Sneakers

So, heute wollen wir uns mal einem zeitgeistigen Begriff für etwas Altbekanntes widmen. Dem Sneaker. Ich muss zugeben, dass ich den Begriff nicht wirklich gut kannte, bis er in meiner Familie immer mal wieder hochgeschwappt ist. Ich glaube, ich hatte schon mal erwähnt, dass Sport etwas ist, ohne das ich prima auskomme und das ich auch keinesfalls vermisse, sollte es sich mal nicht einrichten lassen. Von daher kannte ich nur Turnschuhe und die halt auch eher vom Schulsport her. Niemals wäre mir in den Sinn gekommen, ein derart verhasstes Sport-Accessoirce außerhalb des Turnunterrichts zu tragen. Mit 16 dann kam allerdings die Mode der hohen weißen Adidasstiefel, zu denen es eigene Farbstifte zu kaufen gab um die Streifen individuell zu gestalten. Da ich auch damals schon meiner Zeit weit voraus war und leider größere Füße hatte, als es die Schuhindustrie in Mitteldeutschland vorsah, war das natürlich eine exzellenter Ausweichmethode aus meiner modischen Misere.

Aber ansonsten Turnschuhe? Fehlanzeige. Was ich allerdings relativ schnell für mich entdeckt hatte, waren Supergas. Und zwar in weiß und das sollte sich auch bis in die Jetztzeit erhalten. Wenn ich unter zehn Paaren davon, in verschiedenen Verfallsstadien, habe werde ich nervös. Das ist wie bei Nudelpackungen, unter 5 Kilo geht pro Haushalt nichts. Außer in Paris, da würden sie überproportional viel Platz verschlingen und ich müsste sie im Kleiderschrank lagern, was ja natürlich nicht geht, weil da schon die Supergas stehen. Sneakers, Schleicher, kamen und kommen also in meinem Leben bislang nicht vor und ich vermute, das bleibt auch so. Denn letztendlich ist der Sneaker des Turnschuhs Feind und es kommt sicherlich nicht von Ungefähr, dass es in den letzten Jahren eine entschiedene Gegenbewegung zu den Luxusmodellen der mittelalterlichen unter Jugendzwang gibt. Anstatt Valentino-Modelle mit Safaridruck für 550 Euro setzen sich die Klassiker aus dem letzten Jahrtausend in einer sensationellen Neuauflage durch und traben lässig federnd durch die Großstädte.

Denn da fühlen sie sich auch wohl. Dort wurden sie im Alltag als Statement, Auflehnung oder eben als Turnschuh getragen, weil man – zwar im Kostüm, aber mit eben mit Turnschuhen – von der U-Bahn zum Büro laufen musste wie Tess McGill in „Die Waffen der Frauen“ in den frühen Neunziger Jahren. Sneakers hingegen sind die Schuhe, die Frauen ab Mitte vierzig und leider auch Männer, die in Vororten leben, gerne tragen, weil sie meinen, bei maximaler Bequemlichkeit auch noch modisch-lässig zu sein, wenn sie im SUV zum Gartencenter oder in den Tennisclub fahren. Ich finde, das ist eine eklatante Fehleinschätzung. Rätseln lässt mich allerdings das – an sich recht propere – Paar Stiefel, das ich heute Morgen auf der Rue Saint Honoré liegen sah. Hat der Besitzer Fußweh? Neue Schuhe, die er unbedingt gleich anbehalten wollte? Oder ist auch er ein Anhänger bequemer Sneakers geworden und schleicht demnächst neben mir durch die Straßen von Paris?

3 Gedanken zu „Sneakers“

  1. Um jetzt antworten zu können, habe ich den Begriff Sneakers gegoogelt. Die Antwort macht mich nicht wirklich froh. Ich habe es kleidungsmäßig nicht gerne bequem. Ich finde, das sieht immer nachlässig aus. Als ich noch Pferde und Hunde hatte, trug ich Turnschuhe, natürlich in allen Farben, zum Hundegassigehen. Wunderbar praktisch, vor allem meine über alles geliebten Reebok, das erste Paar kaufte ich in Colorado im Jahre 1988. Seitdem erneuere ich alle paar Jahre. Die alten im Wald und die neuen Schuhe werden zu Städtetouren getragen. Ich möchte mich ungern so lächerlich machen wie der Chef des großen Autokonzernes mit Stern und Schnautzbart, der steht doch tatsächlich im Smoking mit weißen Turnschuhen da. Die gibt’s auch in schwarz! Was das soll, der alte Depp?! Ganz schlimm finde ich die Frauen meines Alters deren Schuhe in Silber und Gold glänzen. Ohoh…..da sieht man wirklich alt aus, dann lieber Slingpumps und die Zehen etwas verbogen.

  2. Über die Geruchsentwicklung besagter Sneaker wurde noch nicht gesprochen, also muss ich es tun. Jetzt bin ich ja in der Fußpflegebranche tätig und werde mit dem einen oder anderen Fuß und dessen Geruch konfrontiert. Neulich kam eine ältere Dame, sehr schick gekleidet, aber schon etwas verwahrlost, wie es den Anschein hatte, zu mir zur Behandlung. Als sie mir sagte, sie hätte jetzt schon länger nichts mehr an ihren Füßen gemacht, schwante mir Übles. Besagte Dame hatte nämlich Sneaker an ohne Socken! Gott seis gedankt haben wir in der Praxis ein Desinfektionsfussbad, das schon einmal das Erste milderte, leider sahen die Füße wirklich genauso verwahrlost aus wie die Dame selbst. Ich erspare nun allen jede weitere Beschreibung: nur soviel, mir ist selten mittags nach einen Schnaps, aber da hätte ich einen vertagen können. Aber dann sagte die auch schon etwas verwirrte Dame etwas sehr Schönes, als ich ihr sagte, ihre Tochter hätte die Bezahlung für sie bereits getätigt. „Ich kann gar nicht in Worten beschreiben, wie wunderbar meine Tochter ist“ und hatte einen leichten Glanz in den Augen. Ich sah nun meine Arbeit an einer dankbaren, leicht verwahrlosten und verwirrten Frau, eher als Akt der Nächstenliebe und Altenpflege.
    Sie schlüpfte in ihre stickenden Sneaker und ging glücklich nach Hause.

    1. Ich kann mir alles ganz exakt genau vorstellen und finde die Tochter auch zauberhaft. Und das Schönste ist, wie sich die Mama freut. Hoffentlich hat sie das auch ihrer Tochter gesagt und nicht nur Dir!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert