Der elder streetfighter vom Trullo

In Rom wohnen wir in einer recht wilden Gegend. Als wir hierher gezogen sind, gab es junge Männer, die sich nicht getraut haben, uns beim Umzug zu helfen, weil hier die Mülltonnen brennen sollen. Tatsächlich hat in unserer ersten Woche hier ein lange falsch geparktes Auto gebrannt, aber das war seitdem auch das Einzige. Hier leben viele Ausländer. Wir ja auch. Die Menschen sind recht direkt und – um es mal vorsichtig zu sagen – viele haben Straßenerfahrung. Um hier groß werden zu können, muss man sich schon durchsetzen können. Ruhige Mitschwimmer findet man eher wenige.

Einer der Wildesten hat eine Eisdiele. Er macht das beste Eis in Rom. Das kann ich mit Fug und Recht sagen, denn ich kenne recht viele Eisdielen im Zentrum. Nicht alle, das wäre meiner Figur sehr abträglich, aber doch genug, um mich immer wieder in eine Bikinikrise zu stürzen.

Giulio, dessen Bruder übrigens eine preisgekrönte Metzgerei und eine sehr gläubige Ehefrau hatte (die Ehefrau hat er immer noch, die Metzgerei nicht mehr), gilt als „elder streetfighter“. Die legendären „bande della Magliana“, Stoff für so manchen Film, waren Teil seiner Jugend. Heute ist er ein jovialer, herzlicher und kluger Wirt. Er hat auf unnachahmlich italienische Art und Weise seine Eisdiele Stück für Stück erweitert und eine recht coole Bar im Nebenraum draus gemacht.

Dass die Gegend als so wild gilt, gereicht ihm jetzt zum Vorteil, denn vor seiner Bar parkt den gesamten Tag ein Einsatzwagen der Carabinieri mit zwei hübschen Uniformierten, die immer mal wieder auf einen caffè zu ihm kommen. Giulio selbst ist ein Phänomen. Sieht man ihn zum ersten Mal, fallen einem besonders seine schaufelgroßen Hände mit den immer etwas rustikalen Fingernägeln auf, dann seine dicken Silberketten und dann der inzwischen gräuliche und entwaffnend fluffige Haarkranz. Seine Kleidung ist immer noch rockermäßig, aber seine Sprache herzlich. Sieht man ihn mit Kindern, weiß man, warum er nicht unter die Räder geraten ist. Er ist ein Mensch, der eine Grille mit einem eingerissenen Flügel von der Straße auf einen Haussims setzt, damit keiner auf sie tritt. Kommt aber einer in seine Bar und bestellt recht nassforsch einen Cappuccino, dann kann es durchaus sein, dass er ihm bescheidet, dass es völlig in seinem, Giulios, Ermessen liegt, ob er den auch bekommt. Höflichkeit und vor allem Respekt sind die Währung hier, wo es nicht immer so viele Regeln zu geben scheint.

Ich könnte noch lange weiterschreiben über Giulio und die anderen Händler in unserer Straße. Dass er alle Frauen „dolcezza“ nennt, aber seine Patrizia abgöttisch liebt, dass er vorsichtig und sensibel nach Eltern fragt (könnte ja immer etwas sein), dass er seine Mitarbeiter seit Jahren hat, dass er seine Kinder zum Studieren schickt, weil sie es gut haben sollen und, und, und. Für uns ist sein „Alta Marea“ (Flut) ein Ort, an dem wir immer willkommen sind und wo wir neben dem besten Eis auch die herzlichsten Gespräche führen.

Ein Gedanke zu „Der elder streetfighter vom Trullo“

  1. Zu diesem göttlichen Eishersteller kann ich nur sagen, er nimmt auch alte graue Schafe mit großer Liebe und Herzlichkeit in den Arm. Eis bei ihm kaufen ist eine Sache für sich! Man wählt nicht zwei, drei Kügelchen aus, nein, man deutet auf einen großen Popcornbecher und sagt bitte voll mit Fruchteis, einen weiteren Becher bitte voll mit Milcheis und wenn das noch nicht reicht einen kleineren Becher mit Sahne! Dann ist es allerdings erforderlich, eine gut gedeckte Kreditkarte und ein vernünftiges Diätprogramm zu haben. Ich liebe das Leben in Rom.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert