Mann vor Frau – hier die Welt noch in Ordnung

Zu Zeiten, in denen sich die Welt schneller zu drehen oder gefangen im Wahnsinn scheint, ganz wie man es betrachten möchte, kann ich mit großer Freude berichten, dass in Mikrokosmos meiner römischen Terrasse die Welt noch vollkommen in Ordnung ist. Wie alle inzwischen wissen, lebe ich auch hier mit Vögeln. Und da die Vögel mich hier nolens volens inzwischen als einen zwar etwas großen, aber harmlosen Störenfried akzeptiert haben, verhalten sie sich weiterhin, wie es ihnen beliebt und gehen ihren ganz normalen Alltagstätigkeiten nach: Baden, Plustern, Picken, Erleichtern – was halt so zu einem Vogelalltag gehört. Durch regungsloses Sitzen im Schatten (Fingerbewegungen auf der Tastatur nehmen sie offenbar nicht als Bedrohung wahr), bin ich Teil ihrer Welt geworden und konnte mir einen Überblick über einen typischen Amselvormittag verschaffen:

Gegen 9.15 Uhr, kurz nachdem die Bewässerungsanlage frisches Wasser in die Pflanzen und damit auch die Untertöpfe gepumpt hat, kommt Herr Amsel und nimmt sein sehr ausgiebiges Bad im angenehm länglichen Untertopf von Oregano und Rosmarin, er mag es offenbar eher herb. Wenn er im – für ihn – hüfttiefen Wasser steht und planscht, könnte den Geräuschen nach zu urteilen, auch ein Elefant sein Morgenritual durchziehen. Es wird geprustet, geschüttelt, geplanscht, dass das Wasser nur so spritzt. Triefend und ungefähr doppelt so groß taucht Signor Amsel dann aus den Fluten auf, taumelt aufs Geländer und schüttelt sich erstmal vehement. Alsdann fliegt er in den nahegelegenen Oleanderbusch und macht sich an die Feinarbeiten. Meist ist er dann so glücklich und erleichtert, dass das Wasser ihm nicht geschadet hat, dass er sich erst mal gründlich erleichtern muss. Oft drängt ihn das Bedürfnis, von seinem Badeevent zu erzählen und er schreit mächtig rum. So mächtig man halt schreien kann, wenn man männerfaustgroß ist. Meistens mache ich dann aber irgendeine falsche Bewegung und er stürmt empört davon.

Ist dieser Vorgang abgeschlossen, so nach ca. fünfzehn Minuten, denn ich vermute, so lange dauert es, bis er der Signora Amsel von seinen Heldentaten und Abenteuern berichtet hat, kommt sie angeflogen, betrachtet mit schräg gelegtem Kopf das Chaos um sein Waschbecken und flattert ins benachbarte Salbei-Thymianbad (die Kräuter haben bei mir alle gemeinsame Untertöpfe, sonst würde noch mehr überlaufen als es eh schon tut). Dort führt sie sich im Prinzip genauso auf wie ihr Gatte, nur für den anschließenden Prozess des Glätten, Zupfens und Legens braucht sie länger und setzt sich dazu gerne auch auf eine Stuhllehne, weil sie da nicht durch Blätter gestört wird, was ich allerdings nicht so schätze, denn auch sie entspannt sich hier und das führt zu unschönen Spuren entlang meiner Sitzlehnen. Aber bitte, es gesehenen ja weit schlimmere Dinge auf der Welt, wie wir alle wissen. Frau Amsel scheint diesen Vorgang sehr zu genießen und ich habe ab und an den Eindruck, sie würde sich am liebsten zu mir setzen und ein bisschen von Frau zu Frau plaudern. Wir wären uns dann völlig einig, wie schön die Welt ist, wenn man sie für ein paar Momente auf seine eigene Umgebung und das, was man beeinflussen kann, eingrenzt.

6 thoughts on “Mann vor Frau – hier die Welt noch in Ordnung

  1. Ja das mit dem Mikrokosmos hat schon was für sich. Heute haben wir einen ruhigen Tag hier verbracht bzw. der männlich Teil der Familie. Der weibliche Teil hat sich in die Geheimnisse der italienischen Küche einweihen lassen. Wir wissen natürlich alle, dass die liebe Bloggerin eine Göttin dieser Küche ist, aber bei Mariella war es heute auch nicht schlecht. Mir wurde heute wieder klar, dass die Einfachheit doch immer noch am besten ist. Kein
    Schnickschnack und Brimborium, nein die einfachen Sachen machen einen glücklich und daher verstehe ich auch das Ehepaar Amsel. Ein kleines Bad auf der Terasse der lieben Bloggerin, auch wenn die mal wieder anwesend ist, scheint sie glücklich zu machen. Vielleicht sollten wir alle mal wieder mit den einfachen Dingen zufrieden sein und nicht immer höher schneller weiter, das macht letztendlich nur unzufrieden und krank. Mariella kocht hier schon seit 22 Jahren und ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass bei ihr sich irgendwelche Abwechslung breit macht, um sie glücklich zu machen. Nein, vollgefressene, betrunkene deutsche Touristen, die nur noch in das Appartment wanken und dort ein Mittagsschläfchen machen wollen, das ließ ihr Blick erahnen, machen sie glücklich.

    • Da haben Mariella und ich was gemeinsam. Ich ziehe übrigens in die Box neben Prunkschaf. Würde auch kochen und alle täglich satt und betrunken machen!

  2. Den besten Tag hatte heute sowieso ich. Nach drei Monaten Lagerhaltung habe ich die Fesseln abgestreift, den Rollator, die Straßenbahn des römischen Feldlagers genommen, meine Boutique unweit der zweiten Haltestelle sofort bei der Öffnung gestürmt, kaufrauschartig mein Krankenhaustagegeld und das ganze gesparte Geld in aberwitzige Hosen und T-Shirts und Pulli umgesetzt und beglückt vielleicht 10 Straßenbahnen später wieder heimgesaust. Das ist Leben, ihr Mädels und das ist wunderschön, für mich war das sozusagen auch ein Bad im Blumentopfuntersetzer.

    • Erwarte Dich auf der Terrasse, um neues Gefieder vorzuführen. Bin sicher, Frau Amsel interessiert es auch. Vor allem mit floralem Muster!

  3. Der Fußballgott wünscht, dass ich morgen das neues Gefieder in der Arzpraxis trage, vielleicht verbiegt sich dann ja die Spritze! Werde in jedem Fall Bild senden. Nach einer Schrecksekunde hat er fröhlich gefunden, dass man diese Hose durchaus mit über siebzig tragen kann, im Gegenteil, diese jungen Dinger haben ja alle keinen Mut!

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