Finito l’amore

Also jetzt macht es aber auch keinen Spaß mehr! Wie konnte denn das passieren? Mein Mann hat es zwar von Anfang an prophezeit, aber da schwingt ja immer so viel abergläubische Sorge mit, denn ihm wird schon speiübel, wenn ein Schiedsrichter beim 6:0 in der 89. Minute sagt, dass das gut für die Heimmannschaft ausgehen könnte. Aber dass er dieses Mal so Recht hat, ist nicht schön. Vor wem sollen wir uns gruseln? Auf wen schimpfen? Wen anhimmeln für unnachahmliches Löffeln oder Vor-dem-Tor-Wälzen? Oder coole Gesten nach dem Tortreffer aufführen. Gut, da wird uns nichts fehlen, Italien hat kaum einen Treffer erzielt in der Vorrunde und Kolumbien hat ganz allerliebste Tänze wie ich gerade gesehen habe.

Also langer Rede kurzer Sinn, mir tut es Leid – auch nach dem Spiel Deutschland – Italien 2006, das ich immer noch mit mir führe in Form eines tauben rechten Ohres, aber Schwamm drüber. Der südamerikanische Schiedsrichter sollte meiner bescheidenen Meinung nach eine Binde mit drei schwarzen Punkten auf gelbem Grund tragen, aber wer weiß, welche Motivation diese beiden Entscheidungen hatten?

Mehr kann ich auch gar nicht schreiben. Außer, dass ich heute – denn auf das tägliche Bulletin warten Sie ja sicher schon – Karl oder Gertrud in der Vier-Zentimeter-Spalte zwischen Markise und Dachsims erwischt habe. Das ist auch schlimm. Hier allerdings ist jetzt auch finito l’amore. Habe einen „Taubenvergämer“ (so heißt der wirklich) beauftragt.

Einfach schön

Tauben und Eichhörnchen, durchaus ein Thema, mit dem man sich längerfristig befassen kann. Vor allem auch vor dem Hintergrund des gestrigen Spiels gegen Ghana, zu dem ich nach so langer Zeit leidern nichts Nennenswertes mehr beitragen kann: Wussten Sie, dass dieses offenbar nicht nur fußballerisch skrupellose Volk (man muss sich den Thomas Müller doch nur anschauen und überhaupt, unsere Buben so in Bedrängnis bringen, die hatten doch auch ein zweites Spiel, ist das zweite Spiel nur für eine Mannschaft ein Schwieriges??). Ein Nationalgericht der Ghanaeser nämlich ist das Eichhörnchen im Ganzen gebraten mit Bohnen und Maiskörnern. Sollten lieber Tauben essen. Karl, Gertrud, nehmt dies als das, was es ist: eine handfeste Kriegserklärung.

Gerade heute im Wald hatte ich erneut Gelegenheit, die possierlichen, anmutigen Tierchen (die Eichhörnchen natürlich!) beim Hüpfen zu beobachten. Es war einer jener gesegneten Tage, an dem alles zusammenfällt wie von selbst. Nicht zu heiß, nicht zu kalt, dennoch sonnig, ein leichter Wind raschelt die Bäume lieblich vor sich hin, aus einer geplanten Radtour mit einem kleinen Cappuccinostop zu Beginn wurden fast vier Stunden in bequemen Liegestühlen. Und wäre das alles nicht schon genug Glück, gab es noch frische, warme Nusshörnchen und liebe Freunde, die zufällig auch noch da waren und zwar genau so lange, dass immer noch genügend Zeit zum in die Luft starren geblieben ist.

Wir sind ja beileibe genügend unterwegs und auch oft an wunderschönen Orten, aber ich kann es gar nicht oft genug wiederholen: kann es einen schöneren Ort geben als Bayern im Sommer und dann speziell meinen Wald und dann das kleine Wirtshaus in diesem Wald?

Genau zum richtigen Zeitpunkt hat dann eine Blaskapelle leise vor sich hin gespielt und irgendwann bin ich dann wohl eingenickt und hab von einer taubenfreien, eichhörnchenbesiedelten Welt geträumt – und von einem zweiten Nusshörnchen.

