Blick zu den Nachbarn

Ich schreibe diesen Beitrag mit meinem Nachbarn im Ringelpoloshirt quasi auf dem Schoß. Er stützt sich fröhlich auf unsere gemeinsame Armlehne und schaut mich erwartungsvoll an. Zwischendurch summt er vor sich hin und grunzt in sich hinein, gähnt laut oder starrt mir erwartungsfroh auf den Busen. All das tut er in der Manier eines alten Ehemannes und ebenso wie das ein alter Ehemann tun kann, erbost er mich damit nicht eben wenig.

Auf der anderen Seite des Gangs sitzt eine nette Familie mit einem kleinen Mädchen und auch wenn sie einem anderen Kulturkreis angehört, erkennt man doch mit einem Blick den erfahrenen Despoten in der Familie. Das kulleräugige Mädchen, übrigens ebenfalls im Ringelshirt. Als die Wagen mit dem Essen noch an beiden Seiten der Kabine in den Startlöchern standen, wurde dem Kind bereits von der Mutter in vogelkleinen Häppchen das eigens herbeigebrachte Flugzeugessen serviert, sehr zum Erstaunen anderer Kinder und deren Eltern. Man möchte denken, ein Kind, das als Einzige und Erste in der Mitte des Flugzeuges serviert bekommt, hätte einen Riesenhunger, aber das Gegenteil ist der Fall. Sie isst gar nichts und treibt die beiden Kinder in der Reihe hinter ihr systematisch in den Wahnsinn, indem sie auf ihrem Stuhl rumhopst und ihnen ihre Spieltiere vorhält oder sie anstarrt. Die Mutter tut gar nichts. Die beiden Kinder in der Reihe dahinter wiederum – vor allem das Mädchen – strahlen bereits mit fünf, sechs Jahren eine solch frappierende Arroganz aus, wie man sie nur selten bei einer ausgewachsenen Frau finden kann, zumindest nicht in Europa. Ist das nicht das Allerschlimmste? Arrogante kleine Kinder?

Aporopos Kulturkreis: Vorhin am Flughafen kamen zwei Männer zum Gate, eingehüllt in weiße Badetücher und an den Füßen weiße Badeschlappen. Meine Güte, wie unangenehm, hab ich mir gedacht, denen wurde der Koffer geklaut. Aber wer könnte sich nichts kaufen am Flughafen? Zumal beim Einchecken lastwagengroße Gepäckwagen vorgefahren wurden von Arabern, die ‚einkaufen‘ waren. Und wie soll ein Koffer so kurzfristig geklaut werden? Und wieso war man zum Zeitpunkt des Diebstahls bitteschön nackt? Gerade in diesem Land? Als die Badehandtuch-Herren immer mehr wurden, habe ich meinen schlauen Mann gefragt, weil die Herren selbst nicht so zugänglich aussahen. Sie wollten wohl sehr rein bleiben, bis sie daheim sind und ich wollte mir nicht die Schmach antun, als unreine Frau abgesnobt zu werden. Die Antwort meines Mannes war: sie kommen von der Haddsch. Ich werde das jetzt sofort nachlesen. Und dem lebhaften Kind neben mir weiter in seinen unverzagten Bemühungen um Anschluss zuschauen. Ich fürchte jedoch, bei den beiden dahinter wird sie sich die Zähne ausbeißen. Wie ich übrigens an dem Brötchen, das ich als fast Letzte bekommen habe. Hätte auch mal quengeln sollen. Oder ein weißes Handtuch schwenken.

P.S: kleiner Nachtrag: Im Flugzeug wird ein Heft für Kinder aus dem ‚Miles and Smiles Programm‘ mit dem Namen ‚Herodes‘ verteilt. Diesen schönen Namen hat sich bestimmt ein gequälter Vielflieger nach einem Zwölfstundenflug neben einem solchen Ringelshirt-Kind mit antiautoritärer Mutter ausgedacht.

Ein Gedanke zu „Blick zu den Nachbarn“

  1. Das mit den Kindern ist ein sehr schweres Thema und auch ich bin der Meinung, dass arrogante Kinder schon ein Problem sind. Aber sicher mehr für sie selbst, denn ich bezweifle, ob andere Kinder diesen Begriff verstehen, die empfinden nur, dass die Anderen komisch sind. Ach, mit sowas mag ich mich nicht mehr auseinandersetzen, denn das Leben stutzt uns alle zurecht, so dass die einen früher, die anderen später lernen, wie man am einfachsten durchkommt. Und Arroganz zählt sicher nicht dazu.
    Zu den Herrschaften in Badetüchern muss ich sagen, Reschbekt! das kann man eben auch nur in diesem Kulturkreis machen, denn wenn die in ihren Dörfern so aus dem Bus steigen, wird ihnen allergrößter Respekt und Hochachtung entgegengebracht. Es wäre falsch gewesen, sich zum Reisen umzuziehen, gar so einen unbequemen Anzug? Der klemmt und zwickt, und ich bin sicher, die meisten unserer Männer würden nur allzugerne sich in solche Lappen hüllen. Ich weniger!

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