auch aus vielen Geschäften, die mit unendlichem Optimismus eröffnet werden. Man kann förmlich erahnen, wie fröhliche junge Menschen bei irgendso einem veganen Getränk zusammen sitzen und sich ausdenken, dass ein Geschäft, in dem es nur Wasser zu kaufen gibt, doch wunderbar ankommen müsste und die Marktlücke schlechthin schließt?!

Oder eines mit dem bezeichnenden Namen „Brust 24“, das Brustvergrößerungen für 24 Stunden anbietet. Nun muss man kein Poet sein, um da ins Grübeln zu kommen? Wofür braucht man das? Für ein ganz spezielles Date? Für das Vorsprechen für Pornofilme? Für eine Gala? Um es nur einmal zu sehen? Alles ganz erstaunlich. Bei einem Bummel mit einer Bekannten, die seit vielen Jahren in Berlin lebt, konnte ich dann auch noch erleben, wie das Miteinander so ist. Ganz verständnisvoll, einfühlsam, nett. Jeder glaubt hier an seine Einzigartigkeit und die Brillanz seiner Ideen. Schön ist das. Solange es bezahlt wird. Und dass dieses Klima durchaus auch fruchtbar ist, zeigen die supercoolen Startups, die in Berlin und kaum woanders aus dem Boden sprießen. Erfolg braucht Kreativität. Und ein Ambiente, in dem Querdenken und Rumspinnen zum Alltag gehört. Von der Größe und der Vielfalt finde ich, dass Berlin Paris ähnelt. Nur in etwas netter und ja – kreativer und nicht so hart. Kein Wunder, dass die jungen gequälten Pariser so gerne hierher kommen. Und für uns aus der Provinz ist es auch schön, mal zu sehen, wo unsere Steuergelder hingehen (Entschuldigung, das ist ein Gemeinplatz, den ich auch mal verwenden wollte!!!).

Liftgespräche und Schussfahren

Wir sind beim Skifahren. Wahnsinnig toll. Wie zwei Pferde, die zu lange im Stall waren, rasen wir – man möchte sagen: hirnlos, aber dafür sind wir zu vorsichtig und zu betagt, um die Folgen außer Acht zu lassen – seit zwei Tagen die Berge rauf und runter. Keiner möchte gerne mit uns fahren, die einzigen, die das gerne würden, müssen arbeiten, weil wir schrecklich außer Rand und Band sind. Gerade am Morgen, wenn noch wenige Leute unterwegs sind, gibt es ein, zwei Pisten, die dauern kaum eine Minute zum Abfahren und ca. vier Minuten Lift. Und eben auf dieser Piste hatten wir einen Parallellauf mit zwei anderen Skifahrern, zwei Männern, einer Oberbayer und Gschaftlhuber, der andere Düsseldorfer und sichtlich bemüht, so cool zu sein wie sein bayerischer Freund mit der weißen Porschebrille. Ich muss zugeben, ich hab extra Gas gegeben, um auch ja nichts von den Gesprächen im Lift zu versäumen. Es gab durchaus einen Einblick in die männliche Psyche, die ja oft verkannt wird, offenbar aber nicht immer soooo tiefgründig ist, um irgendwas zu verkennen.

Die Angelika auf der Maierlalm wäre ja also jetzt verliebt in ihn und würde sich Hoffnungen machen, da müsse man schon aufpassen. Warum? Na, ganz klar. Im Sommer arbeite sie auf Ibiza und vermiete dort Häuser und der Düsseldorfer (das Boatscherl) suche ein solches. Da hat er ihr seine Visitenkarte gegeben. Ist doch klar, dass sie sich jetzt Hoffnungen macht, törichtes kleines Ding, das sie nun mal ist. Und weil die Kerstin, des Düsseldorfers Gattin, eh eher ungern die Hänge rauf- und runtersaust und er das auch gar nicht so schlimm findet, müsse er doch gleich zwei Mal aufpassen. So sein weltmännischer bayerischer Freund. Dass man für zwei Kinder im Tagesskikurs, wo sie nur Schlepper fahren und zu zwanzigst rumrutschen 35 Euro pro Kind zahlt, weiß ich jetzt auch. Leider haben wir sie wegen einem kurzen Gerangel beim Einsteigen verloren und dann haben sie wohl auch die Lust verloren und eine andere Piste gewählt. Doof, hätte gerne noch mehr gelernt.

Gleich auf den nächsten Fahrten wurden wir dafür in die Denkstrukturen unserer jungen Hoffnungsträger, der berufstätigen Checker in Großstädten eingeweiht. Ja, man könne jetzt langsam wieder mit dem Rad zur Arbeit fahren, aber es wäre weitaus chilliger, von Zuhause aus zu arbeiten und dann einfach an der Isar entlang zu radeln, da der Weg durch die Stadt doch die volle Chemiedröhnung sei. Außerdem wäre die Kundenstruktur sowieso so unglaublich global, dass es wenig Sinn mache, sie vom Büro aus zu betreuen. Wir spitzten neugierig die Ohren, welch wahnsinnig aufregende Tätigkeit sich dahinter verberge, wurden dann aber jäh enttäuscht, als es hieß, manche könne man auch von den Eltern aus in Stuttgart betreuen, da ginge dann ein Regionalzug hin. Was soll man sagen? Sind das die Abenteuer der heutigen Jugend? Reutlingen, Biberach und co? Ganz so trist ist es aber doch nicht, denn bei einer unserer letzten Liftfahrten – wir waren am Nachmittag etwas entnervt von all den wahnsinnig schlechten Skifahrern, noch schlimmer aber von den hirnlosen Schussfahrern – durften wir lernen, was junge Menschen antreibt: drei verschiedene Apps auf dem Handy und der GoPro, die die Distanz messen und vor allem die Geschwindigkeit. Und damit sind wir für die nächsten Tage bestens gewappnet. Es geht nämlich nur um die Geschwindigkeit und die Anzahl der gefahrenen Kilometer. Alles andere ist nebensächlich. Vermutlich geht es auch beim Radeln nicht darum, an ein Ziel zu kommen, sondern nur möglichst viel zu radeln oder einen neuen Höhenmeterrekord oder so aufzustellen. Und wenn das alles so ist, um was geht es denn eigentlich in diesen jungen Leben, die alles filmen, messen und vergleichen?

An Schönheit gewöhnt

Am Wochenende waren wir in einer herrlichen Bergregion, einem wahren Traumland, in dem Wein und Äpfel sprießen, Sportler ungestört an ihrer Karriere basteln können und jeder jeden kennt. Geht man dort zum Semmeln holen, kann es durchaus sein, dass man erst Stunden später zurück nach Hause kommt, weil es immer einen gibt, mit dem man ratschen kann. Über den Handballverein, die Immobilienpreise, dass dieses oder jenes Paar ein Kind erwartet, sich getrennt hat oder was sonst eben noch alles im menschlichen Leben geschieht. Das Klima ist gemäßigt, scheint die Sonne, dann strahlt sie vom Himmel, schneit es, wird der kleine Ort in eine Märchenlandschaft verwandelt, von überall her strömen die Menschen sehnsuchtsvoll, um sich von einem Wochenende dort Ruhe und Entspannung für die nächsten Arbeitswochen mitzunehmen. Und offenbar nehmen sie sie den armen Einheimischen weg. Welch ein Skandal.

Denn wie so oft sehen die meisten Menschen, die dort leben, die Schönheit und Idylle längst nicht mehr. Das kommt so vor, wie bei dem Sprichwort von der schönen Ehefrau: nach ein paar Wochen hat man sich daran gewöhnt und ärgert sich über genau dieselben Dinge, wie bei einer nicht so schönen. Undankbar eigentlich, oder? Aber eben auch menschlich. Das ist wohl eine Überlebensstrategie des Menschen: sich an Dinge zu gewöhnen, sie nicht mehr zu sehen, nicht mehr zu riechen, nicht mehr zu spüren. Das kann gut oder schlecht sein. Bei Schonhaltungen zum Beispiel hat sich der Körper so sehr an den Schmerz gewöhnt, dass er dann halt krumm und schief geht, anstatt die Ursache anzugehen. Und dann gibt es ja auch Menschen, die ziehen gerne dieselbe Kleidung ein paar Mal an und finden nicht, dass sie riecht oder sie waschen Sofadecken nicht. Oder Kissen. Oder Tischsets. Ich werde da fast wahnsinnig, weil ich nicht finde, dass Gebrauchsgegenstände einen Eigengeruch entwickeln müssen. Nicht dürfen. Und nein, ich sehe darin keine Zwanghaftigkeit meinerseits und auch keinen Waschzwang, sondern die praktikable Nutzung moderner Technik. Wie einer Waschmaschine. Ich hatte in letzter Zeit einfach zu viele Zusammenkünfte mit riechenden Menschen, ich muss es verarbeiten, ihr müsst da durch, tut mir leid.

Aber nun bin ich tatsächlich abgeschweift, was mir ja sonst nie passiert…..In dieser wunderhübschen Gebirgsregion suchen sich die Menschen, weil Glück und Unglück offenbar überall auf der Welt ein Nullsummenspiel sein müssen, eben Unglücksherde, die andernorts belächelt würden. Das ist an sich völlig normal. Lebt man im Krieg, wünscht man sich nur Frieden. Lebt man im Frieden, wünscht man sich einen flacheren Bauch, ein schnelleres Auto, eine größere Wohnung, etc. Vieles davon hat mit meiner geliebten Maslowschen Bedürfnispyramide zu tun. Aber ganz ehrlich: wenn es nach der ginge, müssten und könnten sich die Menschen dieser harmonischen Gebirgsregion durchaus mit der Selbstfindung und mit ein wenig Altruismus befassen, anstatt über ihr hartes Leben bei denen, die weggegangen sind, zu jammern. Und vielleicht macht soviel harmonisches Einerlei einfach auch matschig im Kopf und lässt die Synapsen ermatten. Kann auch gut sein. Wer sich nie anstrengen muss, wird sicherlich kein besserer Mensch dadurch. Glück entsteht auch durch bewältigte Herausforderungen.

Impact Investing

Das Gehirn hat eine vorherrschende Arbeitsweise: Es versucht neue Anforderungen und Aufgaben so schnell wie möglich als Routinen und Standardprozesse zu definieren, weil alles, was standardisiert ist, weniger Energie kostet und somit Ressourcen geschont werden. Was dann allerdings mit all den geschonten Ressourcen geschieht, nutzt man sie nicht für irgendetwas anderes und studiert zum Beispiel in seiner Freizeit Philosophie oder trainiert zumindest mit fünf Orangenn das Jonglieren, wissen wir leider auch ganz genau. Die solchermaßen geschonten und nicht genutzten Ressourcen verkümmern, schauen sich noch einmal traurig um und ziehen dann leise die Türe hinter sich zu, um erst mal zu verschwinden. Bestes Beispiel sind unsere Muskeln. Wer schon einmal etwas gebrochen hatte, weiß, dass sich die Muskeln innerhalb weniger Tage zurückbilden. Zumindest können sie relativ schnell wieder aufgebaut werden. Bei vielen Teilen des Gehirns geht das zum Glück auch, wie ich jüngst erfahren durfte. Denn mein Hirn hatte in der letzten Woche wahrlich viel Möglichkeit, die Muskeln spielen zu lassen. Ich habe es sozusagen vertikal und horizontal gefordert.

Vertikal durch das Zusammentreffen mit Menschen aus völlig anderen Lebensbereichen. Die von ganz anderen Dingen umgetrieben oder eben auch nicht werden als ich. Die auf gänzlich anderes Wert legen und das, was ich ziemlich wichtig finde, total ignorieren. Die für eine dreitägige Reise genau ein Polohemd, ein Sweatshirt und eine Hose mitnehmen und das natürlich dann auch beim Wandern, beim Abendessen und in der Stadt tragen. Ich hätte schon Angst, dass mir das Frühstücksbrot mit der falschen Seite runter fällt (übrigens ist das nicht persönliches Pech, wenn das passiert, sondern reine Physik, weil die Seite mit der Butter und der Marmelade die schwerere ist, hab mich da mal informiert, weil es über Kassenschlangen, die immer bei mir am längsten sind, nichts Brauchbares gab). Die sich dafür stundenlang über Hamburger Ortsteile auslassen können. Oder wiederum Menschen wie ich sie im letzten Beitrag beschrieben habe. Die einfach aussteigen und dann aber im Aussteigen genauso weiterleben wie daheim und ihre Partner eben dann mit dem Material vor Ort betrügen, also gänzlich ortsungebunden. Aus sich selbst steigt man eben doch nicht ganz aus. Um es kurz zu machen: Menschen, deren Leben man nicht kennt und die allein schon dadurch neue Aspekte ins Gehirn bringen.

Gestern wiederum war ich beim Abendessen mit einem zauberhaften – nun erwachsenen – Mädchen, die mich schon vor zehn Jahren sehr beeindruckt hat, weil sie bereits damals recht klar wusste, was sie einmal tun möchte und ziemlich genau das heute auch tut. Und das nennt sich „Impact Investing“. Dabei geht es darum, Geld in Einrichtungen oder Unternehmen zu stecken, die nicht nur einen finanziellen Output bringen, sondern auch einen sozialen oder ökologischen. Unternehmen, die sich vereinfacht gesagt, um die Verbesserung der Welt kümmern. Wie auch immer die aussehen soll. Das sind erst mal ganz wunderbare Ideen und ich glaube, dass es diese zu jeder Zeit der Weltgeschichte schon gab. Das Mittelalter hat vermutlich neben vielen grausamen auch prozentual gesehen mindestens genauso viele geniale Philantrophen hervorgebracht wie unsere heutige Zeit. Leider krankte die Idee damals wie heute immer schon am Phänomen der Maslowschen Bedürfnispyramide und der Tatsache, dass 99% aller Menschen sich noch mit der ersten oder zweiten Ebene derselben herumschlagen und es ihnen relativ wurscht ist, ob die Pole schmelzen, Tiere leiden oder Wasser knapp wird. Sie wollen eine trockene Wohnung, jeden Tag Fleisch essen und einen Flachbildfernseher. Schöner ist es allerdings – unabhängig davon, ob man all das hat -, sich mit den beflügelnden Persepktiven des Machbaren zu befassen und damit vielleicht sogar selbst den Weg zu einem höher entwickelten Dasein zu beschreiten. Hinauf sozusagen. Dabei hilft satt sein. Zu satt allerdins nicht. Das hemmt dann eher.

Aussteigen

Wir waren über’s Wochenende in Okzitanien. Das ist in den französischen Pyrenäen. Und dort in einem ganz reizenden kleinen Weingut, das natürlich, weil es bei den Franzosen ist, gleich ein Chateau ist. Das wird von einem sehr korrekten und freundlichen Ehepaar geführt, nachdem es vorher auch von ihnen renoviert worden ist. Sie betreiben es als Chambre d’Hote und wie wir seit der Ankunft wissen, ist das dann kein Hotel, sondern bedeutet lediglich Gastzimmer. Sehr, sehr hübsche Gastzimmer. Und wenn man sich von Anfang an nett und ordentlich benimmt, darf man auch am Abend in der großen ehemaligen Gesindeküche das essen, was Madame Veronique mit Liebe und vor allem Kunstfertigkeit gekocht hat. Dazu brennt ein loderndes Feuer im Kamin, der über eine Größe verfügt, dass Kühe ohne sich zu bücken prima reinpassen und sich zwei der nachts um Haus mäandernden Wildschweine fast schon darin verlören. Auf die Wildschweine passt übrigens des nächtens Karli auf, ein ziemlich großer Rottweiler mit einer sensiblen Gemütslage. In der ersten Nacht musste er seinen Verteidigungsaufgaben so nachdrücklich nachkommen, dass er die nächsten zwei Tage – sogar für uns, die wir ihn erst einen Tag lang kannten – völlig verändert, ja fast schon depressiv war. Ich fürchte, wir haben uns mehr Sorgen gemacht als die Besitzer…..

Das Ehepaar Xavier und Veronique sind neben ihren exzellenten Gastgeberqualitäten ein wunderbares Beispiel für erfüllte Lebensträume. Bestimmt haben sie sich während der Kinderaufzucht (sie sind so alt wie wir), in den Jahren der durchwachten Nächte und den hohen Wellen der Pubertät immer wieder ausgemalt, wie herrlich es werden wird, wenn sie erst mal alles hinter sich ließen und sich ein kleines Weingut kauften, es renovierten und dann darin glücklich für immer darin lebten. Das ist ihnen – wie wir Franzosen sagen würden – formidable gelungen. Die Gegend eignet sich sowieso ganz einzigartig gut dafür, sich Lebensträume zu erfüllen. Sie ist nicht superbekannt, landschaftlich einmalig schön, wild, sanft und klimatisch ausgewogen. Es gibt tolle Farben und großartigen Wein, mehr Wildschweine als man essen kann – was könnte ein Herz mehr begehren? Hinzu kommt, dass es sich um einen eher sehr armen Teil Frankreichs handelt und Häuser im Traumbereich und Budget von ganz normalen Leuten liegen. Und so findet man – zumindest vermögensmäßig – ziemlich normale Ausländer hier. Keiner muss in Saint Paul Angst haben, von einem Ferrari beim Croissant holen überfahren zu werden oder dass einem nachts ein randalierender Russe in den Pool kippt und dann auch noch verklagt. Solche Nöte kennt Okzitanien nicht. Weder gibt es Pools noch Oligarchen.

Dafür finden Menschen wie ich, die ihr Leben lang gelesen haben und dabei natürlich auch über die ein oder andere Beschreibung schrulliger Aussteiger gestolpert sind, ebendiese in einer Reinkultur, die normalerweise zu Misstrauen anregt. Von der betagten Französin, die einen dunklen Wuschelkopf und eine runde schwarze Brille trägt, dazu raucht und wie ein Bierkutscher fluchen kann über ein Schweizer Ehepaar, das zwar eines der teuersten Anwesen in der Umgebung gekauft hat, dies aber vermutlich nur kann, weil sie aus Überzeugung von dem leben, was sie auf den Äckern finden und sich – vermutlich ebenfalls aus Überzeugung und dem Augenschein nach – noch niemals die Haare geschnitten oder gewaschen hat, bis hin zum schrulligen englischen Ehepaar, das in keinem englischen Roman besser beschrieben werden könnte (sie mollig und aufgekratzt, er in Kordhosen und etwas trottelig-verträumt), werden alle Klischees bedient. An sich würde nur noch ich fehlen, die mit all ihrem Vorwissen, um nicht zu sagen Vorurteilen, dort für einen Sommer in ein verträumtes Häuschen zieht, alles richtig durchmischelt und dann darüber schreibt. Bin nicht sicher, ob ich hören möchte, wie sie mich dann beschreiben würden.

Ach, wie die Zeit verfliegt

Kaum lehne ich mich entspannt zurück, weil ich meinen Bloggerfreuden nachgekommen bin, ist schon wieder eine gehörige, fast unzumutbar lange Zeit verstrichen und ich bin schlimm im Verzug. Ich hatte heute einen Termin und habe zufällig auf ein Formular geschaut und festgestellt, dass ich tatsächlich am 13.7. das erste Mal dort war und dass es an diesem Tag irre heiß war. Überhaupt war es doch noch vor zwei Wochen irre heiß? Wie konnte es so schnell dazu kommen, dass ich heute panisch in den Keller gerast bin, um meine dicke Daunenjacke hochzuholen und auch noch sofort anzuziehen? Und ich möchte betonen, dass mir keine einzige Sekunde davon zu heiß war. Unglaublich, wie schnell das gerade alles geht. Braun bin ich auch schon nicht mehr. Dafür gibt es längst braune Lebkuchen. Ich weiß, finden alle doof.

Aber morgen fliege ich nach Spanien und da dürfen Leser und ich gespannt sein, was uns da alles bevorsteht. Auf meinem letzten Flug geschah nämlich zum Beispiel das Unfassbare, nein eigentlich gleich zwei nahezu unfassbare Dinge:
1. Ich, der Oberplaner habe mich durch parallele Buchungen und mein sparsames Gemüt davon ablenken lassen, das Ausgabegepäck sofort zu buchen, was man ja neuerdings tun muss, was dazu führt, dass alle ihre schrankkoffergroßen Koffer mit an Bord nehmen und ich mich regelmäßig über mein spießiges kleines Pilotenköfferchen ärgere…aber dazu gleich.
2. Die Maße des Handgepäcks wurden kontrolliert. Und das war so: die beiden Damen in Fiumicino beim Boarden hatten Zeit und Muse und auch den erforderlichen Biss und Grimm, sich die ausladenden Trolleys der Reisendenden in den ordentlich durch diese Aufsteller mit ausziehbaren Stoffstreifen sortierten Passagiere mal genauer anzusehen und unter die Lupe zu nehmen. Wie Wölfe auf der Suche nach einem angeschlagenen Hirsch sind sie durch die Reihen gepflügt und ich, die normalerweise schon in vorauseilende Schockstarre gehe, wenn ich an einem Polizeiauto vorbeifahre, konnte ganz entspannt sein. Meine Strafgebühr für nicht angemeldetes Ausgabegepäck hatte ich ja schon bezahlt, der Rest steckte in nämlichem kleinen Köfferchen und eine bleischwere Handtasche darf mir bei der Fluggesellschaft keiner verwehren. Konnte ich also entspannt zusehen, wie Passagier um Passagier nach vorne zitiert wurde, und seinen Moppel in den dafür vorgesehenen Aufsteller pressen musste. Bei manchen ging es nur, weil sie sich mit vollem Körpereinsatz drauf geworfen haben oder ganze Teile des Koffers in die Handtasche gesteckt haben.

Es gab ein paar, die sich sehr aufgeregt haben, aber ich muss zugeben, dass ich es ab und zu ganz schön finde, wenn ich nicht immer die Einzige bin, die sich an Regeln hält. Ich würde mich zum Beispiel auch mal freuen, wenn es Leuchtpfeile auf Mitpassagiere gäbe, die während Start und Landung telefonieren und sagen „wir starten gerade“ oder Dinge ähnlicher Relevanz von sich geben. Da kommt die Einserschülerin in mir hoch, die meist davon überzeugt ist, dass Regeln das Miteinander eher erleichtern und nur im Ausnahmefall gebrochen werden sollten, weil sonst alles im Chaos versinkt und sie auch was mit Respekt vor anderen zu tun haben. Aber, und das ist mir natürlich vollkommen klar, das ist hasenfüßig und kleinbürgerlich. Andererseits lautet der Anspruch an einen Gentleman zum Beispiel, seinen Mitmenschen das Zusammensein mit ihm besonders einfach und angenehm zu machen. Aber ach, sie sterben ja aus.

Notizen

Dass das Leben in und zwischen drei Wohnorten nicht nur aus Café au Lait, Cappuccino und Kaffeetrinken besteht, sondern auch zu einem Gutteil aus Organisieren und logistischer Planung, ist vermutlich jedem klar. Manchmal gleicht es eher einem Transportunternehmen, das internationale Güter hin- und herfährt. Nun habe ich Artikel des täglichen Bedarfs natürlich an allen Standorten und fahre nur Lieblingssachen hin und her. Seit die Airlines sich sogar den Transport von Gepäck bezahlen lassen und die Flughäfen trotz aller Bemühungen kaum in der Lage sind, die Herausgabezeit des Ausgabegepäcks unter der Flugzeit zu halten, wäre es auch kaum möglich, Schuhe, Jeans und weiße T-Shirts mitzunehmen. Und Kaschmirpullis kann man ja eh nicht genug haben, oder? Auch bieten verschiedene Standorte die klimatische Möglichkeit, diverse Schwerpunkte zu setzen. Durchaus gibt es Kleidungsstücke, für die Augsburg noch nicht reif ist oder ich mich zu Tode frieren würde. Aber wusch, gleiten wir schon wieder in die pseudoglamourösen Aspekte ab. Derweil wollte ich doch über was ganz anderes schreiben.

Über Briefe an einen selbst. Abenteurer und Vielreisende aus früheren Zeiten machten es vor. Sensible Geister sowieso. Zu Zeiten von Briefen und Postkarten schrieben sie sich selbst. Je nach Land waren sie weit vor den eigenen Zeilen wieder zu hause, aber wie groß war die Freude, zwischen ärgerlichen Rechnungen und immergleichen Werbesendungen die eigene Schrift zu erkennen und sich selbst an die schöne Urlaubszeit zu erinnern. Wieder andere hinterlegen gleich ganze Prophezeiungen über innenfamiliäre Entwicklungen beim Notar. Oder sie schreiben sich profane Notizen. Menschen wie ich, die Listen aller Art lieben und an Tagen mit hohem Frustpotenzial am liebsten noch „Atmen“ drauf schreiben würden, nur damit es abgestrichen werden kann, lieben es natürlich, Zettel zu schreiben, was am nächsten Standort beispielsweise zu kaufen ist: Gesichtscreme, Finishsalz oder besonderen Pfeffer zum Beispiel. Müllbeutel und Geschirrreinigertabs, die es in der Heimat besser und günstiger gibt, für den anderen. Und weil einen das Hirn trotz aller bester Vorsätze über die Wochen im Stich lässt, macht es Sinn, sich nicht nur zu schreiben, was man noch tun muss, sondern auch wie der Status-Quo ist.

