Trittbrettfahrer

Auch wenn wir hier, wie immer wieder gesagt und auch kaum verdächtigt, kein politischer Blog sind, kommen wir nicht umhin, den aktuellen Ereignissen Tribut zu zollen. In ihrer Schrecklichkeit und in ihrer Monstrosität. Es scheint frivol, von römischen Begebenheiten oder Reisevorbereitungen zu berichten. Fast alles scheint unangemessen. Als ich die Nachricht gestern völlig unvorbereitet erfahren habe, einfach so, im Gespräch, war ich so entsetzt, dass ich ein ganzes Land hindurch geweint habe. Warum gerade bei dieser weiß ich nicht. Vielleicht weil keine „echten“ Waffen verwendet wurden oder weil ich vor zwei Wochen dort war? Der Freund, den wir damals dort besucht haben, schrieb mir auf meine Frage, ob es ihn auch so träfe: It’s their disease, not ours. Das ist klug und in seiner Schlichtheit bestechend. Menschen, die das tun, sind krank. Wir nicht.

Vielleicht erschüttert mich das alles auch deshalb so sehr, weil es die Tat eines Trittbrettfahrers ist, die ich schon seit Anbeginn all diesen Wahnsinns für die größte Gefahr erachte. Loser, die es überall auf der Welt gibt und die ihr erbärmliches Wichtelleben mit einem großen Abgang küren möchten. ‚Suicide by cop‘ heißt das unter Profis, Selbstmord durch Polizisten. Das war das Motiv des Irren im Kino neulich ebenso wie das am Nationalfeiertag in Nizza, denn all diesen Menschen ist eines gemeinsam: sie haben nicht genügend Charakter, sich für oder gegen eine Sache einzusetzen, gar zu opfern. Ihre Leben betrachten sie ganz realistisch als gescheitert und beendenswert. Es steckt nicht mal die Flamme der Begeisterung, der Überzeugung dahinter, sie hängen sich einfach an etwas dran, konsumieren es. Wie Trittbrettfahrer das eben tun. Wie der IS es nun auch mit dieser Wahnsinnstat in Nizza tut.

Die Gesellschaft, die Welt hat seit Jeher mit diesen Parasiten der Aktiven zu tun und muss sich damit auseinanderzusetzen. Und solches Verhalten ist beileibe nicht auf große gesellschaftliche, wirtschaftliche oder terroristische Ereignisse zu beschränken. Auch hier, in unserem Blog, der von meiner Seite niemals beworben, erwähnt oder öffentlich benannt wurde, habe ich die Erfahrung gemacht, dass es zahlreiche Konsumenten gibt, die mir auch sehr regelmäßig im täglichen persönlichen Leben begegnen und die mich noch kein Mal darauf angesprochen haben, niemals Farbe bekannt haben, aber doch immer schön still und heimlich an meinem, unserem Leben teilnehmen. Zum Glück völlig ungefährlich.

2 Gedanken zu „Trittbrettfahrer“

  1. Dieser Blogbeitrag ist nicht einfach zu beantworten. Ich versuche einfach nur meine geschönte Meinung kundzutun. Die französische Regierung hat versagt oder die Stadtverwaltung Nizza. Wenn im römischen Feldlager eine klitzekleine Veranstaltung auf dem Rathausplatz ist, werden bereits bei mir an der Kreuzung zwei oder drei Polizeiautos quergestellt, Polizisten stehen im Weg rum und lassen niemanden mehr durchfahren, Motorradpolizei ist auch vor Ort. Selbst wir haben diese dicken runden Pfosten, die aus der Erde gefahren werden können, um eine Straße zu sperren. Warum wurde dort nicht in dieser Richtung vorgesorgt? Jetzt weiß man etwas über den Attentäter, aber wie immer zu spät, man kann doch nicht jeden Einzelnen, der verquer denkt aus dem Verkehr ziehen, wo soll man denn hin mit diesen Massen von Menschen?! Jetzt die Türkei, die USA schon wieder Polizistenmorde, es nimmt kein Ende, es hilft nur, das Ipad, den Rechner TV und Radio wegzuwerfen, keine Zeitung mehr zu lesen und sich der Illusion hinzugeben, dass Ruhe und Frieden um mich ist, die ich niemandem etwas Böses will.

  2. Jetzt sitze ich hier an einem wahnsinnig beschaulichen Ort in Italien, wo man wirklich meint, ein bisschen ist die Zeit stehen geblieben. Ich war hier das letzte mal vor 10 Jahren und es hat sich nicht verändert, dieselbe Dame an der Rezeption, dieselbe Köchin und ihr Mann, der den Service organisiert. Nichts, einfach nichts hat sich verändert! Ich bin so fassungslos, dass ich schon total entspannt bin. Als ich letze Woche morgens das Radio angemacht habe und von dieser schrecklichen Tat gehört habe, wollte ich auch fast weinen, dachte an die liebe Bloggerin, die wie ich wusste, erst kürzlich dort war und war wirklich traurig. Ich finde, es passiert viel zu viel in letzter Zeit. Als mein Mann dann neulich Nacht meinte, in der Türkei gäbe es einen Militärputsch, als ich nachts um 2 nach ihm sah, konnte ich das schon gar nicht mehr aufnehmen und fand es erstmal gar nicht schlimm. Irgendwann ist die Aufnahmekapazität für schlimme Nachrichten ausgereizt. Der Krug ist voll und man kann zur eigenen Sicherheit gar nichts mehr aufnehmen! Ich werde nun zum schwimmen gehen die Sonne und die Ruhe genießen, weil, wie gesagt, hier nichts passiert, rein gar nichts. Leider bleibt das nicht so, denn leider muss ich wieder in die Realität zurück.

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