Al Mare

In den Jahren mit unserem zauberhaften kleinen Hund mussten wir nur auf eine einzige Sache verzichten und das war der Besuch des Meeres in den Sommermonaten. Denn im Land der ungezogenen Hunde, die man gerne „per i bambini“ oder „per l’estate“ nimmt, sind Hunde leider ein nachvollziehbares Ärgernis am Strand. Die Hundebesitzer sind natürlich schuld, weil sie einfach stinkfaul sind und die Geschäfte ihrer Vierbeiner nicht entfernen. Büßen müssen alle. Denn nicht jeder Hund ist wie unserer gewesen. Wir haben sie von Beginn an auf Grünflächen erzogen und das ging soweit, dass mein kleiner süßer Hund – das erste Mal am Meer – verzweifelt durch Sand und Dünen gehüpft ist, um sich dann aufatmend auf mein frisches grünes Badehandtuch zu werfen und einen großen See zu machen.
Seit letztem Jahr also können wir – leider – auch in den Sommermonaten ans Meer. Das genießen wir sehr und dabei habe ich festgestellt, dass es zwei Geräusche gibt, die ich seit meiner Kindheit kenne und liebe und sie mir so vertraut sind wie nur wenige andere: Die Schreie der Mauersegler im Hinterhof meines Vaters und die Schreie von italienischen Kindern am Strand. Beide gehen direkt in eine Zone meines Gehirns, die wahrscheinlich das Reptiliengehirn oder sonstwas Exotisches ist. Sie gehen ungefiltert in mein Herz und ziehen einen Rattenschwanz an schönen Bildern nach sich.
Denen kann ich nachhängen, zähle ich doch am Strand eher zu den sehr kontemplativen Gesellen. Noch nie hätte mich die Lust gepackt, Wanderungen zu unternehmen, keinen Cent muss man für mich in saisonale Trendballspiele investieren, ich bin der festen Ansicht, dass es nur sehr wenige Menschen gibt, die beim Ping-Pong nicht unvorteilhaft aussehen, geschweige denn, es überhaupt können. Wenn ich Bälle alle zwei Sekunden aufheben möchte, schaffe ich mir wieder einen Hund an. Und so liege ich die meiste Zeit tatenlos rum und schaue träge durch die Gegend.
Dabei wundere ich mich dann zum Beispiel über die Bikinimode und frage mich, wer nur diese schlimmen brasilianischen Dinger nach Europa gebracht hat, die fast ganz im Po verschwinden? Wer soll denn sowas anziehen? Bei den meisten sieht das Stück Stoff aus wie der Bosphorus, der zwei Kontinente trennt. Nächste Saison kann es noch schlimmer kommen: Dann dürfen wir mit Schnürungen rechnen und wenn die schon an Victoria Secret Models Fleischsegmente teilen, wie soll das dann bei normalen Frauen werden? Wie bei einem Rollbraten?
Heute war beim Rumschauen allerdings auch purer Neid dabei. Zwei Sechsjährige hatten ein Schwimmtier dabei, das riesengroß und wunderschön war und Haltegriffe hatte. Hier könnte ich nun wieder schwach werden. Aber das Gemeine daran ist, auch wenn ich heute nicht mehr quengeln müsste, um es zu haben, es würde an mir leider genauso lächerlich wirken wie der brasilianische Bikini an den meisten Trägerinnen.

2 Gedanken zu „Al Mare“

  1. In den Jahre mit unserem zauberhaften kleinen Mädchen mussten wir nur auf eines verzichten: die von der sehr verehrten Bloggerin angesprochene kontemplative Ruhe. Weit über den Strand schallte der Ruf „Mama gehst du mit ins Wasser“. Die Antwort war meist NEIN! Ich hasse Salzwasser, Sand und die Tiere da drinnen, die das komischerweise lieben. Der Gedanke auf so ein Tier zu treten, bringt mich fast um den Verstand. Ich hatte auch anderes zu tun, wenn ich nicht räuberischen vierjährigen Mädchen die Stricknadel meiner Tochter abjagen musste, war ich auf einem mehrstündigen Spaziergang ins Landesinnere unterwegs, oder ich habe ein drittes Paar Wollfingerhandschuhe angefangen, oder ich habe sehr genau und gründlich den Mann meines Herzens beobachtet, dass dieser ja nicht zeitgleich mit einer südlichen Schönen ins Wasser geht. Er hat es ja immer bestritten, aber trau schau wem. Bikini trug damals fast nur ich, so daß es an unserem Strandabschnitt nicht allzuviel zu schauen gab.
    Dort am Strand war es wunderschön, wenn nicht die Schlepperei der Liegen, Badetücher, Wasserflasche, Schirm etc. gewesen wäre und ich dann jeden Mittag den Strand hätte verlassen müssen, um ein gutes deutsches! Mittagessen zu kochen, Handtuch über den Balkon und schon krochen Vater und Tochter über den glühendheißen Sand zum Essen und der Siesta. Es war eine wundervolle Zeit!

    1. Ich glaube, deshalb habe ich mir ein oranges Badehandtuch gekauft. Und ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass ICH es war, die auf Zentillionen von toten Meeresbewohnern gewatet ist. Das mit der Stricknadel war eine Frechheit. Aber Italien und Stricknadeln war eh eine schwierige Kombination. Ich muss da gleich an mein Ohr denken und an Knoblauch und Pfirsich und Spumante.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert