Oase

Paris und ich, das war ja zu Beginn nicht gerade eine Liaison, die im Himmel geschlossen wurde. Sehr, sehr zögerlich haben wir uns einander angenähert. Diese laute, hektische Stadt und ich als Mittelstadt-Mädchen. Heiß war es auch noch, als wir hier eine Wohnung (naja, eine kleine Zimmerflucht) bezogen haben. Alle Menschen sind entweder unfassbar schnell (Franzosen) oder unfassbar langsam (Touristen) gegangen und haben die Bürgersteige damit entweder zum Gazastreifen gemacht oder blockiert. Wollte ich Trost bei meinem Mann suchen und habe ihn zum Mittagessen abgeholt, musste ich an den Grands Magasins vorbei und das ist echt kein Spaß für jemanden, der gut hört (naja) und halbwegs höflich erzogen ist. Er kommt schlichtweg nicht weiter und wird taub.
Die Flucht in den Tuileriengarten liegt da nahe. Nur da kann man sich ja auch nicht ewig aufhalten, zumindest, wenn man nicht angesprochen werden möchte. Und dann habe ich inmitten all dieses Trubels auf der Rue de Rivoli eine wunderbare, kühle, duftende Oase entdeckt. Direkt neben Angelina, wo es die weltbeste Schokolade gibt, residiert die Traditionsbuchhandlung Galignani. Betritt man sie durch die Glastüren, umfängt eine stille Kühle. Es duftet nach Bienenbohnerwachs und alle Angestellten arbeiten sicherlich seit hunderten von Jahren dort und sind sehr, sehr ernsthaft. Gleichwohl es sich um die erste Dependance der englischen Buchhandlung auf dem europäischen Festland handelt, findet das Englische keine großen Sympathien.
Weil ich so überaus dankbar für diese Oase der Ruhe und Überschaubarkeit war und meinen Mann natürlich sehr liebe, habe ich ihm ein sündhaft teures Buch über Autos dort gekauft. Wie sündhaft teuer es war, ist mir erst heute wieder aufgefallen, nämlich als mich in dieser rasend schnellen Stadt, in der Geschäfte nicht viel länger als ein, zwei Jahre am selben Ort verweilen, ‚mein‘ Verkäufer zuvorkommend mit den Worten: Bonjour Madame, ich hoffe, Ihrem Mann gefällt sein Buch immer noch? begrüßt hat (er hat übrigens mehrere Bücher, das nur am Rande). Ich war sehr erfreut und baff, denn immerhin ist es fast drei Jahre her, gut, ich habe in der Zwischenzeit weitere Werke erstanden, aber ich hatte heute auch zur Ehrung der Sonne und des Frühlings meine Bipo-Vogel-Jacke an, in der es nicht immer leicht ist, mich überhaupt zu finden. Also kurzum, ich bin entzückt und wenn mal wieder alles drunter und drüber geht, gehe ich einfach zu Galignani. Und kaufe ein Taschenbuch.

2 Gedanken zu „Oase“

  1. Das kann ich mir so gut vorstellen mit diesen Oasen, denn ich glaube in dem Sommer, in dem ich in Paris war, hat mich die sehr verehrte Bloggerin in einen wundervollen Buchladen mitgenommen.

    Ich hoffe sehr, dass es der hier Beschriebene ist. Altes dunkles Holz, gemäßigte Töne, angenehmes, elegantes Benehmen, einfach alles gediegen und seriös. Dass man da natürlich nicht mit dem im vorigen Blog beschriebenen Outfit aufschlagen kann, liegt auf der Hand. Schön wäre es, so wie vor fünfzig Jahren, Handschuhe zu tragen, auch im Sommer, oder gerade im Sommer und dann in gemäßigtem Ton nach einem edlen, seltenen Buch zu fragen und liebreizend lächelnd den horrenden Preis zu bezahlen, um dann gemäßigten Schrittes diesen Tempel zu verlassen.

    Also sicher ist, bei uns hier in der Provinz gibt es so etwas nicht! Hier nötigen uns eher die Preise in einzelnen Modegeschäften zu zurückhaltendem, verwirrtem Verhalten. Wer bitte soll das dort Angebotene hier in der Provinz tragen und bezahlen?! Man würde ja gerne mal so göttlich aussehen, aber mangels Gelegenheiten verzichten wir halt. Hier fällt man bereits auf, wenn man anständig angezogen ist. Also Hosen trägt, die nicht in den Kniekehlen hängen, Schuhe mit zugebundenen Schnürsenkeln, keinen Rucksack hinter sich herschleift, durchgekämmte Haare und nicht einen total verfilzten, farbigen Kopf hat, weder das ganze Gesicht mit Metall durchlöchert ist und überall Tätowierungen rausschauen.

    Ich stelle fest, ich trauere meinen verschwundenen Jugend nach und merke gleichzeitig, dass ich jetzt im Alter die gleichen Aussagen wie meine Mutter mache.

    1. Ja, ich mache auch diegleichen Aussagen wie meine Mutter! Und ich hatte auch Handschuhe an. Bis zum Ellbogen und aus schwarzem Ziegenleder. Und ein – für mich – sehr seltenes und ungewöhnliches Buch habe ich auch noch gekauft. Bin auch raus geschwebt. Echt.

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