So vergesse ich immer wieder, wann ich das Bett in Rom das zuletzt überzogen habe. Ich nehme mir vor, einen Rhythmus zu halten, aber wer weiß, wann man fliegt, wer kann sich erinnern, wie oft darin geschlafen? Warum wir auf der Welt sind? Und so weiter und so weiter. Seit ich mir diese netten kleinen Zettel schreibe und selbst die wieder vergesse, freue ich mich wie ein Eichhörnchen, wenn es unversehens im hintersten Winkel eines Astlochs einen Vorrat köstlicher Haselnüsse findet. Noch mehr freue ich mich, wenn da steht: Einmal geschlafen. Dann ist es zwar nicht mehr superfrisch, aber erspart mir, gleich nach der Ankunft zentnerschwere Matratzen zu beziehen. Auch bei der saisonalen Wiederinbetriebnahme von Ski- oder Badesachen kann ich mich fürchterlich freuen, wenn ich auf einen Zettel stoße, der mich daran erinnert, die Badetasche zum Schuster zu bringen oder dass die Ski frisch gewachst waren. Man sollte generell viel mehr mit sich selbst kommunizieren. Man ist ja nie derselbe Mensch und so bleibt es auch immer spannend. Echt.

Schwerstarbeit

Nach einer recht aufregenden Fahrt zum Flughafen mit meinem obercoolen Vater, der meine Schimpftiraden auf überholende rumänische 200-Tonner mit stoischer Ruhe angehört hat, sitze ich nun mit relativ viel Muse am Flughafen, benehme mich leidlich gut, wenn ich dran denke, was ich in letzter Zeit über zufällige Begegnungen auf Reisen geschrieben habe, versuche, meinen Mundwinkeln immer ein zartes Lächeln zu verleihen, denke dabei an die Schwerstarbeit, die die arme Prinzessin Kate da immer zu leisten hat und lasse meine Blicke schweifen. Was mir auffällt, ist nichts Neues, aber es wird deshalb nicht besser. Die Hälfte der Passagiere ist schwer übergewichtig. Sie trägt bequeme Hosen in Strech und bequeme Shirts, die manchmal sogar den Kampf auf der Hälfte des Bauches aufgeben müssen und erstaunliche Körperfülle desselben freilegen.

Früher – und auch heute – sprach man gerne von Wohlstandsbäuchen, aber ich glaube, das trifft nicht mehr zu. Es gehört in unserer Welt inzwischen so viel Wissen und Disziplin dazu, nicht dick zu werden, dass sich die Verhältnisse schlichtweg gedreht haben. Früher war mager, wer arm oder normal war. Der Fabrikant hatte typischerweise einen dicken Bauch und nach dem zweiten Weltkrieg hat man stolz und erleichtert gezeigt, dass es einem wieder besser geht und ein Brot nicht mehr für die ganze Woche und die ganze Familie reichen muss. Jeden Tag Fleisch war ein Luxus für wenige und denen sah man es auch an.

Heute sind Nahrungsmittel meist das Billigste in einer großen, ungesunden Mogelpackung. Und ja, es ist die Verpackung, die kostet. Die Werbung für die verpackten Nahrungsmittel und der ganze Verpackungs- und Vermarktungsprozess, inklusive Transport. Und da schlägt dann ganz erbarmungslos die Grenzkostenrechnung zu. Die Verpackung etwas größer zu machen ist wesentlich günstiger, als zum Beispiel einen weiteren kleineren Becher zu produzieren und wenn man gleichzeitig sagen kann: doppelter Inhalt für nur 20% mehr, dann ist das „a gmahde Wiesn“ für die Hersteller und ein Desaster für die (armen, dicken) Konsumenten mit Sparwillen, bzw. dem Wunsch, ihren Nutzen zu maximieren. Die meinen, sie haben gespart und fressen und saufen sich in ihr Schicksal hinein. Entschuldigung, aber man muss es bei den Mengeneinheiten, die da verkauft und konsumiert werden einfach so nennen. Und weil ein entscheidender Teil des Gehirns leider nur auf die kurzfristige Befriedigung seiner Bedürfnisse ausgelegt ist, führt es leider häufiger zur kurzfristigen Lustbefriedigung mit fatalen langfristigen Folgen als zur kurzfristigen Erzeugung von Frust und dafür zur langfristigen gesunden Lebensweise. Um das zu erkennen, muss man darum wissen und seine störrischen Gehirnwindungen zu ihrem Wohl knechten. Wirklich verlangen kann man das nicht von Verbrauchern, die durch Fernsehsendungen, die immerfort Menschen zeigen, die noch schlimmer dran sind als man selbst, sicher nicht. Und ich hab heute einen Mittelplatz. Menno.

