Jetzt leg halt mal die Zeitung hin!

Viel zu wenig Aufmerksamkeit wird so nebensächlichen menschlichen Eigenheiten wie dem Husten, respektive dem nervösen Husten gewidmet. Aus gegebenem Anlass möchte ich einer überfälligen Schuldigkeit an dieser Stelle Genüge tun. In einem schönen ruhigen Frühstücksraum eines ausgesprochen distinguierten Londoner Hotels, das auch noch in einer Stichstrasse in Mayfair liegt, also kaum die Möglichkeit hat, durch Lärmbelästigung hervorzutreten, sitzt ein ca. zehnjähriges Mädchen mit Eltern und jüngerem Bruder am Nebentisch. Das Mädchen kauert eher auf dem Ledersessel. Die schicken Birkenstock unters Blumenkleid gezogen, das Jeansjäckchen lässig drüber geworfen. Sie rührt nichts an von dem Überangebot um sie herum. Kein Croissant, keine Beerenkomposition und schon gar nicht der extra bestellte Milchschaum mit einem Hauch Kaffee können sie reizen. Stattdessen stößt sie alle 45 Sekunden ein Doppelhusterchen aus. Der Bruder mümmelt fröhlich alles um ihn herum in sich hinein, der Vater muss taub sein, da er ausschließlich die Zeitung liest und die Mutter spricht mit leiser Stimme, der man angestrengt lauschen muss, wechselweise auf die Kinder ein. Und dieses weibliche Kind hustet ungerührt alle paar Sekunden.
In Ermangelung von Gesprächspartnern kann ich mich voll und ganz diesem Phänomen widmen und komme zu folgendem Schluss: Das Kind möchte nichts lieber, als dass der Vater die Zeitung niederlegt und sich ihre Geschichten über die Schule, das Ballett, den nächsten Geburtstag bei Sophie-Marie-Louise oder den Ponyhof anhört. Der Vater könnte das rein theoretisch vermutlich auch, da er ein absolut businessuntaugliches Ringel-Poloshirt trägt. Er hat aber keine Lust, da das Befassen mit Kindern in das Ressort seiner ruhigen Gemahlin gehört, die ihm vermutlich innerlich dafür schon den ein oder anderen Einlauf verpasst hat.
Ich muss aufhören, habe schlimmen Husten, das Ringelshirt schaut mich auch nicht an. Frechheit. Werde es mit unregelmässigem Räuspern versuchen.

Ein Gedanke zu „Jetzt leg halt mal die Zeitung hin!“

  1. Also wenn ich mich jetzt hüstelnd räuspere dann ist das das Vorspiel zu einer längeren Rede. Jeder Psychologe sagt Dir, wer hustet, hüstelt, räuspert und was er noch für Töne von sich gibt, der möchte, oder hat etwas zu sagen. Ich sage nur, so geht das garnicht! Auch ich habe Termine, diverse Wartezeiten, Besuche und Besucher, Mahlzeiten, und ich benötige dringende Regenerierunspausen. Man traut sich ja nicht mehr zu schlafen. Kaum nickt man erleichtert wegen der getanen Arbeit am frühen Morgen ein, poah, da geht’s schon wieder weiter, der Ringelhemdvater hat recht, Ohren zu, Blick in die Zeitung und einfach mal so tun als ginge ihnen das nichts an. Hmmkrmkrkrm…. Muß mich erkältet haben.

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