Antonio und Gennaro

Antonios Vater war ein strenger Mann. Kein Wunder. Nach dem Krieg, als er gerade mal zehn Jahre alt war, hat er angefangen, die Pizzeria seines Vaters wieder aufzubauen. Geld war keines da, der Holzofen hat nur funktioniert, wenn man immer daneben stand und gute Mozzarella war kaum zu bekommen, außer man hatte die Bauern in der Umgebung gut geschmiert. Dazu war Geld notwendig. Geld, das keiner hatte. Gennaro ließ sich nicht unterkriegen, aber der tägliche Kampf machte ihn hart. Annunziata, seine Jugendgefährtin, von Jugendliebe zu sprechen, wäre zu viel gewesen, stand ihm treu zur Seite. Sie ertrug auch seine griesgrämigen Momente, wenn der Rand der Pizza verbrannt war, weil der Ofen ungleichmäßig heizte oder die Mozzarrella klumpig schmolz. Auch als sich nach Antnonio kein weiterer Sohn einstellen wollte, nicht mal eine Tochter und Gennaro zwar nichts sagte, aber dennoch unglücklich war, sagte sie nichts. Es war ja ihre Schuld. Nicht seine. Sie hatte ihre Schwestern, die Kirche und vor allem ihren Chor. Der war ihr heilig und an den Übungsstunden am Samstagnachmittag durfte niemand rütteln. Auch wenn Samstag der gästereichste Tag in der Woche war, Annunziata ging zum Singen. Gennaro bat ihre Nichte auszuhelfen.

Selbstverständlich sollte Antonio das Geschäft übernehmen. Inzwischen gab es auch etwas zum Übernehmen. Die Pizza war stadtbekannt, der Ofen längst erneuert und auch die Tischdecken passten inzwischen zusammen. Antonio war ein guter Sohn. Er wusste, was Verantwortung hieß und dass es um das große Ganze und nicht um seine Leidenschaft ging. Denn die galt der Malerei. In den Augen seines Vaters war das Mädchenkram und die großen Künstler längst tot. Was sollte nach der Sixtinischen Kappelle noch kommen? Und so malte Antonio heimlich vor und nach seinem Dienst in der Pizzeria. Er malte alles, was er von seinem Dachfenster aus sehen konnte. Die Kuppeln der Kirche, das Meer am Morgen, wenn es von grau zu rosa überging, Möwen, die in den Lüften segelten, Fischerboote, das Meer, wenn es abends rosarote Streifen bekam und die Wäsche, die über allen Straßen hing. Er malte nicht mit Farben, sondern mit dem Herzen. Niemals zeigte er seine Bilder dem Vater. Er wollte ihn nicht traurig machen.

Als Antonio volljährig wurde, an seinem Geburtstag, buk seine Mamma ihm einen Kuchen, seine Cousinen und Cousins kamen und klopften ihm auf die Schulter, nur sein Papa, Gennaro zeigte keine besondere Regung. Abends, als sie still und eingespielt die Backstube aufräumten, schickte er ihn raus, die Metallstühle reinzuholen. Und da sah Antonio das schönste Auto, das er jemals erblickt hatte. Einen roten Alfa Spider. Blitzend, strahlend, mit weichen Ledersitzen, ein Traum. Antonio seufzte und drehte sich um, um wieder reinzugehen. ‚Was ist? Willst Du nicht wenigstens eine Runde drehen?‘ fragte ihn sein Vater. Und als Antonio ungläubig drein schaute, drückte ihn Gennaro das erste Mal seit Antonio sich erinnern konnte, an sich, gab ihm den Schlüssel und sagte: ‚Ich will, dass Du Dich frei fühlst. Ich selbst hatte keine große Wahl, aber was wäre ich für ein Vater, wenn ich nun die Wahl habe, Dich glücklich zu sehen und es trotzdem nicht tue?‘

2 Gedanken zu „Antonio und Gennaro“

  1. Schluchz……..wie schön muss es in Positano sein, wenn die Fantasie der Bloggerin so mit ihr durchgeht. Ach, ein Spider…. Als junge Frau hatte ich einen Verehrer, der hatte einen und drängte ihn mir immer auf. Mei, dann bin ich halt mit dem Ding rumgefahren und ja, ich habe die große Freiheit gespürt, nichts könnte mich aufhalten, die Welt gehörte mir. Dass ein Vater seinen Sohn am Ende seines Lebens endlich mal wertschätzt und damit seine Liebe zu ihm zeigt, das ist doch wunderschön.

  2. Dass es das gibt, ist in Wunder und man will es in unserer Zeit nicht glauben, dass es möglich ist. Eine wunderschöne Geschichte und ich bin wieder einmal begeistert von der Fantasie der sehr verehrten Bloggerin.
    Mein Tanzstundenfreund und dadurch der Taufpate der sehr verehrten Bloggerin, der Heini, hatte das gleiche Auto! Nur dieser Unglückswurm konnte so gut wie nie damit fahren, denn irgend ein Teil war immer defekt und musste wahrscheinlich mit Elefanten über die Alpen geholt werden. Jedenfalls hat es so lange gedauert. Ich kann mich nur an eine Ausfahrt erinnern, die in einem fürchterlichen Gestank endete, warum weiß ich nicht mehr, nur dass ich es nicht war! Ich jedenfalls habe mich sehr gefreut, dass die gestrige Ausfahrt ganz ohne Panne verlief.
    Da ich vor drei Tagen, nach drei Tagen Entzug, wieder rückfällig wurde, werde ich ab heute versuchen, wieder zu verzichten. Ich habe wieder rote Tüpfelchen, schlimmen Juckreiz, vorzugsweise von 1 bis 4 Uhr morgens. Damit muss, sollte jetzt Schluss sein.
    No more Gummibärle!!! Teufelszeug! Hoffentlich kann ich bald schlafen und vergesse diese Gier nach ihnen.

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