Schon wieder

Ob man Dinge und Ereignisse herbeireden kann? Nicht immer, das ist klar, sonst hätte ich längst meine riesige Küche!!! Bei ein paar Treffen in letzter Zeit haben wir jedoch immer wieder drüber gesprochen, welch erstaunliche Zufälle es doch gibt und dass man sich tatsächlich immer und überall gleich gut kleiden und benehmen sollte, weil Bekannte allerorten lauern. Auf der Wiesn, das ist klar. Im Urlaub an entlegenen Orten, naja. Das mag vor 150 Jahren so gewesen sein, als nur verschrobene Engländer bestimmte Reisen unternommen haben und einander im tiefsten Busch hinter einem Bananenblatt höflich ein Tässchen Tee angeboten haben, wenn sie sich dort zufällig getroffen haben. Oder wenn sie in Florenz überwintert haben oder die Cote d’Azur wuschig gemacht haben mit ihren Forderungen nach pflaumenweichen Frühstückseiern und trockenen Martinis. Aber im Zug?

Ich bin gestern nach sehr langer Zeit wieder nach Paris gefahren und dachte mir schon beim Einsteigen über die Frau schräg hinter mir: meine Güte, ist die hübsch und was hat sie nur für geniale Schuhe???!!! Dann habe ich mich hingesetzt, eine grässliche, obergschaftlige, superhektische und wahnsinnig unsympathische Sitznachbarin bekommen und habe mich fürderhin kaum mehr getraut, auf die Toilette zu gehen, was angesichts meines großen Cappuccinos mehr als notwendig gewesen wäre. Aber nachdem sie schon beim ersten Mal schwer schnaufend Computer und Handy aufgestöpselt hat und mir signalisiert hat, dass ich wahrlich eine schlimme Nervensäge sei, hab ich mich ganz still verhalten. Sie hat Wichtigtuerei und Hektik aus jedem Wollbollen auf ihrem Polyester-Woll-Gemisch-Pullover (in Lila) ausgestrahlt und hat mich verängstigt. So habe ich mich also dem Redigieren eines Textes gewidmet, bis mir zwischen Straßburg und Paris so übel von der hirnlosen Raserei des Zugführers geworden ist, dass ich nur noch matt aus dem Fenster schauen konnte.

Dann stand die Frau hinter mir, die nebenbei bemerkt die hübscheste moosgrüne Wildlederhose trug, die ich je gesehen hatte auf und ging zur Toilette und ich war mir sicher, sie ist es. Aber ich habe mich wahrlich nicht mehr gewagt, was zu sagen. Nachrichten an eine gemeinsame Freundin sieben unbeantwortet und so konnte ich der garstigen Frau neben mir nicht mal richtig ausfallend werden, weil ich ja nicht wissen konnte, ob ich Zeugen habe (wie gesagt, ich hätte auch kaum den Mut aufgebraucht, sie war so furchtbar!!!). Und ja, in der Tat, ich würde mich manchmal liebend gerne sehr rüpelig benehmen. Und ab und an geschieht es auch. Hihi. Dann strecke ich sogar scheußlich plärrenden Kleinkindern die Zunge raus und lächle die Mütter an. Jetzt ist es raus. Andere nutzen ihre Blogs ja auch für Lebensbeichten. Das war jetzt meine. Aber natürlich ziehe ich auch aus dieser Begebenheit meine Lehre. Immer dem Wesen nach verhalten und daher immer am Wesen arbeiten. Dann ist alles gut.