Alles fließt

Hmpf. Das kann ja ein toller Tag werden. Habe Karl (oder Gertrud, die tut auch immer nur so etepetete) gerade dabei erwischt, wie sie innen drin in der zusammengeschnurrten Markise gesessen hat und ihr Geschäft auf mein Balkonnetz verrichtet hat. Ich finde kaum mehr Worte für so ein Verhalten und bin sogar ein wenig eingeschüchtert davon. Was kommt als Nächstes? Fliegt sie in meine Küche und macht sich Pizza? Extra krustig mit vielen Krümeln? Welche Sprache versteht sie? Man kann ja nicht direkt sagen, dass meine Maßnahmen noch was Subtiles hatten. Was also tun?

Und das sind noch die geringsten Fragen. Dringender ist: Was kochen in Zukunft? Mit den Italienern, die zum Dank so schneckig spielen, wenn man zuhause Bolognese kocht? Schlimmer noch, ein anderer Haushalt hat Pesto bekommen. Soll man die jetzt auch verwerfen? Nein, vermutlich sollte man sie den Spielern als Motivation vorweg tragen. Vielleicht rennen die Kerle dann mal ein bisschen. Heute Abend wollen wir grillen. Muss man befürchten, dies künftig nicht mehr tun zu können, wenn wir verlieren? Ach, es hat jede Entscheidung solche Weiterungen, die wohl bedacht werden müssen.

Jetzt ist es nach dem Grillen und es ist mir wurscht, wie das jetzt ausgeht. Viel zu schön war es. Und so viel ist zwischen heute Morgen und jetzt passiert. Kleine Dinge, Dinge, die gemacht werden müssen und nicht spektakulär, aber eben schön sind. Salate machen, zusammen sitzen, einen neuen Fernseher kaufen und aufbauen, sich freuen, dass man zusammen sitzen kann, ganz normale Sachen eben. Nach so einem Tag können die Deutschen von mir aus spielen, wie sie wollen (ich hoffe allerdings, sie wollen gewinnen). Und übrigens, was ich noch sagen wollte, nicht damit Sie meinen, ich lasse mich leicht ablenken: Karl und Gertrud sind mir zum Grillen nachgeflogen. Mag man das glauben. Sie haben dick und fett auf der Antenne gesessen und runter geglotzt.

Eichhörnchen wären die besseren Tauben

Ganz bestimmt fragen sich treue Leser schon seit geraumer Zeit, was eigentlich aus Karl und Gertrud geworden ist. Nur soviel dazu: während andere jubeln, weil Balkonwetter ist, knirsche ich mit den Zähnen. Mein Balkon ist immer noch verhüllt hätte ich auch nur einen Funken Vermarktungswillen in mir, hätte ich ihn im Sinne von Christo längst als Konezptkunst oder Fotokunst verkauft. So bleibt er in der Kategorie Lebenskunst.
Zu allem Überfluss kommt noch hinzu, dass Karl und Gertrud täglich, was sage ich, stündlich vorbei patrouillieren und nach dem Rechten sehen, nämlich ob ICH auch sicher nicht auf ihm sitze. Weitere Verluste haben wir auch schon zu beklagen: Beim Verscheuchen der beiden von der Markise (wie so fette Tauben darauf balancieren können, ist mir ein Rätsel), ist der Besen abgebrochen. Es wird zunehmend ein Kampf mit Verlusten – bislang nur auf meiner Seite. Vermutlich weil ich nicht fliegen kann.

Wie so häufig, wenn man sich mit etwas befasst, sich darauf konzentriert, häufen sich die Wahrnehmungen des Konzentrationsobjektes. Ich sehe nur noch Tauben, schlimmer noch, die Tauben sehen mich. Und zwar in keiner netten Weise. Sie werfen sich mir in schmalen Gassen vors Auto und zwingen mich zum Bremsen, sie fliegen gefährlich nahe in Bahnhofshallen an mir vorbei, sie flattern heimtückisch unter Kaffeehaustischen hoch und erschrecken mich bald zu Tode, kurzum, die Lage spitzt sich zu.

Wenn ich aus dem Fenster sehe, blicke ich auf große Bäume und in diesen tummelt sich ein eifriges Eichhörnchen. Es hüpft hübsch anzusehen von Ast zu Ast, kann nicht fliegen, legt keine Eier. Über so einen netten Mitbewohner würde ich mich glaub ich freuen. Vielleicht baue ich einen kleinen Steg. Vielleicht könnte es Karl und Gertrud auffressen? Fressen Eichhörnchen überhaupt Tauben?

Tauben, Aale, Unerwünschte

Ja, ich bin wieder zurück auf meinem Hochzeitsbalkon und nein, ich kann das Netz noch nicht abnehmen. Karl und Gertrud ist nicht zu trauen, sie fliegen immer noch Patrouille und in ihren vorbeiflatternden Augen kann ich hämische Schadenfreude erkennen. Wenn wir ihn nicht nutzen können, dann Du aber auch nicht. Fühl Dich bloß nicht sicher. Schon recht, ich habe verstanden. Freitagabend haben wir uns dann aber doch getraut, haben eine Schleife des Netzes gelockert und ein schnelles Abendessen auf dem Balkon hinuntergeschlungen. Der Schleier hat mich anmutig umwabert und wenn man es recht bedenkt, gibt es doch oftmals Anlässe und Umstände, bei denen man sich fragt, warum man sie sich antut. Bei sehr hohen, spitzen Schuhen zum Beispiel oder Hochzeitseinladungen an den entlegensten Orten im Hochsommer. Hier hat der Umstand ja zumindest einen Grund und Zweck. Andere Menschen in anderen Ländern verbringen ihr halbes Leben unter Moskitonetzen, das kann ja auch kein Spaß sein. Oder wie früher auf der Flucht vor Säbelzahntigern oder Wölfen.

Das schönste Paradies hat eben seine Tücken und unerwünschte Gäste gibt es überall. Auch an einem wunderschönen See mit Bootsteg und Bootshaus ist man dagegen nicht gefeit. Da schleicht sich dann ein echt langer Aal ein, der sehr stur auf seinem Bleiberecht beharrt und erst nach massiven Anstupsen mit einer sehr, sehr langen Stange (kein Mensch weiß, wie gefährlich so ein Aal ist, oder?) saubeleidigt wegschlängelt. Gemächlich genug, um zu zeigen, dass er beileibe keine Angst hat, sich aber als den wesentlich Klügeren der Situation erachtet und deshalb geht. Man hätte sich bei seinem Wegschlendern durchaus noch einen Spazierstock vorstellen können, den er durch die Luft schwenkt.

Soviel zu den Tieren. Von Unkraut brauche ich nicht anfangen, das ist ja noch viel komplizierter, denn hier ist der Kampf des Menschen um die Durchsetzung seiner eigenen Ideen noch aussichtsloser als bei Tieren. Was allerdings zum Nachdenken anregt, sind die Maßnahmen der Städte und Gemeinden gegen Obdachlose. Da werden Stacheln in den Asphalt eingelassen oder Bänke in Parks rund und glatt konstruiert, so dass ein Daraufliegen unmöglich wird. Angesichts des sinnlosen Vandalismus, der immer wieder und allerorten stattfindet, wenn kleine Parks zerstört werden, liebevoll bepflanzte Beete zertrampelt werden oder gar Steine aus Mauern gebrochen und mit Gewalt auf dem Boden zertrümmert werden, sind diese Maßnahmen nachvollziehbar. Aber für sich betrachtet und in Bezug auf Menschen, die wirklich in Not sind, wirken sie kalt und verachtend. Karl, Gertrud und der Aal haben zum Glück viele andere Lebensmöglichkeiten, bei Menschen muss man da viel genauer hinsehen, finde ich.