Man ist ja in unseren bewegten Zeiten nahezu verpflichtet, seine Leser zeitnah auf dem Laufenden zu halten, vor allem aus einer Stadt wie Paris, wo sich bald das „Je suis Charlie“-Desaster jährt und die Soldes begonnen haben, was vernünftigen Menschen natürlich zu denken gibt, da der Schlussverkauf ja auch so eine vergnügungssüchtige, gottlose Angelegenheit ist, außer man huldigt dem Shopping-Gott, was viele Menschen tun und nicht nur in Paris. Also stehen an den meisten Kreuzungen bewaffnete Polizisten, Soldaten in beneidenswert schicken Camouflage-Anzügen patrouillieren an Schaufenstern vorbei, in denen ganz ähnliche Modelle angeboten werden und tragen ihre Maschinengewehre und Helme am Mann. Bevor man ein Geschäft betreten möchte, muss man den Mantel öffnen und aufklappen wie ein Exibitionist, Taschenkontrolle ist selbstverständlich. Ich hatte extra keine Handtasche mitgenommen, aber das hat mich eher verdächtiger als harmloser gemacht. Egal, ich trage meist was unter dem Mantel, wenn ich ausgehe.
In den Geschäften dann geht es dann zu wie im Krieg und an sich würde man sich wünschen, eine klitzekleine Waffe dabei zu haben. Ganz besonders heftig geht es in den Galeries Lafayette zu und hier kommt auch am schnellsten der Gedanke, ob es wirklich so eine brillante Idee ist, am ersten Schlussverkaufstag in ein Warenhaus mit wenigen Ausgängen zu gehen? Der Anblick der bewaffneten Polizisten davor bestätigt die Richtigkeit solcher Gedankenspiele. Also husch zurück in die Rue St. Honoré. Dort gibt es Hasenfell-Westen für Keinkinder zu bewundern und was spricht dagegen, dem Kind gleich zwei Herzenswünsche zu erfüllen, wenn es sich einen Hasen zu Weihnachten oder einfach so wünscht? Dann gibt’s eben einen lebendigen und einige tote verarbeitete Hasen. So ist der Lauf der Dinge, soll es doch gleich lernen und streicheln kann man beide.
Die Jagd, nicht nur auf Hasen, findet in Paris nicht nur in den Geschäften statt. Heute auf den Champs-Elysées war eine Gruppe von sechs – und jetzt fehlen mir die richtigen Worte – Sinti-und-Roma-Mädchen (??) vor mir. Sie sind in Zweiergruppen mit ihren laminierten Unterschriftszetteln herumgestromert, haben ihre angegessenen Burger einfach an Ort und Stelle fallen gelassen und Jagd auf Touristen gemacht. Mich hat das schon lange mal interessieret und so bin ich ihnen nach. Sie wären aber nicht in diesem Beruf und ich wäre in einem anderen, wenn es ihnen nicht aufgefallen wäre, dass ich ihnen folge und so sind sie irgendwann in die Metrostation gegangen, wo ich ihnen natürlich nicht nach bin, weil ich ja schließlich nicht blöd bin. Sechs gegen eine wäre mir dann doch zuviel und wie inzwischen halb Paris weiß, trage ich keine Waffen unter meinem Mantel. Ansonsten scheint ab und zu die Sonne und alle sind wie immer.
Ich habe die angesprochenen Herrschaften mal gegoogelt und bin u.a. auf „Rotationseuropäer“ gestoßen. Irgendwie auch nett und zutreffend. Mich würde es nicht stören, unter Polizeischutz einzukaufen, da ich davon ausgehe, dass bei dieser Präsenz alles andere Gelichter auch zuhause bleibt. Wie schon einmal erwähnt, ich kenne Paris fast nur schwer bewaffnet. Nur zu meiner Zeit, also in den frühen 60ern war es die Stadt die Liebe und Freude und irgendwie ganz anders als heute. Der viel besungene Charme dieser Stadt ist nirgends mehr vorhanden, alles ist kommerzialisiert und bussy und schnell und nur noch geldgierige, hastende Menschen. Dagegen Rom, das Paradies für mich. Das klingt jetzt sicher abgeschmackt, aber in dieser Stadt könnte ich leben, wenn ich das römische Feldlager aufgeben müsste. Dort würde ich gerne leben.
Nun weiß ich von Paris nicht viel, außer dass es sehr teuer ist und man halt eine Vielzahl von Sehenswürdigkeiten anschauen kann. Ich war in meinen jungen Jahren mal dort, habe mir alles angeschaut und fand die Atmosphäre anders, damals sehr schön. Man stelle sich vor, ich saß da abends und hörte Straßenmusikanten zu und fand das alles wahnsinnig toll. Wie gesagt, ich war jung und dumm! Heute muss man ja sogar in Deutschland Angst haben, wenn man an einem öffentlichen Platz Silvester feiert.