Elefantenträume

Oft steht man als Mensch, der die Zwanzig weit hinter sich gelassen hat dem Fortschritt ja eher unverständig und damit auch misstrauisch gegenüber. Ist es wirklich notwendig, SMS im Auto vorgelesen zu bekommen, Essensfotos im Moment des Serviertbekommens über Systeme mit unaussprechbaren Namen per Foto zu verschicken oder Rollläden von Timbuktu aus in Gelsenkirchen zu steuern? Alleine an der Auswahl der Beispiele erkennen Eingeweihte, dass ich hoffnungslos rückständig bin und mich noch meilenweit entfernt vom Technology-Leadership befinde. Gestern jedoch durfte ich erleben, was Laser und Licht und so weiter an Schönheit hervorbringen können. Ich bin mir sicher, dass es sich hierbei um ein Abfallprodukt der NASA oder irgendeiner anderen militärischen Ablenkaktion handelt, aber mir ist das egal, es war einfach traumhaft schön.

Ich war in Brixen in „Solimans Traum“. Soliman ist der Elefant, der nicht nur Brixens berühmtesten Restaurant seinen Namen gegeben hat, sondern auch im Kreuzgang des Doms zu großer Berühmtheit gekommen ist. Dieser verwirrte Elefant kam also so erschöpft in Brixen an, was ja verständlich ist, bedenkt man, von wo er kam und welch weiten Weg er gegangen ist, denn damals konnte man ihn noch nicht einfach auf einen Güterzug oder in ein Flugzeug verladen, um ihn zum Amüsement herbeizuschaffen. Er musste die meiste Zeit auf seinen sandbodenverwöhnten, breiten Füßen laufen, die nicht an die harte Bergwelt gewohnt waren und ist erst mal in einen tiefen Schlaf gefallen. In der Brixener Hofburg. Dort träumt er von seiner Heimat und von seiner großen Liebe, die er dann auch im Brixener Dom heiratet. All dies wird in einem fantasievollen Farbenrausch präzise auf die Kulisse der Hofburg projiziert und lässt einen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus kommen.

Diese Lichtinstallationen, wie sie unromantisch heißen, werden meist mit Musik unterlegt und sind großartig, weil sie fast alle Sinne ansprechen, die es braucht, um eine Erlebniswelt zu schaffen. Beinahe wie Weihnachten, wo es neben Farben und Musik ja auch noch den echten Geruch nach Gans oder Fondue gibt und man so tatsächlich meint, dass Friede auf Erden herrscht. Und wenn man das nur lange genug glaubt, dann wird der alte Spruch „fake it until you make it“ wahr und lässt sich mit in die etwas wischiwaschige Zeit zwischen den Jahren und auch in das nächste Jahr nehmen. Bleibt nur zu hoffen, dass das Neue Jahr nicht gleich wieder mit einem Paukenschlag beginnt. Das wäre noch schöner als der Traum des Elefanten.

One thought on “Elefantenträume

  1. Meine erste Lichtinstallation habe ich vor ca. 15 Jahren in Paris gesehen. Wo weiß ich nicht mehr, ich erinnere mich nur daß ich fassungslos darüber war, dass so etwas möglich ist. Meine zweite Lichtinstallation habe ich dann im römischen Feldlager in der wunderschönen elfenbeinweiß gestrichenen Moritzkirche gesehen. Da in dieser Kirche nahezu alle sakralen Elemente seitlich angebracht sind, der Altar von einem großen liturgischen Gewand verdeckt wurde, war das unendlich eindrucksvoll. Da stellt man dann fest, daß alles ein Spiel ist, alles veränderlich ist, nichts so sein muß wie man es sieht. Für mich, der alles spielerische fehlt, ist das sehr schwierig. Aber da ich bereit bin wirkliche Schönheit, und in diesem Fall empfinde ich das ganze Schauspiel auch noch als Wunder, zu akzeptieren und zu bewundern, ist das ein leider allzu vergängliches Kunstwerk. Ich möchte gerne schöne Dinge behalten können.

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