Le Baum

Wir haben heute unseren Baum gekauft. Er stand als Prahl- und Werbebaum vor dem Christbaumverkaufskarree in unserer Augsburger Prachtstraße und hat an mir sogleich seinen Zweck erfüllt. Keine Minute hat es gedauert, bis wir inklusive Parken, Sehen, Kaufen unseren Baum hatten. Dann kam alles ein wenig ins Stocken, weil der Baum nicht wirklich gut durch die Baum-ins-Netz-Schiebe-Maschine gepasst hat. Das hätte mir zu denken geben sollen. Aber ich habe mich in der Zeit lieber um ein offenbar orientierungsloses Ehepaar gekümmert, bei dem er ein wirkliches Prachtexemplar in der Hand hatte, sie jedoch auf einen Mickerling zugesteuert ist. Ich habe sehr deutlich zum großen mächtigen Baum geraten, sie meinte, sie müsse ihn aber alleine entsorgen. Ja Du lieber Himmel, ihr Mann wird doch nicht auf eine Bohrinsel verschwinden kurz nach Weihnachten? Oder doch? Weiß man ja in der Tat nie.

Mein heldenhafter Mann hat den Baum dann einhändig den Berg hinuntergewuchtet und dann auch nach oben. Und dort haben wir ihn jetzt den ganzen Nachmittag geschmückt. Es ist, wie jedes Jahr, der schönste Baum, den wir je hatten. Dabei haben wir natürlich über Weihnachten gesprochen, tut ja fast jeder dieser Tage: wir schenken uns nichts, wir kaufen lieber unter dem Jahr,  was wir brauchen, wir fahren in die Sonne, wir feiern dieses Jahr gar nicht, und so weiter. Nun, das sind natürlich persönliche Entscheidungen, aber ganz ignorieren kann man eines der Hauptfeste unserer  Kultur eigentlich nicht. Weil es halt einfach dazu gehört. Und es schön ist, dass man viele Leute bewusst trifft, die man sonst vielleicht nicht sehen würde.

Unser Baum steht nun ein paar Stunden bei uns und langsam aber sicher müssen wir uns mit dem Gedanken vertraut machen, dass auch wir Weihnachten dieses Jahr nicht wie immer feiern werden können. Es wird schlichtweg kein Platz für uns alle sein. Zum Glück ist es nicht kalt und wir können auf dem Balkon ja auch genauso essen. Vielleicht gesellen sich Karl und Gertrud zu uns und noch die paar Eichhörnchen vom Baum gegenüber, das kann richtig stimmungsvoll und schön werden. Ich freu mich schon.

 

2 Gedanken zu „Le Baum“

  1. Gestern habe ich das anprobiert, was ich an Weihnachten zur Bescherung und den damit verbundenen Feierlichkeiten anziehen werde. Wenn jetzt der Baum auf meinem Platz sitzen will und wir auf den Balkon müssen, dann muss ich komplett umdenken, um noch ein erfreuliches Bild abzugeben. Ich bin nicht wirklich eine Winterschönheit, rote Nase steht mir nicht, die grauen Federn vom Sturm zerzaust, sehen schlimm aus und mit Fausthandschuhen kann ich keine Fondugabel halten. Ich dachte auch mit zierlichem Schuhwerk meinen Anblick zu vervollkommnen, aber gut, wenn dieses Jahr der Baum die Hauptperson sein will, dann zieh ich halt meine schwarzen Moonboots an. Ach Gott, ich hab mich so gefreut, kuschelig im Warmen zu sitzen und jetzt das. Im Daunenmantel kann ich auch kaum die Arme zum Essen anwinkeln, und da draussen ist es sicher sehr windig und kalt, wahrscheinlich wache ich jetzt gleich auf und habe das alles nur geträumt.

    1. Angesichts dieser Tatsachen wird der Baum streng in seine Grenzen gewiesen, soweit das in meiner Macht steht. Er ist ein durchaus stattlicher und selbstbewusster Bursche und war nicht umsonst der Reinholer vom Stand. Er fühlt sich als Hauptperson, darf aber dennoch nicht mit an den Tisch, versprochen. Übrigens hat auch er sich ausgesprochen viele Gedanken über sein Kleid gemacht.

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