Ich kleb Dir gleich eine

Für Kinderlose ist Vieles schwer verständlich. Weil sie – hm, wie kann man das jetzt diplomatisch sagen – wie Erwachsene denken? Nein, das kommt völlig falsch rüber. Weil sie weiter denken? Weil sie denken? Egal. Für Eltern steht das Kindswohl an erster Stelle und das ist selbstverständlich auch das Allerwichtigste und auch wenn das Kind entscheidet, was wichtig und wohl ist, sind die Eltern qua Amt verpflichtet, es heilig zu halten und zu erfüllen. Das Kind weiß schließlich am besten, was gut für es ist und was nicht. Und dass Klebebücher jeglicher Art gut für Kinder und Klebebuchproduzenten sind, liegt doch wohl auf der Hand. Ohne viel Zutun und eigene Anstrengung werden wie von Zauberhand schöne, bunte Welten geschaffen und lassen sich in der kindlichen und elterlichen Einbildung trefflich als selbst geschaffene Werke verkaufen. Eltern müssen nicht helfen und die Kinder schauen dennoch kein Ipad, alles prima.

Mit Klebebüchern lernt das Kind auch gleich die wichtigste Lektion im Leben: Vorgefertigtes als eigene Leistung auszugeben. Wozu malen lernen? Warum anstrengen? Ist doch viel einfacher mit diesen Büchern. Klar gibt es Kinder, die währenddessen nachdenken, sich über die Kombinationen der Tiere im Zoo Gedanken machen: ist es tatsächlich eine gute Idee, einen Löwen ins Ziegengehege zu kleben? Aber das sind die Ausnahmen. Ich finde diesen Beschäftigungstrend besonders deshalb schwierig, weil motorische Fähigkeiten bei Kindern eh schon deutlich abgenommen haben und zwar nicht beim frühkindlichen Golfenlernen, sondern eher bei schlichten Aktivitäten wie schreiben, Stift halten generell oder radfahren und klettern. Dass all diese scheinbar einfachen Fertigkeiten immens wichtig sind, wird auch auf anderen Gebieten deutlich.

Neulich sagte eine Bekannte zu mir: das mögen meine Kinder nicht so gerne, da müssen sie so viel kauen. Ja um Himmels Willen! Wer nicht kaut, verdaut nicht und wer alles unzerkaut schluckt, trifft keine Entscheidungen. Deshalb wachsen Zähne ungefähr in dem Alter, in dem ein Kind auch seine intellektuellen Fähigkeiten erlernt und die Welt wahrzunehmen beginnt. Kauen, ausprobieren, lernen sind die Basis für ein selbstbestimmtes Leben, nicht Beethoven im Bauch hören oder Chinesisch im Kindergarten lernen. Eigentlich wollte ich über den unseligen und meiner Meinung nach kriminellen Panini-Bilder-Hype schreiben, aber meine trainierten und selbständigen Finger wollten offenbar etwas Anderes. Das hat man jetzt davon, dass es früher keine Klebebücher gab.

3 Gedanken zu „Ich kleb Dir gleich eine“

  1. Nun muss ich ja leider sagen, dass ich diese besagten Klebebücher von Panini toll finde. Mein Sohn hat sie in dem dafür bestimmten Alter auch eingelebt, hat sich aber dazu dann auch gemerkt, wie alt der Spieler ist, wie groß, wie alt, wieviel Einsätze in der Nationalmannschaft und so weiter. Der konnte das ganze Heft irgendwann auswendig. Also schult das nicht nur die kognitiven Fähigkeiten eines Kindes, sondern die anderen, weiß jetzt gerade nicht, wie der Fachbegriff heißt, bin ja auch keine Fachfrau. Nun lange Rede kurzer Sinn: es fördert die Merkfähigkeit, leider aber auch die Jäger- und Sammlermentalität eines Mannes.

  2. Zur Beantwortung dieses Blogs habe ich jetzt mal im Internet Klebebücher eingegeben und 1000e von Angebote bekommen, mit denen ich nichts anfangen konnte. Also bezahlbar ist das Zeug. Dann habe ich Panini nachgeschlagen und das mit den aktuellen EM Klebebildern und Boxen und Sticks nicht verstanden. Aber ich habe sozusagen als Abfallprodukt dann ein Heftchen gefunden, in dem es Anziehpuppen zum Ausschneiden und so gibt.. Dabei fiel mir endlich meine Kinderzeit ein. Diese liegt ja nun zig Jahre zurück. Aber Anzuiehpuppenbögen das war eine Kostbarkeit, die ich in meinem jungen Leben vielleicht zweimal zur Verfügung hatte. Und wie wunderbar war es, das alles mit einer ganz kleinen Schere auszuschneiden und dann der Puppe immer wieder etwas anderes anzuziehen, aufpassen musste man, dass man diese kleinen Endstücke, die umgebogen werden mußten nicht abreißt. Es war ein Traum damit zu spielen. Ich glaube kaum, dass heutige Kinder an derartigen Dingen noch Freude haben. Aber ich hätte und da merkt man, wenn man alt wird, wird man wieder zum Kind.

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