Schon wieder

Ob man Dinge und Ereignisse herbeireden kann? Nicht immer, das ist klar, sonst hätte ich längst meine riesige Küche!!! Bei ein paar Treffen in letzter Zeit haben wir jedoch immer wieder drüber gesprochen, welch erstaunliche Zufälle es doch gibt und dass man sich tatsächlich immer und überall gleich gut kleiden und benehmen sollte, weil Bekannte allerorten lauern. Auf der Wiesn, das ist klar. Im Urlaub an entlegenen Orten, naja. Das mag vor 150 Jahren so gewesen sein, als nur verschrobene Engländer bestimmte Reisen unternommen haben und einander im tiefsten Busch hinter einem Bananenblatt höflich ein Tässchen Tee angeboten haben, wenn sie sich dort zufällig getroffen haben. Oder wenn sie in Florenz überwintert haben oder die Cote d’Azur wuschig gemacht haben mit ihren Forderungen nach pflaumenweichen Frühstückseiern und trockenen Martinis. Aber im Zug?

Ich bin gestern nach sehr langer Zeit wieder nach Paris gefahren und dachte mir schon beim Einsteigen über die Frau schräg hinter mir: meine Güte, ist die hübsch und was hat sie nur für geniale Schuhe???!!! Dann habe ich mich hingesetzt, eine grässliche, obergschaftlige, superhektische und wahnsinnig unsympathische Sitznachbarin bekommen und habe mich fürderhin kaum mehr getraut, auf die Toilette zu gehen, was angesichts meines großen Cappuccinos mehr als notwendig gewesen wäre. Aber nachdem sie schon beim ersten Mal schwer schnaufend Computer und Handy aufgestöpselt hat und mir signalisiert hat, dass ich wahrlich eine schlimme Nervensäge sei, hab ich mich ganz still verhalten. Sie hat Wichtigtuerei und Hektik aus jedem Wollbollen auf ihrem Polyester-Woll-Gemisch-Pullover (in Lila) ausgestrahlt und hat mich verängstigt. So habe ich mich also dem Redigieren eines Textes gewidmet, bis mir zwischen Straßburg und Paris so übel von der hirnlosen Raserei des Zugführers geworden ist, dass ich nur noch matt aus dem Fenster schauen konnte.

Dann stand die Frau hinter mir, die nebenbei bemerkt die hübscheste moosgrüne Wildlederhose trug, die ich je gesehen hatte auf und ging zur Toilette und ich war mir sicher, sie ist es. Aber ich habe mich wahrlich nicht mehr gewagt, was zu sagen. Nachrichten an eine gemeinsame Freundin sieben unbeantwortet und so konnte ich der garstigen Frau neben mir nicht mal richtig ausfallend werden, weil ich ja nicht wissen konnte, ob ich Zeugen habe (wie gesagt, ich hätte auch kaum den Mut aufgebraucht, sie war so furchtbar!!!). Und ja, in der Tat, ich würde mich manchmal liebend gerne sehr rüpelig benehmen. Und ab und an geschieht es auch. Hihi. Dann strecke ich sogar scheußlich plärrenden Kleinkindern die Zunge raus und lächle die Mütter an. Jetzt ist es raus. Andere nutzen ihre Blogs ja auch für Lebensbeichten. Das war jetzt meine. Aber natürlich ziehe ich auch aus dieser Begebenheit meine Lehre. Immer dem Wesen nach verhalten und daher immer am Wesen arbeiten. Dann ist alles gut.

7 Gedanken zu „Schon wieder“

  1. Ja, manchmal hat man Pech mit seinem Sitzpartner, das kennen wir ja alle. Ob in der Kirche, in der Schule, bei einem Lehrgang usw. Eine Zugfahrt mit so einer Nachbarin wäre für mich der Horror! Ich wirke ja auch wie die liebe Bloggerin sehr selbstbewusst (glaub ich), aber in solchen Situationen bin ich auch wie gelähmt, nur nicht die Aufmerksamkeit erwecken. Man hat auch nicht immer einen guten Tag, um solchen Widrigkeiten die Stirn zu bieten. Aber jetzt mal ganz ehrlich: warum dürfen uns gerade diese Menschen das Leben schwer machen? Was berechtigt sie, uns dermaßen einzuschüchtern und das noch in lila? Frechheit. Also an alle da draußen: wir lassen uns das nicht mehr gefallen, wir gehen auf die Toilette, wenn wir müssen, wir sagen, wenn uns was stinkt und wir strecken allen diesen Menschen die Zunge raus!

  2. Ich weiß auch nicht, woher diese Damen, die ja in Wirklichkeit gar keine sind, die Unverfrorenheit nehmen, uns so klein zu halten. Aber wie man fühlt, sie schaffen es. Das nächste Mal sollte die sehr verehrte Bloggerin sich vornehmen mindestens dreimal die Toilette aufzusuchen, ob sie muss oder nicht. Das muss dann egal sein, man kann ja auch die Lippen nachziehen. Kann man da auch was zum Trinken bestellen? Wenn ja, unbedingt und zwar häufig, ich würde auch ein Jäckchen aus und dann wieder anziehen, viel Platz ist ja sicher nicht, dann auch mal vorwurfsvoll meine Nachbarin anschauen, wann immer ich Lust hätte und dann schwer seufzen nach dem Motto: kann das denn wahr sein?!
    Auch würde ich mit großem Aufwand etwas in meiner Tasche suchen, evtl.. ein Tuch umlegen, mein Buch fallen lassen und eine riesige Tageszeitung aufgeschlagen lesen. Wenn das nicht hilft, komm ich mit! Das muss reichen.

    1. Ich werde künftig nur noch mit Euch reisen! Hoffentlich hab ich morgen auch wieder so einen Krawallnickl neben mir!!! Freu mich schon drauf. Vielleicht esse ich noch Kohl mit weißen Bohnen zum Frühstück.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert