Kundenorientierung

Verkäufer, die sich und ihre Waren aus dem Effeff kennen, sind Segen und Fluch zugleich. Wie ich das meine? Kommt schon, die Geschichte braucht Anlauf. Also: Gestern Abend haben offiziell unsere Ferien begonnen. Noch ein kleiner geschäftlicher Termin auf der Via Veneto – es könnte einen schlimmer treffen – und dann nichts wie los in den Urlaub, in die Vacanze Romane. Während es für andere nichts Schöneres gibt, als im Urlaub mal richtig auszuflippen, jeden Tag woanders zu sein und es voll krachen zu lassen, gibt es für mich und zum Glück für meinen Mann auch, nichts Schöneres als an einem Ort zu sein und gar nichts, aber wirklich gar nichts vorzuhaben außer riesige Wassermelonen zu essen (und die Planung, wann wir sie anschneiden, kostet uns schon viel Kraft und Energie) oder zu entscheiden, ob wir mit der Vespa in die Stadt fahren oder nicht. Das kann in unserem Fall durchaus eine Challenge sein, denn unsere wunderhübsche cremeweiße Vespa ist eine wahre Diva, die für unfassbare Maintenanceekosten im Prinzip doch macht, was sie gerade möchte. Und das ist nicht immer anspringen.

Also bin ich heute los in den chinesischen Laden unseres Vertrauens und habe mir eine LED-Lampe, besser gesagt, mehrere, gekauft. Darunter ist auch eine Kopflampe, die ich gedenke, mir verkehrt herum um den Helm zu binden. Nachdem ich heute schon an den Fußrasten von einem Motorrad, das unbedingt in der Garage stehen muss mein frisch poliertes Auto ruiniert habe, kann ich keine weiteren Schäden mehr brauchen. Der Chinese jedenfalls ist ein Phänomen, denn bis auf Duschgel hat er tatsächlich alles. Er legt kurz sein wellensittichkleines Köpfchen schräg und schon saust er los in die Tiefen seines Ladens und wenn etwas nicht da ist, fragt er, ob man hier wohnt und wenn ja, dass es bis Montag da sein könnte. Prima. Er muss immer sehr flink sein, denn erstens gibt es drei solche Läden in unserer Straße und zweitens muss er die Kasse alleine lassen, während er uns was zeigt und das bereitet ihm körperliche Schmerzen. Würde man ihn nach einem Heißluftballon fragen, würde er auch den Kopf schräg legen und vermutlich bedauernd sagen, die seien gerade aus, könnten aber bis Montag, spätestens Dienstag wieder im Laden sein.

Auf ebenso viel Kompetenz bin ich im Zentrum Roms bei Fragen nach einer Handtasche gestoßen. Und das war so: In dem Restaurant / Café / Arabertreff, in dem die Besprechung stattgefunden hatte, hatte ich wirklich Zeit genug, mir zu überlegen, dass Geld alleine keine Schönheit kaufen kann und dass nicht alle westlichen Errungenschaften ein Segen für alle Menschen sind. Insbesondere gilt das wohl für Fast- oder Komfortfood. Was Geld allerdings kaufen kann, sind wunder- einfach wundervolle Handtaschen! Und ich bin da keineswegs leicht zu beeindrucken. Eine jedoch hing an einer Frau, die so jung, so arg geschminkt und so sehr böse war, dass es einem eiskalt den Rücken hinunterlief. Ich habe die Tasche sofort fotografiert und bin damit in das ihr zugehörige Geschäft gefahren, was zum Glück nicht weit entfernt war und dort teilte mir der Storemanager freundlich mit, die Tasche, ja, die sei von ihm, aber der Gurt nicht, der sei von einer anderen Firma. Ich habe mich geschämt und muss mich wirklich empören, denn wenn ich einmal, zum ersten Mal in meinem Leben etwas derart nachverfolge, dann möchte ich bitteschön nicht gleich auf solche Schwierigkeiten und Peinlichkeiten stoßen. Da kaufe ich lieber weiter bei meinem Chinesen. Der wollte mir für das letzte Exemplar einer herzförmigen Tasche mit Kette an der Kasse sogar noch einen Preisnachlass machen, aber ich würde vermutlich von dem Geruch beim Tragen ohnmächtig werden. Ist auch keine Lösung.

3 Gedanken zu „Kundenorientierung“

  1. Lustig, so kenne ich die liebe Bloggerin ja gar nicht! Nun war ich zufällig in meinem Lieblingstaschenladen in Italien. Ich hatte mir mal verwegen nach einer Telefonkonferenz mit der Bloggerin in Rom an der spanischen Treppe eine, für meine Verhältnisse, sehr teure Tasche gekauft. Da war ich schon sehr stolz! Nun gefällt mir von dieser besagten Marke schon seit längerem eine süße, kleine Tasche, die, wie ich finde, aber für ihre Größe wahnsinnig teuer ist. Nun sah ich das Schild ‚Saldi‘ und ging hinein, meine liebe Familie begleitete mich und wollte mich beraten, was nun nicht sehr effektiv war, das nur nebenbei. Nun war der Storemanager auch sehr interessiert, mir eine seiner Tasche zu verkaufen und fragte auch frech, in welcher Farbe ich eine suche. Also geht’s noch? Als wenn wir Frauen wüssten, was wir für Farben suchen, wenn wir in einen Taschenladen gehen. Eigentlich sehe ich eine Tasche und sie gefällt mir oder halt nicht. Das habe ich ihm dann auch erklärt und meine Familie merkte schon langsam an meinem Ton, dass der Verkäufer mich wohl nervt. Sie waren dementsprechend nervös, vor allem meine pubertierenden Kindern, denen ich eh nur noch peinlich bin. Nun, als ich dann zu besagter Tasche kam, fragte ich, ob die den auch im Saldi sei? Natürlich nicht! Alle, ab diesem Regal nach vorne, aber diese natürlich nicht. Ich habe ihm dann aber gesagt, dass sie doch aus der vergangenen Saison sei, aber er blieb stur und erklärte mir haarklein, welche und warum usw. Ich hatte den Besuch innerlich schon abgeschlossen, erst als er meinte, dass er der bestsortierteste Laden in Italien sei (wir waren San Gimignano, hallo!), habe ich mich freundlich dankend verabschiedet. Meine Familie folgte mir überrascht, aber doch beeindruckt von meiner Konsequenz .

    1. Sehr witzig, dass Du das schreibst, liebe Mare, denn an sich begann der Blogeintrag mit den Worten: All Diejenigen, die mich kennen, wissen, wie ungewöhnlich das, was ich jetzt beschreibe, für mich ist….

  2. Zuerst muss ich mich an unsere tapfere Mare wenden. Tapfer deswegen, weil sie mit der ganzen Familie zum Shoppen ging. Shoppen soll doch in erster Linie Spaß machen. Ich kann eigentlich nur mit der sehr verehrten Bloggerin oder alleine einkaufen gehen. Alles andere bringt nichts, Du kaufst Sachen die Du nie wolltest, bist verklemmt und beeinflusst. Komm Du wieder ins römische Feldlager und wir drei ziehen los.
    Die einzige Bevölkerungsgruppe, die sich hier nicht merkbar ausgebreitet hat, sind die Herrschaften aus Hinterasien. Manchmal vermisse ich sie schon, aber eigentlich nicht so arg, weil, wie die sehr verehrte Bloggerin richtig feststellte, der Geruch und das sterrige Material der Ware sind doch sehr störend.
    In New York und San Francisco dagegen kenne ich Chinatown wie meine Westentasche, da meine Freundin H. aus W. auf der Jagd nach einer Südseeperlenkette jeden Laden dieser Betreiber aufgesucht hat. Im Schlaf hätte ich hingefunden. Meine liebe Freundin, manchmal nenne ich sie Elster, weil sie an jedem Fenster, in dem es glitzert, stehen bleibt, hat ein geschmackvolles Händchen für Schmuck und kann sich geduldig immer wieder dafür begeistern. Dieses Schmuckgen fehlt mir, ich hab das Taschengen.

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