Streiks

Wenn ich einmal in unsere Hauptstadt reisen möchte, den Flug schon gebucht habe und auch schon weiß, was ich anziehen möchte, lauert ein Hindernis der ganz anderen Art. Eines, das wir in unserem kleinen Augsburg fast gar nicht kennen. Ein Streik. Und zwar des Bodenpersonals am Flughafen. Für einen Bahnfahrer wie mich ein Schlag ins Gesicht. Ein Streik – ich habe das eben nachgeschaut – ist ein Schlag, ein Streich. In jedem Fall ein Mittel des Arbeitskampfes, um Ziele zu erreichen. Selten geht es dabei um mehr Arbeit für weniger Geld. Fast immer, so scheint es, finden Streiks im öffentlichen Verkehr statt. Oder bemerken wir sie nur dort? Wenn ein paar Autos nicht rechtzeitig zusammengeschraubt werden, ist das sicherlich auch ärgerlich, trifft aber nur die Wenigsten. Wenn Bahnhöfe oder Flughäfen bestreikt werden, ist das was völlig anderes. Das trifft dann viele und die sind sauer. Und wirklich nur die allerwenigsten können und wollen verstehen, warum diese Streiks notwendig sein sollen. Sind die Unternehmen wirklich so verbohrt, raffgierig und kurzsichtig wie es immer heißt? Schütten sie wirklich all ihre Gewinne an die Aktionäre aus? Und überhaupt: an welche Aktionäre? Haben die Berliner Flughäfen Aktionäre? Oder geht es hier darum, dass wir supergünstig fliegen können?

Wie das mit der Günstigfliegerei geht, ist mir sowieso ein völliges Rätsel. Nicht, dass es mich nicht freuen würde, ich profitiere sehr davon und könnte mir mein Leben ansonsten keineswegs in diesem Stile leisten. Früher, zu reinen Lufthansa- oder Alitalia-Zeiten musste man echte Hin- und Rückflüge buchen und die gab’s selten unter fünf, sechshundert Mark. Da war es dann schon sehr ärgerlich, wenn ein Termin verlegt wurde und man schnell zurück nach Deutschland musste. Wer zahlt also für diese Erleichterung? Das Benzin ist nicht billiger geworden, das wissen wir alle, auch wenn wir immer nur für zwanzig Euro tanken. Die Flugzeuge selbst sind es hoffentlich auch nicht. An der Wartung wird hoffentlich ebenfalls nicht gespart und auch an der Ausbildung der Piloten nicht. Hoffe ich mal. Vielleicht sind die Uniformen der armen Stewardessen aus nicht ganz so hautfreundlichem Material. Auch wird sicherlich an Design und Tragekomfort zugunsten von Fleckabweisbarkeit des Stoffes gespart. Wo hat sich dann also dieses riesige Einsparpotenzial aufgetan, von dem wir alle so trefflich profitieren, wenn wir für 19 Euro nach London fliegen? Wo übrigens ein Tagespass für den Bus teurer ist?! Klar, wir buchen inzwischen selbst, drucken unser Ticket selber aus, checken uns ein, zahlen für unser Gepäck und so weiter und so fort.

Aber ist es vielleicht doch auch das Bodenpersonal, an dem gespart wird? Die Flugbegleiter? Immerhin streiken sie ja im flotten Wechsel. Und wenn es nicht die sind, dann sicher die im Gegenzug millionärshaft verdienenden Piloten. Wir bekommen nur die ärgerlichen Auswirkungen mit, das ist klar und leider gibt es auch unter den mir bekannten Flugbegleitern keinen echten Streiknickl, den ich fragen könnte. Dennoch frage ich mich: gibt es nicht auch andere Berufe, wo ein Streik noch gerechter wäre? Krankenpfleger zum Beispiel? Freie Journalisten? Scherz beiseite, ich möchte sicherlich nicht die Arbeit von Krankenpflegern mit der von freien Journalisten vergleichen, aber während Erstere nicht streiken, weil sie wissen, dass dann Menschen sterben, lohnt es sich bei freien Journalisten nicht, weil jeden Morgen Tausende aufstehen, die alles täten, um überhaupt veröffentlicht zu werden. Auch umsonst. Was ich an sich sagen möchte: Klar sind Streiks sauärgerlich und klar soll jeder froh, sein, dass noch keine Maschine seinen Job macht, die Macht liegt jedoch wie immer in der Einigkeit der Betroffenen. Und irgendwo muss bei dieser ganzen Sache doch der Hund begraben sein, oder?

Zauberhaftes Italien

Für alle Zuhause- bzw. Noch-Zuhause-Gebliebenen: Es ist in Rom kein bisschen warm und grauen Wolken hängen über der Stadt, was mich sehr empört und verängstigt, weil ich mein Auto als Erstes gewaschen habe, wie ich das übrigens in Rom immer tue. Es steht während meiner Abwesenheit so treu und brav in der Garage, wird eingestaubt und respektlos von Katzen besetzt, da ist es das Mindeste, was ich tun kann bei meiner Rückkehr. Trotz der deutschen Wetterverhältnisse und Gewohnheiten haben wir sofort bemerkt, dass wir wieder in Italien sind. Denn in Rom ist Taxistreik. Und das seit fünf Tagen. „Uber“ und vor allem „Uber Pop“ sind die Steine des Anstoßes. Das ist verständlich. Zumindest aus Sicht der Taxifahrer, die teilweise jahrelang ihre Lizenzen und Konzessionen abbezahlen, mit denen ein recht übler Handel getrieben wird. Angeblich vergibt die Stadt zu wenige. Und die, die vergeben sind, streiken recht oft. Dass sich dort – ebenso wie in Paris – ein privates und flexibles Unternehmen prima hineinschlängeln kann, liegt auf der Hand. Unser höchsteigener Tassista, der liebe Berardo teilte mir all dies bereits per WhatsApp mit, als ich ihm unsere Ankunftszeit mitteilte.

Und so kam er dieses Mal nicht als Taxifahrer, sondern als sehr guter Freund der Familie im Auto seiner Tochter. Und welch Glück, dass er seine Tochter vergöttert und verwöhnt. Deshalb konnten wir mit unserem nicht unerheblichen Gepäck in einem Einser BMW Platz nehmen. Mein Vater war kein Taxifahrer und ich auch Einzelkind, aber mein erstes Auto war der Uralt-Golf von meiner Oma und den musste ich ihr auch noch abkaufen. Das ist jedoch ein anderes Thema und soll hier nicht weiter behandelt werden. Im Hinterkopf kann man es ja mal behalten. Berardo (so heißt er und nach über fünfzehn Jahren bin ich mir immer noch nicht hundertprozentig sicher, ob das sein Vor- oder Nachnamen ist) stand also bei den Abflügen, weil man ihn bei der Ankunft erkennen und gegebenenfalls lynchen würde. Als er uns ratlos suchend sah, ist er aus dem Auto gesprungen und wir sind wie zwei Verliebte aufeinanderzugeeilt, weil auch noch die Polizei und Teile des italienischen Militärs um uns herumstanden. Damit es noch glaubwürdiger wird, hat er auch noch meine Mutter sehr geschmust und uns fürsorglich Stück für Stück in den deutschen Kleinwagen geschichtet.

Heute dann, als wir für meine Mutter endlich eine Handtasche gekauft haben, durften wir erneut feststellen, was für ein zauberhaftes und engagiertes Land dieses Italien doch ist. Kaum mit dem Taxi an der Spanischen Treppe angekommen, sind wir in das Geschäft ihres Vertrauens, besser gesagt ihrer Sehnsüchte gestürmt und haben dort einer verdatterten Verkäuferin in Rekordzeit eine Handtasche abgekauft. Sie spricht vermutlich jetzt immer noch darüber, welche tollen Modelle es gibt und dass um drei Uhr in Mailand die Herbst/Winterkollektion vorgestellt wird. Wir bekamen Espresso und Wasser und nach einer halben Stunde haben wir uns auch schon wie zuhause gefühlt. Aus Ermattung und Resignation hab ich mich dann auf die Treppen gesetzt – mein Mutter hat da mehr Contenance und ist stur wie ein Sägebock an der Kasse stehengeblieben – und habe begonnen, mir meine Gedanken über den Durchlauf in solchen Geschäften zu machen und wie oft mein Mann dort vernünftigerweise einkaufen würde, wenn der Bezahlvoqrgang zwanzig Mal so lang dauert wie das Auswählen. Dann kam die Lösung: Es war keine passende Schachtel aufzutreiben, der Po der Tasche, so wurde mir erklärt, sei zu sperrig und passte in jede Schachtel in letzter Sekunde dann doch nicht hinein. Nun, welche Frau kennt dieses Problem nicht? Man habe jetzt jemanden in ein anderes Geschäft geschickt, um eine Schachtel holen zu lassen. Und das hat nun eben gedauert. Es ist und bleibt ein hinreißendes Land dieses Italien.

Zeit ist der Steigbügel der Wahrheit

Das habe ich heute morgen in der „Bunte“ gelesen. Wie schön, wenn ein Geschenk einem selbst zum Geschenk wird. Weil ich meiner Mama ein Abo geschenkt habe und sie das Heft, in Windeseile gelesen, an mich weiterreicht, weiß nun auch ich – zeitnah und unabhängig von Arzt-, oder Friseurbesuchen -, was in der Welt so vor sich geht. Und das ist eine Menge. Mann, Mann, Mann. Die arme Dschungellästerin und Tierfreundin Sonja wurde beispielsweise Opfer übler Machenschaften als sie ihre bunten Flattertuniken auch anderen zum Kauf bereit stellen wollte, was prinzipiell eine schöne Idee ist. Wäre da nicht ihr energisches Engagement für den Tierschutz, das mich sehr beeindruckt, könnte in einem kleinen hinteren Gehirnwinkel die Idee aufkeimen, dass sie fairerweise „auch mal was abbekommt“. Sicher, sicher, es ist ihre Aufgabe, in dieser Sendung gnadenlos und zynisch zu lästern, aber so manches Mal schaudert es einen schon, wenn die schneidenden und scheinbar herzlosen Kommentare über die entblößten Dschungelinsassen gesprochen werden. Jedes Publikum bekommt die Sendungen, die es verdient? Jedes Land die Regierung, die es verdient? Stimmt das so? Kommt es zeitversetzt? Ist das wahr?

Der Spruch lässt mich nicht los. Er ist so blumig, dass er haften bleibt. Meine Mutter sagt oft, die Wahrheit ist im letzten Töpfchen. Kommt sie wirklich immer ans Licht? Wohl nicht, sonst gäbe es nicht so viele ungeklärte Morde. Oder so viele unrechtmäßige Vermögen, die nicht zurückgegeben werden müssen, oder? Kann man sich wirklich darauf verlassen, dass am Ende alles rauskommt? Ich kenne eine Familie, die ihren Schmuck während des Krieges so gut vergraben hat, weil der Vater in Sorge war, dass er doch noch geklaut würde, dass die jetzigen Bewohner des Hauses (sie können es ja nie verkaufen!!) in jedem Frühling beim Tulpenzwiebelnsetzen feuchte Hände vor Aufregung haben, ob sie vielleicht dieses Mal auf die Juwelen stoßen? Und was ist eigentlich die Wahrheit? Hat nicht jeder seine eigene Wahrheit? Gibt es eine universelle Wahrheit? Ist Wahrheit das, was jemand denkt und fühlt? Und dann auch so sagt? Oder das, was faktisch messbar ist? Aber ist wirklich alles messbar? Was ist es? Zu einer Auseinandersetzung kommt es meistens dann, wenn zwei Menschen unterschiedliche Wahrheiten in sich haben und diese vertreten. Was um Himmels Willen ist Wahrheit? Hat da schon mal jemand drüber nachgedacht?

In den USA, die momentan auf dem allerbesten Weg sind, sich zum Parallelprogramm von RTL II zu entwickeln und bald sämtliche Quoten von Frauentausch und Dschungelcamp übertreffen werden, wurde jüngst der brillante Begriff der „Alternativen Fakten“ geprägt. Einer meiner Lieblingssprüche lautet: „Alles, was man sagt, muss wahr sein, man muss aber nicht alles sagen, was wahr ist.“ Oder wie unsere Omas uns lehrten: „Wenn Du nichts Nettes, Freundliches sagen kannst, sag lieber gar nichts.“ Bedeutet das mit dem Steigbügel und der Zeit also, dass selbst, wenn jemand etwas nicht Nettes zu sagen hätte, er nur warten muss und es kommt von alleine raus? Das erfordert aber schon viel Vertrauen in das Leben und die Zukunft, mein lieber Herr Gesangsverein! In der momentanen Weltpolitik kann das auch mal garstig enden. In meiner eigenen Weltpolitik fahre ich hingegen mit ebendieser Einstellung nicht schlecht. Wenn ich richtig gut drauf bin, betrachte ich mir die alternativen Wahrheiten um mich herum wie ein Bühnenstück und freue mich auf die Auflösung. Das Happy End. Denn wie sagt so schön ein anderes Sprichwort: Everything will be fine at the end. And if it’s not fine, it’s not the end. So einfach ist das nämlich. Drücken wir uns alle die Daumen.

Enrico, der romantische Farmacista

Erst mal wünsche ich Euch lieben Lesern da draußen ein glückliches und gesundes Neues Jahr! Man soll es ja nicht verschreien und ich habe mich kaum noch getraut, es zu sagen, aber ich persönlich fand 2016 ein prima Jahr. Natürlich abgesehen von all den schrecklichen Dingen, die in der Welt passiert sind, aber die finden doch irgendwie immer statt oder nicht? Daran zu verzweifeln ist nicht hilfreich, weil man dann den Schwung für die eigene Welt, die, die man gestalten und formen kann, verliert. Durch das Aufsaugen der Taten von Irren stellt sich zwangsläufig irgendwann Wut oder Mutlosigkeit ein und beides ist ganz fürchterlich. Ein kleines Panzerchen oder eine Fettschicht wie das die klugen Enten haben, ist sicherlich von großem Nutzen. Und unter dieser Fettschicht muss die Kraft für das, was man tun kann, lodern und darf nicht gefährdet sein. Der eigene Kreis, in den tagtäglich viele Menschen und Dinge eintreten möchten, darf und muss geschützt und ja, auch verteidigt werden.

Unser Jahr hat generell zwar etwas ruffelig geendet, aber letztlich sind die letzten Tage eines Jahres doch auch immer eine Zeit für Retrospektiven und Bilanzen und das wühlt auf und macht nachdenklich. Ich war recht zufrieden und stolz, aber natürlich auch nicht gefeit, mich gespiegelt zu bekommen. Am vorletzten Abend des Jahres, dem 30. hatten wir allerdings ein Erlebnis, das ich unter meine Federfettschicht schiebe und dort aufbewahre. Wir haben Enrico, den romantischen Apotheker aus Turin, respektive Venedig kennengelernt. Er kam in das Restaurant, das wir nach einigem Hin und Her (wir hatten beide nicht recht Hunger und dann findet man ja an jeder Osteria was auszusetzen) gefunden hatten. Meine Kriterien waren denkbar einfach: es musste ein Radicchio-Risotto geben, was – man möchte es kaum glauben – in der Lagunenstadt gar nicht so einfach war. Gemütlich bei einem Glas Wein saßen wir also da und ärgerten uns nur hin und wieder über den kühlen Wind aus der Türe, die achtlose Gäste nicht schließen wollten. Dann kam ein Herr herein, ein Buch unterm Arm, schloss sorgfältig die Tür und wurde aufs Liebevollste begrüßt: Buonasera dottore, come va? Der Dottere war offenkundig verstört und wusste nicht, wohin mit sich und seinem Buch und ehe ich mich versah, hörte ich mich sagen: Venga da noi, kommen Sie zu uns! Er hatte so einen verstörten Welpenblick, obwohl er schon um die 65 war.

Etwas ratlos hat er sich also hingesetzt und ist dann sofort dem Charme meines Mannes erlegen. Wie leicht er zu verführen ist, hat er uns dann (naja, nicht ganz gleich, musste schon ein wenig nachhelfen) erzählt. Also vor 40 Jahren, er kommt aus Turin, lernte er ein bildhübsches Mädchen aus Udine kennen, das in Venedig lebte. Er, Sohn aus reichem Hause, sagte sich von den Eltern los und zog nach Venedig, um dort eine Apotheke zu eröffnen. Sie, das undankbare, kurzsichtige junge Ding hat sich nach zwei Jahren von einem superreichen Araber verführen lassen und hat Enrico sitzengelassen. Ihm hatte es aber inzwischen gefallen und ganz ehrlich, wer will mit so einer Geschichte im Nacken schon in die Heimat zurück, nur um sich das hämische Getuschel von neidischen Nachbarn und verärgerten Eltern anzuhören? Also ist er geblieben. Aber hat leider nie sein Glück gefunden. Ein Schwerenöter mag er wohl sein, aber jetzt ist er etwas alleine. Jedenfalls hat ihm der Abend so gut gefallen, dass ihm das Unmögliche gelungen ist: er hat uns zum Essen eingeladen, ganz still und heimlich und mein Mann, der durch und durch ein Italiener ist, der sich in seinem eigenen Land schon gleich dreimal nicht einladen lässt, hat sich still gefügt. Wir werden ihn also sicher Ende dieses Jahres wiedersehen, um einen kleine Gegeneinladung anzubringen. War ein echt schöner Abend. Ist jetzt schon tief unter den Federn vergraben.

Banale Gedanken zu Weihnachten

Man hat ja gerne einzigartige Gedanken, ob aus dem Aus- oder Inland. Sie sind aber nicht immer möglich. Zumindest nicht um diese Jahreszeit, die doch alle gleichermaßen mit ähnlichen Themen beschäftigt, was ich nebenbei bemerkt wunderbar finde, weil sie für ein echtes Zusammengehörigkeitsgefühl in einer Gesellschaft sorgen und als vereinendes Fundament unserer Kultur gelten können. Aus welchen Motiven ist da fast egal. Auch die folgenden Gedanken zählen bei mindestens 80% der erwachsenen Bevölkerung zum verbindenden Faktor: Das ungläubige Staunen, dass schon wieder Weihnachten ist. Gestern habe ich hektisch, weil alle um mich herum schon voll weihnachtlich dekoriert haben, meinen Adventskarton im Keller gesucht. Adventskränze mag ich nicht, mochte ich noch nie und hab ich auch noch nie gehabt. Sie auch nie vermisst, die nadeligen Biester, die überall, wo sie stehen Wachsflecken und Verwüstung hinterlassen. Nein, ich mag sie nicht. Aber den Rest von Weihnachten schon.

Gestern also, nachdem ich eine vorweihnachtliche Einladung ausgesprochen hatte, bin ich pflichtbewusst und vorfreudig in den Keller geeilt, denn seit mein superordentlicher Mann mit meiner und der Hilfe eines weiteren Ikeaschranks dort für Struktur und System gesorgt hat, sind die alten Schrecken verschwunden und nicht ganz genauso viele nachgekommen. Vorteil der Restrukturierung ist definitiv, dass nur er sich noch auskennt und ich erkenne inzwischen ein gewisses System darin, dass er sich nie in die Küche oder den Haushalt mischt….ich kann einfach ohne ihn nichts mehr im Keller finden, weil ich sofort ertappt und in der Folge übel ausgeschimpft werde, wenn ich eigenmächtig, sagen wir mal, ein Paar Winterstiefel herausfische oder ein kleines Tütchen mit Sommerkleidung für den Secondhandladen in einen freien Regalplatz stelle. Ich hab den Keller noch nicht ganz abgesperrt, folgt die Rüge auf dem Fuße. Man könne nicht einfach alles reinschmeißen, es gibt ein System und weitere Wahrheiten prasseln dann auf mich ein. Und so sind wir gestern gemeinsam in den Keller und haben dort überrascht festgestellt, dass zum Beispiel der Osterschmuck in einem Karton mit dem Weihnachtsmann drauf verstaut ist. Wie äußerst perfide!!!! Und die Drecksküken und Hasen waren auch noch so gut eingewickelt wie es a) Holzkram gar nicht erfordert und b) dass man auch ja lange mit einer Hand, den Karton auf dem Knie balancieren musste. Natürlich war das vollumfänglich meine Schuld.

Nach kürzester Zeit und dem Gesetz, dass es immer der letzte Schlüssel am Bund ist, der passt, hatten wir auch schon den Adventskarton und wie groß war die Freude, nachdem ich ihn mühsam mit Händen und Schlüssel von seiner wirklich sorgfältigen Verschnürung befreit hatte, dass die Beschriftung eins zu eins mit dem Inhalt übereingestimmt hat. Das war eindeutig auch das Werk meines Mannes und ich ungläubiger Thomas bin selbst Schuld, wenn ich den Karton nicht einfach ohne jegliche Kontrolle dankbar schultere und hochtrage. Das soll mir eine Lehre fürs nächste Jahr sein. Aber so viel Ordnung und System macht doch misstrauisch oder nicht?! Während wir also versucht haben, keinesfalls zu streiten oder dem anderen die Schuld für die Verzögerung in die Schuhe zu schieben, hatten wir wahrlich genügend Gelegenheit in Déjà-vus zu schwelgen, dass es doch wirklich erst vor vier Wochen war, dass wir all das so sorgfältig verpackt haben. Und im Stillen hab ich mich erinnert, wie verwundert ich als Kind war, wenn meine Mama oder meine Oma etwas Ähnliches gesagt haben. Ich fand Weihnachten immer ewig weit weg und habe ihm sehr, sehr entgegen gefiebert. Woran liegt das? Haben Kinder ein anderes Zeitempfinden? Weiß das jemand?

Körpersprache

Es heißt, der Körper würde quasi unabhängig von dem, der ihn gemeinhin steuert, kommunizieren. Ganze Fernsehserien beschäftigen sich mit Augenbewegungen, Handhaltungen und anderen vegetativen Reaktionen. Bei Verhören oder in Verkaufstrainings sind Körpersignale schon längst der totale Renner. Wir haben also gelernt, auf Blinzeln, Erröten, Hand- und Fußhaltung etc. zu schauen. Um daraus einen Vorteil zu ziehen. Was wir manchmal noch nicht gelernt haben, ist auf die Signale aus dem eigenen Körper zu hören. Müdigkeit, Blasssein, Übelkeit oder Schmerzen. Glaubt man seinem Körper, ist er dann an einem Punkt, an dem er Erholung braucht. Einen Spaziergang, ein Schläfchen oder einfach nur eine Tasse Tee mit Plätzchen. Er freut sich in der Regel darüber, wahrgenommen zu werden und arbeitet im Anschluss munter mit einem weiter. Ignoriert man die Zeichen zu lange, kann es sein, dass er ruppig und grantig wird und einen niederstreckt. Das endet im schlimmsten Fall tödlich. Warum hört man nicht auf ihn?

Ich kenne ganz viele Leute, die sind superstolz drauf, dass sie trotz Fieber, Schicksalsschlag oder gerade überstandener Krankheit schon wieder joggen gehen, arbeiten oder Weltreisen antreten. Dann haut’s ihnen irgendwann das Gestell zusammen, wie man in Bayern so lapidar sagt und sie sind völlig fassungslos und empört. Wo ist die Grenze? Was ist die richtige Balance? Denn immer nur rumliegen ist ja sicherlich auch keine Option. Wer keine Grenzen antestet, wird sie auch nicht erweitern, aber auf der anderen Seite – muss man das? Vermutlich schon, wenn es doch immer heißt, das Glück läge auch darin, seine Grenzen zu erforschen und dann zu erweitern und in der Erweiterung zu bestehen? Ach, es ist eine schwierige Gratwanderung. Ich habe noch nie davon gehört, dass Menschen, die immer auf dem Sofa liegen und RTL2 schauen, superglücklich sind. Manager in Hamsterrädern natürlich auch nicht. Bauern vielleicht? Die, denen die Natur den Rhythmus vorgibt? Aber dann nur solche, die ihr Land und ihre Kühe nicht vergewaltigen müssen, um EU-Richtlinien zu genügen. Und schwupps sind wir in einer umfassenden Gesellschafts- und Wirtschaftskritik. Und schwupps schon wieder zurück auf der Ebene, die jedem von uns zur Veränderung zur Verfügung steht: Das eigene Selbst.

Und das ist anerkanntermaßen der schwierigste Bereich. Weil er Taten verlangt, statt Worte. Aushalten, dass man in Frage gestellt wird. Denn lebt man nicht auf einer einsamen Insel, wird jede Veränderung – auch die an sich selbst – Fragen und Unsicherheiten im Umfeld aufwerfen. Und Versuche, die Person, die man zu kennen meinte, wieder zurück in die bekannten und sicher vertrauten Bahnen zu schubsen. Einen neuen anderen Weg mit ihm zu gehen, würde ihn auf den Kern seines Wesens reduzieren, der ja trotz aller Änderungen gleich geblieben ist, aber den nur die Allerwenigsten kennen, weil sie gar nicht zu ihm durchkommen möchten oder können. Weil meistens nur die jeweiligen Kerne der Menschen miteinander sprechen können. Hülle und Kern finden nicht zueinander und weil so viele Menschen nicht durch ihre eigene Hülle hindurch zum eigenen Kern kommen, bleibt es oft bei Hülle zu Hülle. Und dann verstehen diese sich nicht mehr. Logisch. Die Menschwerdung jedoch – so habe ich erst neulich wieder gelesen – sollte uns das wichtigste Lebensziel sein. Warum? Was tun wir damit? Ich denke da jetzt einfach noch weiter drüber nach. Und ihr müsst mitdenken, weil ich meine jeweiligen Fortschritte sicher immer wieder aufschreiben werde. Vor allem jetzt in der staden Zeit. Aber für wen ist die eigentlich stad? Auch diese Pause wird von den Wenigsten genutzt.

Tatort: Tatort

Eine einst schwurbelige Mittelklassesendung ist zum neuen Star am TV-Horizont aufgestiegen. Der Tatort. Die allerlängste Zeit meines Lebens habe ich mich keinen Deut darum geschert, ob es ihn gibt oder nicht. Und ich muss nun feststellen: fernsehtechnisch war es sicherlich die bessere Zeit meines Lebens. Dann begann der Hype auch mich zu umgarnen und letztlich zu fesseln. Begleitmedien wie Twitter und Facebookgruppen, auf denen das Geschehen, die Glaubwürdigkeit oder die Realitätsnähe der Polizeiarbeit kommentierten, wurden ganz im Sinne des nicht-linearen Fernsehkonsums ins Leben gerufen und ich frage mich, wie einer die komplexen Handlungsstränge noch verstehen kann, wenn er nebenbei auch noch seine Meinung zum Aussehen der Leiche auf dem Telefon oder Computer abgibt. Was ich mich auch frage ist, ob diese nun schon recht lange andauernde neue Berühmtheit dann letztlich auch dazu geführt hat, dass der Großteil der deutschen Bevölkerung mit einem mulmigen Gefühl in die neue Woche startet.

Sowieso werden Familienverbünde am Sonntagabend regelmäßig auf eine harte Harmonieprobe gestellt: auf der einen Seite die Männer, die natürlich niemals zugeben können und möchten, dass sie seit einigen Jahren nicht mehr unbeschwert mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren können, seit im Sonntagabend-Tatort gezeigt wurde, was passieren kann, wenn man dort mal schief schaut, weil eine ältere Dame von Jugendlichen angepöbelt wird (man kann von diesen Jugendlichen nach dem Aussteigen verfolgt und niedergeschlagen und in der Folge totgetrampelt werden – just for fun, versteht sich) oder ob es wirklich so eine gute Idee ist, sich auf einer Fremdgehplattform anzumelden (NEIN! Natürlich nicht. Tatortunabhängig. Logisch!). Auf der anderen Seite die Frauen, die längst erkannt haben, dass sie die Woche mit einem solchen Übermaß an selektiver Realität kaum bewältigen können und sich noch einmal eine Portion heile Welt aus Cornwall, Schweden oder den USA auf dem Gegenprogramm holen möchten.

Wie so oft kann ich mich da nur auf die Seite der Frauen werfen. Es mag witzige Tatort-Folgen geben, aber grundsätzlich kann mir keiner erzählen, dass es ihm am Sonntag um 21.45 Uhr besser als vorher geht und er mit Schwung und Optimismus sein Wochenende beendet und in die neue Woche startet. Das mit Sicherheit nicht. Gerade die letzte Folge hat mich nachgerade empört. Mein Mann, der nicht immer über das Programm bestimmen möchte, weil er ein aufgeklärter und friedliebender Gatte ist, teilte mir mit, dass dieser spezielle Tatort ganz besonders skurril und toll sein soll, zumindest wenn man den Medien glauben dürfe. Und was war? Depressionen, Selbstmord, alles anschaulich dargestellt und fast schon zum Nachmachen einladend nachvollziehbar. Gut gespielt, realistischer Plot, aber warum das alles vor dem Start in eine neue Woche? Ich verstehe sowas nicht und werde mich wieder den ausländischen Romantikerinnen zuwenden. Ich bin dann montags einfach ein netterer Mensch. Und davon können auch wiederum viele profitieren.

Impact Investing

Das Gehirn hat eine vorherrschende Arbeitsweise: Es versucht neue Anforderungen und Aufgaben so schnell wie möglich als Routinen und Standardprozesse zu definieren, weil alles, was standardisiert ist, weniger Energie kostet und somit Ressourcen geschont werden. Was dann allerdings mit all den geschonten Ressourcen geschieht, nutzt man sie nicht für irgendetwas anderes und studiert zum Beispiel in seiner Freizeit Philosophie oder trainiert zumindest mit fünf Orangenn das Jonglieren, wissen wir leider auch ganz genau. Die solchermaßen geschonten und nicht genutzten Ressourcen verkümmern, schauen sich noch einmal traurig um und ziehen dann leise die Türe hinter sich zu, um erst mal zu verschwinden. Bestes Beispiel sind unsere Muskeln. Wer schon einmal etwas gebrochen hatte, weiß, dass sich die Muskeln innerhalb weniger Tage zurückbilden. Zumindest können sie relativ schnell wieder aufgebaut werden. Bei vielen Teilen des Gehirns geht das zum Glück auch, wie ich jüngst erfahren durfte. Denn mein Hirn hatte in der letzten Woche wahrlich viel Möglichkeit, die Muskeln spielen zu lassen. Ich habe es sozusagen vertikal und horizontal gefordert.

Vertikal durch das Zusammentreffen mit Menschen aus völlig anderen Lebensbereichen. Die von ganz anderen Dingen umgetrieben oder eben auch nicht werden als ich. Die auf gänzlich anderes Wert legen und das, was ich ziemlich wichtig finde, total ignorieren. Die für eine dreitägige Reise genau ein Polohemd, ein Sweatshirt und eine Hose mitnehmen und das natürlich dann auch beim Wandern, beim Abendessen und in der Stadt tragen. Ich hätte schon Angst, dass mir das Frühstücksbrot mit der falschen Seite runter fällt (übrigens ist das nicht persönliches Pech, wenn das passiert, sondern reine Physik, weil die Seite mit der Butter und der Marmelade die schwerere ist, hab mich da mal informiert, weil es über Kassenschlangen, die immer bei mir am längsten sind, nichts Brauchbares gab). Die sich dafür stundenlang über Hamburger Ortsteile auslassen können. Oder wiederum Menschen wie ich sie im letzten Beitrag beschrieben habe. Die einfach aussteigen und dann aber im Aussteigen genauso weiterleben wie daheim und ihre Partner eben dann mit dem Material vor Ort betrügen, also gänzlich ortsungebunden. Aus sich selbst steigt man eben doch nicht ganz aus. Um es kurz zu machen: Menschen, deren Leben man nicht kennt und die allein schon dadurch neue Aspekte ins Gehirn bringen.

Gestern wiederum war ich beim Abendessen mit einem zauberhaften – nun erwachsenen – Mädchen, die mich schon vor zehn Jahren sehr beeindruckt hat, weil sie bereits damals recht klar wusste, was sie einmal tun möchte und ziemlich genau das heute auch tut. Und das nennt sich „Impact Investing“. Dabei geht es darum, Geld in Einrichtungen oder Unternehmen zu stecken, die nicht nur einen finanziellen Output bringen, sondern auch einen sozialen oder ökologischen. Unternehmen, die sich vereinfacht gesagt, um die Verbesserung der Welt kümmern. Wie auch immer die aussehen soll. Das sind erst mal ganz wunderbare Ideen und ich glaube, dass es diese zu jeder Zeit der Weltgeschichte schon gab. Das Mittelalter hat vermutlich neben vielen grausamen auch prozentual gesehen mindestens genauso viele geniale Philantrophen hervorgebracht wie unsere heutige Zeit. Leider krankte die Idee damals wie heute immer schon am Phänomen der Maslowschen Bedürfnispyramide und der Tatsache, dass 99% aller Menschen sich noch mit der ersten oder zweiten Ebene derselben herumschlagen und es ihnen relativ wurscht ist, ob die Pole schmelzen, Tiere leiden oder Wasser knapp wird. Sie wollen eine trockene Wohnung, jeden Tag Fleisch essen und einen Flachbildfernseher. Schöner ist es allerdings – unabhängig davon, ob man all das hat -, sich mit den beflügelnden Persepktiven des Machbaren zu befassen und damit vielleicht sogar selbst den Weg zu einem höher entwickelten Dasein zu beschreiten. Hinauf sozusagen. Dabei hilft satt sein. Zu satt allerdins nicht. Das hemmt dann eher.

Akzeptanz

Nun hat also ein „Sänger“ den Literaturnobelpreis gewonnen. Aufgeschlossene Geister, deren vordergründigste Eigenschaft darin besteht, ihre Aufgeschlossenheit dadurch zu demonstrieren, dass sie alles Ungewöhnliche, Paradoxe toll finden, finden natürlich auch das tippitoppi. Weil es so ein großartiges „Um-die-Ecke-Denken“ zeigt, beweist, dass die Jurymitglieder nicht auf das, für das sie eingesetzt worden sind, festgelegt sind, sondern auch Querdenker und furchtbar unabhängig und mutig sind. Das ist doch schön. So wie es uns auch freut und erheitert, wenn jemand ein Gänseblümchen statt einer Nelke im Knopfloch hat oder fransig geschnittene Haare oder eine eckige Brille. Das zeugt von Individualität und Flippigkeit. Der weiß, wo er steht, der traut sich was, denken dann die Leute. Hoffentlich. Sagen wir mal: im besten Fall! Sonst denken sie sich eher: wird’s schon nötig haben…..Bob Dylan hat es offenbar nicht nötig. Er reagiert einfach gar nicht auf die herablassenden oder speichelleckenden (je nachdem, wie man diese Preisverleihung betrachtet) Kontaktversuche der ehrwürdigen Akademie.

Gestern habe ich eine liebe Freundin von der Uni getroffen. Sie sieht sich Zeit ihres Lebens immer wieder mit dem Vorwurf der Dominanz konfrontiert. Egal, was sie tut, sie wird als einschüchternd und dominant erlebt. Auch wenn sie schweigt. Oder Angst hat. Oder weint. Immer. Jahrelang hat sie versucht, allen Menschen zu erklären, dass sie es nicht ist, hat erklärt, beschwichtigt und sich durchaus auch mal kleiner gemacht als sie ist. Das ist verständlich, aber ist es auch notwendig? Der richtige Weg? Nur, um in der Masse bestehen zu können und von der Masse akzeptiert zu werden? Der Wunsch, akzeptiert und gemocht zu werden, ist den meisten Menschen inne und das ist auch ein schöner und nachvollziehbarer Wunsch. Aber darf er soweit gehen, dass grundsätzliche Charaktereigenschaften deshalb verleugnet werden? Eigenschaften, die ein Mensch vielleicht gerade deswegen hat, um etwas anderes als die ganzen Anderen zu leisten?

Das sind philosophische Fragen, mit denen sich Pubertierende, Künstler und Genies aller Art rumschlagen müssen. Oder eben Menschen, die eine Eigenschaft mehr haben, als man sie von ihnen erwartet. Nicht alle, aber zumindest Einige von ihnen kommen zu der Art von Selbstliebe und Selbstbewusstsein, zwischen Charakter und Überanpassung unterscheiden zu können. Sie leben dann wie wunderschöne große Bäume unter von Büschen oder harmonisch inmitten eines Waldes von ebenfalls wunderschönen anderen Bäumen. Hervorzuheben, dass Bob Dylan, nur weil er singen kann, auch noch gute Texte schreibt, bedeutet, dass man es ihm schlichtweg nicht zugetraut hätte. Und das ist eine Unverschämtheit, auf die ich auch nicht reagiert hätte.

Schicksal

Et kütt, wie et kütt, es kommt, wie es kommt. So sagt der gepflegte Kölner angesichts des Unabwendbaren, des Schicksals. Hab ich heute auch erfahren dürfen. Ursprünglich wollten wir – sozusagen traditionsgemäß – zu Mittag ans Meer fahren, denn es ist der September vorbei und das war ja der potenzielle Wendepunkt im Pasquale-Krimi in Ostia. Aber vielleicht wollten wir es unterschwellig nicht wissen und weiterhin in seliger Ungewissheit bleiben oder hatten keine Lust auf die längere Autofahrt (die uns im Sommer gar nichts ausmacht, wenn wir sie Tag für Tag machen). An sich – so waren wir uns einig – wollten wir einfach nicht so viel essen. Und schon gar nicht trinken. Vernünftig sein. Wir kennen uns nach so vielen Jahren nämlich recht gut und wissen, dass es niemals bei ein paar Gamberi mit Salat bleibt….Oder gar bei einer halben Flasche Wein. Also: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.

Hochzufrieden mit unserer Selbstdisziplin haben wir den weiteren Tagesverlauf geplant. Und sind schließlich in unseren Lieblingspark gefahren, um dort auch nach Kastanien zu schauen und vor allem, um uns die Beine zu vertreten, denn das coole Vespafahren von Geschäft zu Geschäft so wie gestern hat den Nachteil, dass überhaupt keine Schritte zustande kommen und das macht mich dann wiederum fuchsig. Rom schneidet eh am schlechtesten ab in der Schrittebilanz. In der Villa war es furchtbar schwül und dampfig und fast war ich auf dem Weg, etwas grantig zu werden….Bis wir an meinem Lieblingsbrunnen vorbei gelaufen sind und auf einmal „o sole mio“ durch’s Grün geschmettert wurde. Auf einer Bank, vor einem Baum saß ein Herr und lauschte – wie mein listiger Mann sofort entdeckte – der Musik aus den Lautsprechern aus dem Baum vor ihm. Herrlich war das. Vorbei war aller Grant. Auf dem weiteren Weg haben wir noch unfassbar kräftige Gänse und Enten getroffen, an St. Martin und Weihnachten gedacht und sind – angesichts dieser künftigen Gelage – weiterhin kräftig ausgeschritten. Mit dem Erfolg, dass ich wahnsinnig Hunger bekommen habe. Mein Vorschlag, in Trastevere einen kleinen Mittagshappen zu uns zu nehmen, wurde gerne und sofort aufgenommen. Da nahm das Schicksal dann seinen Lauf.

Gesagt, getan. Heim, umgezogen, auf die Vespa gestiegen, losgefahren. Claudio, der nette Kellner hat sich gefreut, wir uns auch. Und dann sind die Dinge ein wenig aus dem Ruder gelaufen. Erstaunt und sichtlich verblüfft hat er versucht, unsere Bestellungen in sein neumodisches Gerät zu tippen. Ist ihm fast nicht gelungen. Das Ende vom Lied war, dass wir mindestens genauso viel gegessen haben wie am Meer, nur halt in anderer Umgebung und näher. Manche Dinge sind einfach nicht aufzuhalten. Sie sind Schicksal. Man kann sich ihnen einfach nicht in den Weg stellen. Sollte man auch nicht. Wäre nutzlos.