Aggiudicato – der Fisch gehört mir!

Wenn ich nun schon Giulio vorgestellt habe, dürfen die weiteren Lokalmatadore des Trullo nicht fehlen. Also machen wir weiter mit dem Pescivendolo Ivano, dem Fischhändler meines Vertrauens, der auch noch unter dem Zeichen des Fisches geboren ist. Diese kleine Ironie des Schicksals nur nebenbei.

Wenn ich in Rom bin, gehe ich jeden Freitag, manchmal auch noch Dienstag oder Mittwoch zu ihm. Montag hat er zu, weil die Fischer am Sonntag nicht rausfahren.  Samstag geht er nicht zur Fischversteigerung, weil er dann eben zwei Tage zu hat. Ivano und mich verbindet eine lange Zeit mit vielen Höhen und Tiefen. Wie bei allen längeren Beziehungen liegt auch bei dieser der Anfang im Dunklen.

Als junge Ehefrau aus Süddeutschland, die maximal mal bei der Oma eine Forelle blau (nicht gerne) gegessen hat, war mir Fisch – vor allem im Ganzen – ein gruseliges Mysterium. Und als ich noch im Supermarkt gekauft habe, für dessen Besuch ich mir in den ersten Wochen in Rom fast schon Mut antrinken musste (hab ich natürlich nicht), bin ich mit abgewandtem Blick an der Fischtheke rechts vom Eingang vorbei gehastet. Als mich der Anblick all dieser toten Meeresbewohner nicht mehr in Angst und Schrecken versetzt hat, hab ich sie mir genauer angesehen. Meiner Meinung nach lagen dort sämtliche Fischarten dieser Welt und noch mehr: Muscheln, Gamberi, Gamberoni und Tintenfische. Mit Tollkühnheit und einem kulinarisch ermutigenden Ehemann ausgestattet, habe ich nach einiger Zeit meine ersten Orate gekauft und auch zubereitet.  Sehr schlecht können sie nicht gewesen sein, denn wir sind an der Thematik „Fisch“ dran geblieben.

Im Laufe der Jahre wurde ich dann mutiger, nicht nur bei der Zubereitung von Fisch, sondern auch beim Einkaufen. Ich traute mich langsam in die kleinen Geschäfte, wo man mit Verkäufern, meist sind es die Besitzer, sprechen muss, um etwas zu bekommen. Und man muss beileibe nicht nur über das sprechen, was man gerne hätte. Man muss sagen, wie man es zubereiten möchte, was man vom deutschen Fußball, der EU-Politik, dem allgemeinen Werteverfall, der Tragödie, dass keiner mehr Geld für Essen ausgeben möchte, dass die Jungen gar nicht mehr kochen können, dem Wetter und noch so vielem mehr halte, dass ein gerüttelt Maß an Sprachkenntnis erforderlich ist. Dies alles erfolgt in breitestem Dialekt und ich vermute, dass der Grund für meine relative Beliebtheit hier im Viertel unter anderem darin liegt, dass ich die Hälfte des Gesagten nicht verstehe und deshalb meistens auf die Gestik und Mimik achte und diese dann mit zustimmenden oder bedauernden Murmelungen verstärke. Da die meisten Kaufleute Männer sind, macht mich das zu einer EinsA-Kundin und Frau sowieso. Und ich bin ein prima Aushängeschild für die Deutschen. „Gar nicht so übel, wir haben da eine im Viertel, die ist zwar riesig, aber die bezahlt und versteht was von der Welt.“ So wird ja gerne über Menschen gesprochen, die einem Recht geben. Für mich ist es gut, ich krieg Sconto und gute Ware. Denn im Laufe der Jahre habe ich mir durchaus die Expertise und die Position erarbeitet, dass ich Ware kritisch beäuge und nach was aus dem Lager frage. Das macht Eindruck und gibt dem Verkäufer das Gefühl, dass ich ihm durchaus noch was Besseres als das offensichtlich Angebotene zutraue, weil ich eben um seine Qualitäten weiß.

Zurück zu Ivano. Mit ihm begann meine nicht steile, aber kontinuierliche Lernkurve mit der Zubereitung von Meerestieren, vor allem Fisch. Leider bin ich bei allen anderen Tieren durch eine kaum nachvollziehbare Abneigung gegen Frutti di Mare gehemmt. Aber ähnlich wie ein blinder Maler, der die Farben spürt und riecht, komme ich auch mit den meisten dieser Tiere inzwischen gut zurecht. Ivano lotst mich durch den hohen Seegang der Fischzubereitung. Bislang bin ich ihm noch immer gefolgt. Bis auf einmal: Bei den Neonati, den durchsichtigen Fischbabies sind wir nicht zusammen gekommen. Aber ansonsten hab ich fast alles von ihm gelernt.

Meistens rufe ich ihn von zuhause aus an und frage, ob sich ein Besuch lohnt. Er stellt mir seine frisch gefangenen, nicht gezüchteten Fische vor, ich wähle und er teilt mir mit einem frohgemuten „aggiudicato!“ (zugesprochen) mit, dass ich mal wieder schneller war als die gierige und meiner Meinung nach sehr verfressene Dottoressa von der Farmacia gegenüber war. Sie ist mein natürlicher Fressfeind wenn es um frisch gefangene große Fische um die eineinhalb Kilo geht.

Inzwischen verbindet uns eine Art Freundschaft, er zieht mich gerne zu Rate, wenn er seinen Porsche (von dem einige Teile von Rechts wegen eigentlich mir gehören müssten) zu Schrott fährt und Teile aus Germania bestellen möchte oder er klagt mir sein Leid, wenn seine Kinder, seine Mamma und alle Enkel bei ihm wohnen. Am liebsten würde er dann wieder nach Südafrika gehen. Oder nach London. Oder nach Paris. Überall war er schon und über alles kann er sprechen. Aber wir beide sind uns einig: wo kann es schöner sein als im Trullo?

Ein Gedanke zu „Aggiudicato – der Fisch gehört mir!“

  1. Wundervoll, ich habe soeben den Fischgeruch in die Nase bekommen! Als Prunkschaf ziehe ich es vor, bei Einkäufen meiner göttlichen Köchin, vor dem Geschäft auf und ab zu gehen, denn graue Wollschafe die nach Fisch riechen? Und so entgehe ich auch evtl. Fangfragen nach der Zubereitung des Fisches durch mich! Im Supermarkt mußte ich mir schon sagen lassen, dass es unüblich sei, dass Kinder für die Mama kochen.

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