Lieber nicht genauer hinsehen

Wenn man keinen genauen Plan oder nur wenig Orientierung hat, geht man unter Umständen Wege, Umwege, auf denen man vielleicht was Tolles findet, kommt aber auch an dunklen Ecken vorbei, die den weiteren Verlauf nachhaltig prägen können. Geht man den Weg dann Schritt für Schritt zurück, wird klar, wie eines zum Anderen kommen konnte. Auch in Bezug auf schlimme Taten und Vorfälle. Nein, eher Taten, Vorfälle geschehen, Taten werden getan. Wie ich drauf komme? Durch einen Bericht im SZ-Magazin über einen Mörder, der nicht gefunden wurde, aber mit seiner Tat nicht leben konnte und sich nach 15 Jahren gestellt hat. Der Bericht dröselt logisch auf, was da in seinem Leben passiert ist. Und wie so oft kann man es verstehen, kann dankbar sein, dass einem selbst das nicht passiert. Viele schlimme Dinge sind aus Versehen entstanden, Schubser, die tödlich enden, schnell das Handy aus dem Fußraum aufheben, einem Ball nachrennen.
Ich finde, man wird sehr demütig, wenn man von solchen Verquickungen hört. Kann man sich nur auf die Statistik verlassen? Arbeiten, nicht Trinken, keine Drogen nehmen, auf dem Land leben, Rosen züchten? Oder ist jeder von uns solchen Gefahren ausgesetzt? Dieser Mann, um den es in dem Bericht geht, ist wohl nicht das, was es zweifelsohne auch gibt: einfach böse. Er hatte ziemliches Pech. Und der, der durch seine Hand umgekommen ist, hat für dieses Pech und für sein Aufbrausen mit dem Leben bezahlt. Fürchterlich.
Aber oftmals sind Handlungsstränge und Lebensadern so verwirbelt und verdreht, bilden ein so festes Gefüge, dass sie nur im Chaos stabil sind. Man verlässt sich drauf, dass sie wie der italienisches Verkehr funktionieren. Die ganze Pariser Métro verlässt sich offenbar auch auf so ein Konstrukt und wer mal kurz vor einer Veranstaltung oder einer Präsentation hinter die Kulissen geblickt hat, möchte nie und nimmer glauben, dass das, was er da sieht, jemals zu einem geordneten Ganzen werden kann. Es ist wirklich ein Kreuz, wenn man Vieles verstehen und nachvollziehen kann und manchmal möchte man das gar nicht. Man möchte es einfach nur verurteilen, von sich und seiner eigenen Welt wegschieben. Dann darf man aber nicht näher hinsehen, sonst versteht man oder bekommt es mit der Angst.

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