Sic transit gloria mundi

Ich war heute sehr spontan bei meinem Augenarzt. Heute Morgen am Schreibtisch habe ich mit zunehmender Irritation Schwierigkeiten gehabt, einen Brief richtig gut zu lesen. Andererseits ist es auch eine große Frechheit, so klein zu schreiben. Geiz möchte man es nachgerade nennen. Da ich ungeklärte Defekte nicht gerne hinnehme, habe ich sofort beim Augenarzt meines Vertrauens angerufen und einen Termin vereinbart für nächste Woche, da „der Herr Doktor nur Montag und Dienstag Nachmittag da ist“. Heute sei doch auch Dienstag, hat er denn nicht auch heute was frei? Doch, an sich schon, wenn das ginge? Ja, geht. Denn dann hab ich das aus dem Kopf und werde bald wieder wie in Adler durchs Leben segeln.

Kaum in der hochmodernen Praxis angekommen höre ich auch schon seine Stimme, die eine Arzthelferin davon abhält, einen wirklich scheußlichen Zettel an die Glastüre der picobello schönen Praxis zu kleben. Ob man diese Textzeilen nicht auch schöner ausrichten und schreiben könnte? JA!!!!! Endlich spricht mir mal jemand aus der Seele. Ich kann einfach nicht verstehen, warum Aushänge, seien sie von Hausmeistern oder Verwaltern oder Geschäften, die Aushilfen suchen, offenbar niemals gegengelesen werden? Gibt es in keiner Firma, Praxis, Kanzlei mehr Menschen, die der deutschen Sprache mächtig sind? Von Interpunktion wollen wir jetzt gar nicht anfangen. Aber wenn ich einen Aushang mache, ja Herrgott nochmal, dann frag ich halt jemanden, ob es so richtig ist. Die meisten dieser Institutionen leben doch von den Menschen, die sie da orthographisch vor den Kopf stoßen. Das hat doch mit Respekt zu tun.

Ähnlich dachte wohl auch Professor Zoz, als er seinen Aufruf startete, dass er sein Unternehmen generell sehr gerne interessierten Schülern öffne und ihnen auch Ausbildungs- oder Praktikumsplätze anbiete, allerdings sollten sie ordentlich gekleidet sein, die Füße beim Laufen anheben und eine verständliche Sprache sprechen. Der Mann ist unwesentlich älter als ich und ich muss mir selbstkritisch die Frage stellen, ob wir einfach einer älteren, verbiesterten Generation angehören, die den Schuss nicht mehr gehört hat und einfach mal chillen sollte. Aber im Ernst: Was ist heute noch wichtig? Kleidung nicht, Sprache nicht, interpersonelle Kommunikation oder gar Interaktion nicht. Was also?? Ich habe den Anschluss verloren, fürchte ich. Vielleicht gar nicht so schlecht, dass ich ein klitzekleines bisschen schlechter sehe. Presbyopie hat mein charmanter Augenarzt es genannt. Man könnte auch Alterssichtigkeit sagen. Er hat dann noch frech nachgeschoben „Sic transit gloria mundi“ und wollte es mir übersetzen. Leider verstehe ich Beleidigungen auch auf Lateinisch. Ist auch nicht immer eine Freude.

Ein Gedanke zu „Sic transit gloria mundi“

  1. Ich hatte das Vergnügen, diese Einladung an ungepiercte und unbemalte Menschen ebenfalls zu lesen. Dem stimme ich vollinhaltlich zu. Ich ärgere mich unsäglich, wenn ich für mein Geld, das ich gedenke abzugeben von ungepflegten und derart zugerichteten Personen bedient werde. Schlimm genug, wenn sie der deutschen Sprache nur mit Mühen mächtig sind. Ich will das nicht. Ich will von normalen Menschen bedient werden. Früher gab es einen strengen, durchaus nicht unangenehmen Dresscode bei den Banken. Heute sehen die meisten Schalterbeamten schon fast wie Bankräuber in Freizeit aus. Schon schlimm genug wenn in meinem Kosmetikladen nur noch, zwar diskret, aber immerhin, geschminkte kaum zwanzigjährige Knaben meinen, etwas zu meiner kaum gealterten Haut sagen. Das ist bodenlos! Dafür bin ich nicht alt geworden! Alles ist durcheinander, aber wir sind selber schuld, wir lassen alles zu, sind liberal, tolerant bis zur Selbstaufgabe und plötzlich wundern wir uns. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, nichts zu sehen und hören. Selbstschutz nennt man das.

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