Alte Griechen, rotzige Eichhörnchen

So! Kennt jemand die Kitkat-Werbung mit den Pandabären? Die, bei der ein Fotograf einen ganzen Tag lang vor einem Pandagehege auf der Lauer liegt, um die blöden Bären zu filmen? Und als er sich dann einmal erschöpft umdreht, fahren sie hinter seinem Rücken auf Rollschuhen hin und her und machen Kunststücke. Und ganz genau so ist es mir heute gegangen. Nur mit einem oder zwei Eichhörnchen. Schon den ganzen Morgen, als mir der Sinn wahrlich noch nicht nach Akrobatik gestanden ist, haben ein oder zwei Eichkater die Bäume unsicher gemacht. Sind aufreizend langsam Äste auf- und abgewandert und haben lange und possierlich an gut einsehbaren Orten verweilt. Da ich den gesamten Winter mit dem Teleobjektiv neben mir am Schreibtisch verbracht hatte, nur um eine gute Serie zu machen, dachte ich, hat ja ja eh keinen Sinn, denn bis ich die Kamera schussbereit hab, sind die Biester längst wieder in ihren Astlöchern. Ich habe sozusagen völlig losgelassen und auch die kleinen Gedanken in meinem Hinterkopf verbannt, dass nun einer der letzten Tage sei, an denen solche Aufnahmen noch möglich sein dürften. Man kann den Blättern vor dem Balkon nämlich beim Wachsen zuschauen und damit sind dann auch die Eichhörnchen für eine lange Zeit wieder unsichtbar. Aber egal, ich war gelassen.

Beim Mittagessen – zum ersten Mal draußen übrigens – ist ein anderer (laut meinem Mann) Eichkater hin- und hergerast. Ich war immer noch ganz cool und habe ihm meine Überzeugung diesbezüglich erläutert. Dann hab ich mich an meine Lieblingsfilme auf ARTE erinnert, wo Naturforscher stundenlang ein Mauseloch bewachen und gleich darauf bekam ich wunderschöne Storchenaufnahmen von meiner Mutter geschickt. Also gut, also gut, hab ich mir gedacht, dann hol ich jetzt den Foto, schraub das Tele drauf und lege mich auf die Lauer. Und was soll ich sagen? Alle Eichhörnchen wie vom Erdboden verschluckt. In der Zwischenzeit hab ich in der Sonne gelegen, gelesen, ein Schläfchen gemacht, gebügelt, einen Film gesehen und was man halt an einem Sonntag so macht. Kein Eichhörnchen. Ich könnte schwören, dass wenn ich meine Ausrüstung rein bringe, die Eichhörnchen aufatmend all die Kunststücke turnen, die sie sich in den vergangenen Stunden in ihren doofen Höhlen ausgedacht haben. Wenigstens bleibt mir die Schadenfreude, dass es da drin recht warm und stickig gewesen sein muss.

Welche Wahnsinnsnaturgesetze sind es, die sowas geschehen lassen? Die Busse länger aufhalten, wenn man auf sie wartet? Die Ampeln, die immer rot sind, auf grüne Welle schalten, wenn man sich einmal den Lippenstift nachlegen möchte? Die Kassenschlangen, die kürzer sind als alle anderen, mit dem einzigen Kunden versehen, der zuerst bar zahlen möchte, dann das Geld nicht hat, dann mit EC-Karte und dann seine Geheimzahl nicht kennt? Oder mit einem, der eine Flüssigzitrone ohne Etikett nimmt? Liegt das wirklich an der eigenen Wahrnehmung? Oder doch an den bösartigen Eichhörnchen? Es geschieht ja recht häufig, dass verschiedene Menschen dieselbe Situation völlig unterschiedlich erleben und dieses Phänomen hat schon der griechische Philosoph Epiktet benannt: Es sind nicht die Dinge an sich, die uns beunruhigen, sondern unsere Sicht der Dinge, bzw. wie wir sie bewerten. In dieser ganz speziellen Situation fällt es mir sehr schwer, das Verhalten der Eichhörnchen anders zu betrachten als als das, was es letztlich ist: eine bodenlose Frechheit!

NACHTRAG: Das war der 600. Beitrag!!!

Dazwischen leben

Nach solchen Highlights wie einer ganzen Geburtstagswoche, die – ich muss es zugeben – fast schon royale Züge angenommen hat, könnte man ja durchaus in ein Loch fallen. Tut man aber nicht. Weil man schlau ist und sich gleich weitere schöne Dinge vornimmt oder sie zumindest plant. Nach Paris fahren zum Beispiel. Oder den nächsten Fünfziger am drauffolgenden Wochenende feiern oder weitere Geburtstage in der Familie begehen. Schönes vorzuhaben ist etwas ganz Wichtiges finde ich und bei mir stellt sich das – wie bei anderen vielleicht auch – relativ leicht dar, denn an sich muss es nichts Großes sein. Mit einer Freundin Cappuccino trinken reicht schon. Bei mir kommt – betrachtet man es positiv – auch noch hinzu, dass ich meinen Mann immer nur am Wochenende sehe und es damit einfach ist, etwas Schönes vor sich zu haben. Die wahre Kunst besteht darin, auch dazwischen zu leben. Klar, leben tut man schon, aber auch mit der Intensität? Mit der Freude? Dem Elan? Was macht das Leben aus? Die Spannung, das Neue, die Aufregung? Das Warten auf was Schönes? Braucht es (das Leben) – wie das Gehirn – auch Phasen, all das zu verarbeiten und mal ruhig vor sich hin zu sortieren? Kommen die automatisch? Sollte man also Gas geben, solange es geht? Oder ist das typabhängig? Von allem ein bisschen vermutlich.

Was passiert, wenn man immer aufregende neue Dinge tut? Nie Routine hat? Oder im Gegenteil gar keine neuen Dinge erlebt, nicht unter Menschen ist und ein einziges tägliches Einerlei hat? Beides ist vermutlich fatal und wie bei allem macht der Wechsel die Mischung aus. Wie ein Intervalltraining im Wald. Hundert Meter rennen, fünf Minuten gehen, hundert Meter hüpfen, wieder gehen. Menschen, die immer unterwegs sind, nie dasselbe tun, müssen doch wahnsinnig müde werden. Sie kommen glaube ich in so einen unwirklichen Zustand, der sie nur noch auf Sparflamme atmen und leben lässt und sie überhaupt nicht mehr runter- und bei sich ankommen. Oder ist das dann ihre Routine? Sind sie dran gewöhnt? Ein Freund von uns tut sich wahnsinnig schwer damit, mehr als vier wache Stunden zuhause zu sein, ohne etwas vorzuhaben oder essen zu gehen. Ich würde da verrückt werden. Mein Leben unter der Woche ist so dermaßen ruhig und voller Routine, dass es zum Piepen ist. Ich könnte das gar nicht aushalten, wenn ich jeden Tag irgendwas Neues zu tun hätte. Meine nettesten Tage sind die, bei denen der Gang zur Schneiderin das Highlight ist und ich ansonsten vor mich hintippe. Manchmal nehme ich mir dann noch vor, abends aus zu gehen und verwerfe es dann schaudernd wieder, worüber ich mich wahnsinnig freuen kann, weil es ist, als würde man bei P&C was kaufen und es dann wieder zurück bringen. Das ist wie gespart oder verdient oder Schlimmes abgewendet. Eigenartig unser kleines faules Gehirn oder? Will alles so rasch wie möglich standardisieren und einordnen. Damit es weniger Arbeit mit uns hat.

Wahrscheinlich ist es wohl wichtig, beide Phasen zu genießen und sie auch bewusst suchen. Gerade bei so überaus besonderen Gelegenheiten wie einer Feier kann man sehen, wie viel Energie da rumhüpft und wie sehr sie die Menschen aufladen kann. Wie sie auftauen und sich freuen und Teile von sich entdecken, von denen sie selbst nicht mehr wussten, dass sie da sind. Und dann ist es wieder traumhaft, einen Tag auf dem Sofa zu verbringen und gar nicht raus zu gehen. Eine liebe Freundin von mir hat sich vor sehr vielen Jahren mal wahnsinnig echauffiert, dass ich in verschiedenen Gruppen verschiedene Menschen bin. Heute weiß ich, dass das völlig normal ist, dass jeder Mensch verschiedene Rollen in verschiedenen Umfeldern einnimmt. Das macht die Vielfalt eines Charakters und eines Wesens aus. Und genauso ist es auch mit dem Leben, glaube ich. Denn eigentlich ist es so wie mein Mann immer wieder sagt, wenn ich mich fürchterlich über etwas aufrege: Alles geht in Wellen, mal hoch, mal runter, ist immer in Bewegung. Das ist Leben. Schön ist das. Und schön ist auch, wenn man so einen klugen Mann hat.

Glück ist ansteckend

Am Samstag habe ich etwas Unglaubliches getan. Ich habe ein Fest gefeiert. Für einen Menschen, der niemandem von seinem Blog erzählt und auch ansonsten recht privat ist, kann das, was andere ganz arg wunderbar finden, schon zu einem riesigen Berg werden. Seit eineinhalb Jahren dräut dieses Ereignis nun schon über mir und ich habe alle, wirklich alle Stadien der Angst, Verleugnung, Panik, Flucht, Nichtwahrhabenwollen, Verdrängen – einfach alle – durchlebt. Ganz, ganz selten war leise Freude dabei und die Idee, dass es doch ganz nett werden könnte. Samstag war es dann eben so weit. Um sieben sollte es losgehen. Als um viertel nach sieben noch nicht alle da waren, war ich überzeugt, keiner würde kommen. Mein Mann meinte, mit den 45 Leuten, die um viertel nach sieben schon da seien, könnte man auch schon ganz ordentlich Party machen. Dabei betonte er die 45 recht dramatisch. Er fand es wohl erstaunlich, dass alle so pünktlich waren. Man wird aber auch nicht so alt, ohne dass ein paar Menschen ein kleines bisschen über einen Bescheid wissen. Und ich bin nun mal pünktlich.

Was nach den ersten Momenten der Panik und den Monaten des Fürchtens geschah, hat alle Erwartungen übertroffen, die ich jemals gehabt hatte. Das heißt, sie wurden alle komplett widerlegt. Es kamen zum Einen ausschließlich Menschen, die mir am Herzen lagen, keine Gegeneinladungen oder Bekannte, die man eben einlädt, sondern wirklich nur solche, mit denen ich feiern wollte. Und wie sie dann noch gefeiert haben und sich gefreut haben und sich an mir und den anderen Gästen gefreut haben, hat alles übertroffen, was man sich vorstellen und wünschen kann. Angefangen von der zauberhaftesten Rede, die eine Ehefrau nach so vielen Jahren von ihrem Mann bekommen kann, über den liebevollsten und treuesten Vortrag meiner drei Studienfreundinnen, meiner Mädels, die mich mit einem wahnsinnig schönen Gemälde überrascht haben und das auch noch so einfühlsam durchdacht und präsentiert haben bis hin zum hinreißendsten Singspiel, von dem ich noch lange träumen werde, war einfach alles perfekt. Angeblich sei auch das Essen großartig und ausreichend gewesen. Ich weiß davon nichts, ich habe keinen Bissen runter bekommen. Der DJ hat genau das gemacht, was ich mir gewünscht hatte und die Nachbarn waren entweder alle taub oder nicht da. Keiner hat sich beschwert. Ich habe mir mit meinen Zehncentimeterschuhen nichts gebrochen und dafür, dass ich den ganzen Abend getanzt habe, war das beachtlich.

Was kann man also aus so einem Abend schließen? Manche Sorgen sind unbegründet? Wenn man so lange nicht feiert, freuen die Leute sich über jedes Fest? Glück ist ansteckend, denn je mehr ich mich gefreut habe, desto mehr haben sich alle anderen auch gefreut? Ich habe für mich daraus geschlossen, dass ich wahnsinnig glücklich bin, mir immer wieder die Tränen hochsteigen und ich wahrlich gesegnet mit so vielen zauberhaften Menschen in meinem Leben bin. Gerade weil ich so oft nicht da bin, das Hundertste absagen muss, mit uns nicht immer gut zu planen ist, schätze ich das umso mehr. Viele haben gesagt, „Du wirst auf den Geschmack kommen, jedes Jahr wirst Du jetzt feiern!“, aber das weiß ich sicher, es wird nicht geschehen. Jetzt erst recht nicht mehr. Das ist nicht zu toppen. Es war perfekt. Ich bin sehr, sehr glücklich. Und auch deshalb, weil jetzt mein wunderbarer Alltag wieder einkehrt.

Banken

Vieles ist in den letzten Jahren über Banken, Banker und ihr ganz spezielles Gebaren geschrieben worden. Zum Glück beschränken sich meine schlechten Erfahrungen – bis auf eine spontane Bankauflösung, bei der dann eine komplette Geldanlage quasi weg war – auf schlichte menschliche Blödheit. So wie heute in der Filiale meines Vertrauens. Und das war so: Um für die Verteilung möglichst passgenauer Trinkgelder gerüstet zu sein, wollte ich mir Geld in passende Tranchen wechseln lassen. Nichts ist peinlicher als jemandem einen Schein hinzuhalten und ihn zu bitten, ihn bitteschön zu wechseln, bevor man ihm einen Teil davon gibt. Zumindest findet ich das nicht nett. Also wollte ich möglichst flexible Scheine haben und bin in meine Filiale geeilt. Diese jammert mir schon seit Längerem vor, dass die Gebühren dringend erhöht werden sollten, weil sie soviel Arbeit hätten und dass sie außerdem kaum noch Heftchen für Kontoauszüge oder Überweisungsformulare haben, weil ich offenbar die letzte Kundin unter neunzig bin, die noch kein Onlinebanking macht und solche Dinge braucht. Unter uns gesagt, wird das auch noch so lange so bleiben, bis man mich dazu zwingt, um genau zu sein.

Ich frage mich schon länger, wozu es überhaupt noch Filialen gibt und was all diese Menschen, die ihren Job ja offenbar nicht gerne machen, dann tun wollen. Und nachdem mein auserkorener Liebling nun aufgrund seiner herausragenden Kompetenz (es war abzusehen und hat sich seit Längerem abgezeichnet) die Filiale gewechselt hat, frage ich mich, wieso derart von sich eingenommene und meist auch inkompetente Menschen für das Geld anderer Menschen zuständig sein dürfen. Gewohnt an den Umgang mit verschüchterten Rentnern, die ihr Passwort vergessen haben und radebrechenden Mitbürgern mit Migrationshintergrund oder Menschen, die auf ihre Sozialbezüge warten und einen Überbrückungskredit zum Einkaufen brauchen, haben die Filialmitarbeiter den normalen Kunden also ein wenig aus den Augen verloren. Die nächste Stufe sind dann erst wieder Menschen, die einen eigenen Immobilienfonds auflegen möchten. Die gehen dann aber wiederum nicht in meine Filiale in der Altstadt. Hm. Aber zurück. Ich wollte vier Scheine in 25 Scheine wechseln. Kein großes Ding. Dort schon. Man bekommt eine mühsam programmierte Karte, die muffelige junge Dame braucht, um sie auszustellen, einen zweiten Fingerabdruck, wird hinausgeschickt an einen Geldautomaten und gebeten, das Geld einzuzahlen. Das hat noch prima geklappt.

Der zweite Schritt hat uns dann das Genick gebrochen. Die Karte musste erneut programmiert werden und zwar mit der Stückelung, die ich mir gewünscht hatte. Inzwischen kamen zwei Mitarbeiter eines Werttransportes mit lautem Getöse und zwei Metallkoffern herein und sind in einem Hinterraum hinter den Geldautomaten verschwunden. Die muffelige junge Dame hat derweil wieder nach einem zweiten Fingerabdruck Ausschau gehalten, die Programmierung dann geschafft und mich an den rechten Geldautomaten geschickt. Dieser hat die Karte sofort wieder ausgespuckt und empört vermeldet, er sei außer Betrieb. Was mich dann allerdings im Gegenzug sehr empört hat. Drinnen hieß es nur lapidar, das sei „höhere Gewalt“ und ich könnte mein Geld jetzt nicht holen, weil die Sicherheitstechniker oder Werttransportmenschen jetzt da seien. Und das finde ich wirklich frech. Wenn man doch schon sieht, wie sie hereinkommen und weiß, was der Kunde möchte, dann gibt man doch wenigstens kurz Bescheid. Denn das Ende vom Lied war, dass ich genau dieselbe Stückelung wie vorher nun eben aus dem linken Automaten gezogen habe und mir die Leier von der höheren Gewalt noch mehrmals anhören sollte. In fünf bis zehn Minuten ginge alles wieder. Ich bin dann lieber in die Zentrale gefahren. Aber dass Filialen sich zunehmend entbehrlich machen, ist für mich inzwischen auch verständlich. Vor allem, wenn dann auch ich mal zum Onlinebanking wechseln werde. Wer soll sie dann noch brauchen? Was sollen sie tun?

Streiks

Wenn ich einmal in unsere Hauptstadt reisen möchte, den Flug schon gebucht habe und auch schon weiß, was ich anziehen möchte, lauert ein Hindernis der ganz anderen Art. Eines, das wir in unserem kleinen Augsburg fast gar nicht kennen. Ein Streik. Und zwar des Bodenpersonals am Flughafen. Für einen Bahnfahrer wie mich ein Schlag ins Gesicht. Ein Streik – ich habe das eben nachgeschaut – ist ein Schlag, ein Streich. In jedem Fall ein Mittel des Arbeitskampfes, um Ziele zu erreichen. Selten geht es dabei um mehr Arbeit für weniger Geld. Fast immer, so scheint es, finden Streiks im öffentlichen Verkehr statt. Oder bemerken wir sie nur dort? Wenn ein paar Autos nicht rechtzeitig zusammengeschraubt werden, ist das sicherlich auch ärgerlich, trifft aber nur die Wenigsten. Wenn Bahnhöfe oder Flughäfen bestreikt werden, ist das was völlig anderes. Das trifft dann viele und die sind sauer. Und wirklich nur die allerwenigsten können und wollen verstehen, warum diese Streiks notwendig sein sollen. Sind die Unternehmen wirklich so verbohrt, raffgierig und kurzsichtig wie es immer heißt? Schütten sie wirklich all ihre Gewinne an die Aktionäre aus? Und überhaupt: an welche Aktionäre? Haben die Berliner Flughäfen Aktionäre? Oder geht es hier darum, dass wir supergünstig fliegen können?

Wie das mit der Günstigfliegerei geht, ist mir sowieso ein völliges Rätsel. Nicht, dass es mich nicht freuen würde, ich profitiere sehr davon und könnte mir mein Leben ansonsten keineswegs in diesem Stile leisten. Früher, zu reinen Lufthansa- oder Alitalia-Zeiten musste man echte Hin- und Rückflüge buchen und die gab’s selten unter fünf, sechshundert Mark. Da war es dann schon sehr ärgerlich, wenn ein Termin verlegt wurde und man schnell zurück nach Deutschland musste. Wer zahlt also für diese Erleichterung? Das Benzin ist nicht billiger geworden, das wissen wir alle, auch wenn wir immer nur für zwanzig Euro tanken. Die Flugzeuge selbst sind es hoffentlich auch nicht. An der Wartung wird hoffentlich ebenfalls nicht gespart und auch an der Ausbildung der Piloten nicht. Hoffe ich mal. Vielleicht sind die Uniformen der armen Stewardessen aus nicht ganz so hautfreundlichem Material. Auch wird sicherlich an Design und Tragekomfort zugunsten von Fleckabweisbarkeit des Stoffes gespart. Wo hat sich dann also dieses riesige Einsparpotenzial aufgetan, von dem wir alle so trefflich profitieren, wenn wir für 19 Euro nach London fliegen? Wo übrigens ein Tagespass für den Bus teurer ist?! Klar, wir buchen inzwischen selbst, drucken unser Ticket selber aus, checken uns ein, zahlen für unser Gepäck und so weiter und so fort.

Aber ist es vielleicht doch auch das Bodenpersonal, an dem gespart wird? Die Flugbegleiter? Immerhin streiken sie ja im flotten Wechsel. Und wenn es nicht die sind, dann sicher die im Gegenzug millionärshaft verdienenden Piloten. Wir bekommen nur die ärgerlichen Auswirkungen mit, das ist klar und leider gibt es auch unter den mir bekannten Flugbegleitern keinen echten Streiknickl, den ich fragen könnte. Dennoch frage ich mich: gibt es nicht auch andere Berufe, wo ein Streik noch gerechter wäre? Krankenpfleger zum Beispiel? Freie Journalisten? Scherz beiseite, ich möchte sicherlich nicht die Arbeit von Krankenpflegern mit der von freien Journalisten vergleichen, aber während Erstere nicht streiken, weil sie wissen, dass dann Menschen sterben, lohnt es sich bei freien Journalisten nicht, weil jeden Morgen Tausende aufstehen, die alles täten, um überhaupt veröffentlicht zu werden. Auch umsonst. Was ich an sich sagen möchte: Klar sind Streiks sauärgerlich und klar soll jeder froh, sein, dass noch keine Maschine seinen Job macht, die Macht liegt jedoch wie immer in der Einigkeit der Betroffenen. Und irgendwo muss bei dieser ganzen Sache doch der Hund begraben sein, oder?

Eine Yacht ist immer länger

Früher habe ich über Menschen wie ich es heute bin, gekichert. Sucht sich jemand wirklich einen Film vorher aus, den er im Fernsehen anschaut? Stimmt es, wenn jemand sagt, er schaut am liebsten „ARTE“ oder inzwischen auch „Servus TV“? Wegen der schönen Tier- und Landschaftsfilme? Oder Dokumentationen? Kann doch gar nicht sein, dachte ich mir. Aber heute gebe ich freimütig zu: Ja, wenn ich schaue, dann gezielt. Und bei der heutigen Recherche, nachdem ich zwei Tage hintereinander aus war und deshalb ein ganz schlechtes Gewissen habe, bin ich auf eine beachtliche Doku gestoßen: „Arme Reiche“. Da ist die Rede von Selbsthilfegruppen für Multimillionäre und der Disziplin „Reichtumsforschung“, die auf wissenschaftliche Erkenntnisse zur Vermögenskultur abzielt. Die Sorgen der Reichen drehen sich – wer hätte es gedacht – ums Geld. Also nicht viel anders als bei Nicht-Reichen. Dabei kann einem die Niedrigsinspolitik genauso zusetzen wie Währungskrisen oder Vermögenssteuern. Ein Elend. Wahrlich.

Habe ich neulich noch gelesen, dass manche Reiche – allerdings in diesem Fall Milliardäre – immer einen vollgetankten Heli mit laufenden Rotorblättern bereit stehen haben, um sich im Fall eines politischen Zusammenbruchs in ihrem Land (Trump!) oder zu vielen Immigranten schnell, schnell an einen anderen sicheren Ort transportieren zu lassen. Klar ist es prima, wenn man derartige Fall-Back-Options hat, aber lebt man damit ruhiger oder eher unruhiger? Kann wirklich so viel passieren? Klar, wenn es denn soweit ist, ärgert man sich, nicht drüber nachgedacht zu haben. Aber immer daran denken? Auch nicht schön. Was noch viel weniger schön sein muss, ist, dass fast immer jemand zehn Zentimeter mehr Yacht hat oder eine Flügellänge voraus im Privatjet ist. Und weil mir das Schicksal hold ist und mir eine Vorabend-Magazinsendung anschaue, weiß ich auch, dass eine wahnsinnig hässliche, ziemlich alte Multimillionärin sich wieder mit ihrem fast schon teeniehaften (sie 76, er 50) Liebhaber ausgesöhnt hat. Kichernd mutmaßte er, er hätte ihr einen 49-Karat-Ring geschenkt, sie wollte wohl aber einen 50-Karäter. Klar, da würde ich meinem Mann auch das Gesicht zerkratzen.

Geht man die Thematik mal streng logisch an, wird schnell klar: Um wirklich richtig (erfolg)reich zu werden, braucht es eine gehörige Prise Narzissmus (hab neulich gelesen, dass überdurchschnittlich viele Narzissten in den Führungsetagen zu finden sind). Der gibt nämlich den nötigen Schwung, all seine Ideen für großartig und umsetzbar zu halten und das ist ja meist schon die halbe Miete (nur bei US-Präsident scheint es dann doch nicht zu genügen). Ärgerlich für Narzissten ist dann nur noch, dass sie auch wahnsinnig schnell gekränkt sind, andere Menschen oftmals für ihre Zwecke ausbeuten und deshalb kein wirklich stabiles Freundessystem aufbauen konnten und wollten. Und dann sind wir ziemlich schnell beim Thema „Arme Reiche“. Ich möchte jetzt nicht den Gänseblümchenspruch „wer Freunde hat, ist reich“ zitieren, aber es ist schon was dran, dass es zum Glück beiträgt, sich über einen der ersten Sonnentage freuen zu können. Und wenn man dann noch jemand hat, mit dem man in der Sonne einen Cappuccino trinken kann, kann der Heli ruhig am Boden bleiben. Auch wenn die Frau am Nebentisch eine echt hübsche Handtasche hatte….

Männer in Filzpantoffeln

Über so vieles im Leben macht man sich Gedanken: Werde ich die Prüfung bestehen? Hab ich noch Butter im Haus? Passt der schwarze Rolli zum silbernen Plisseerock? Über so vieles andere wiederum nicht. Das ist ein Fehler, wie ich spätestens seit einer kürzlichen Veranstaltung weiß. Die Frage der Stunde müsste lauten: dürfen Männer bei einer Einladung im eigenen Haus gemütliche, ausgelatschte Filzpantoffeln tragen? Hm. Wer hätte sich darüber je Gedanken gemacht? Es war nie notwendig und schwupps sind wir bei dem, was mein Orga-Professor an der Uni einen „Hygienefaktor“ genannt hat. Und der hat an sich recht wenig mit Hygiene zu tun. Konkret geht es dabei um die Umstände und Fakten, die nicht positiv auffallen, wenn sie vorhanden sind, weil sie – ähnlich wie saubere Waschräume – als eine Selbstverständlichkeit vorausgesetzt werden. Sind sie jedoch mangelhaft oder liegen gar nicht erst vor, fallen sie umso unangenehmer auf und haben auch Einfluss auf andere, durchaus positive Umstände und Elemente. Sie haben also eine geheime Macht, die erst durch ihre Abwesenheit zum Tragen kommt. Voll fies sowas.

Bei manchen Dingen braucht es aber tatsächlich so einen Hygienefaktor, der dem eigenen Unwohlsein bei bislang unbedachten Sachverhalten so richtig Form und Gestalt gibt. Wenn es bei uns klingelt oder wir Besuch haben, werde ich echt fuchsig, wenn mein Mann keine Schuhe anhat, bei Frauen geht es im Sommer vielleicht noch, wenn sie barfuß sind, aber Männer sollten in meinem Unterbewusstsein wohl doch immer verteidigungs- oder auch angriffsbereit sein. Und das sind sie nun mal nicht in Schluppen. Daher fürchte ich auch nichts mehr als Einladungen, wo ich Schuhe vor der Haustüre (entsetzlich) oder im Flur (grauenvoll) vorfinde und mir liebevoll ein Paar Pantoffeln hingestellt wird. Ich hab mir etwas gedacht, als ich genau diese Schuhe zu meinem Outfit gewählt habe. Es wirkt in Strümpfen einfach nicht. Oder ich bin tollkühn bei Eisregen barfuß in Lackschuhe gehüpft, weil ich ein bisschen Sommergefühl haben wollte und es einfach besser aussieht. Dann wirke ich wie eine hilflose Ente, die sich durch hohes Laub watschelt. Ein einziger Graus. Und kein Parkett der Welt kann dies wert sein finde ich (deshalb sieht meines auch so aus wie es aussieht).

Was ist es, das Schuhe so besonders macht? Die Frage an sich ist für Frauen beinahe unvorstellbar, die meisten würden nur selten auf eine Gelegenheit verzichten, neue, hohe, unbequeme, einzigartige oder seltene Schuhe zu tragen und zu zeigen. Schuhe haben so viele Vorteile. Sie sind nicht weiter nachtragend, auch wenn man zwei Wochen nur von Eis und Pasta und Weißwein gelebt hat, ignorieren, dass die Jeans von H&M und das T-Shirt vom Freund ist, gehen eine Allianz mit der Handtasche ein oder stemmen sich ihr charakterstark entgegen und verleihen der Trägerin Streetstyle-Chic, kurzum: Schuhe sind unverzichtbare Begleiter im Leben. Vielleicht nicht im Haus. Dort kann auf sie verzichtet werden, aber wenn ich drüber nachdenke, auch erst in den letzten Jahren. Meine Mutter oder meinen Vater habe ich selten bis niemals ohne Schuhe gesehen. Wikipedia sagt dazu: „In der Antike war das Tragen von Schuhes das Vorrecht der Herrschenden und damit ein Symbol der Macht, während die Sklaven barfuß gehen mussten.“ Erniedrigt man sich also selbst, wenn man sich anderen barfuß präsentiert? Oder ist es in einem bestimmten gesellschaftlichen Kontext einfach respektlos, in Filzpantoffeln aufzukreuzen? Egal wie, auch hier haben Frauen einfach ein natürliches Gefühl für Anstand und Sitte: sie würden nur unter ganz besonderen Umständen eine Gelegenheit auslassen, ihre Schuhe zu zeigen. Und wir ertragen auch noch mit Gleichmut die ständig wiederkehrenden Fragen, ob wir nicht schon ein paar „schwarze, hohe Schuhe“ hätten…..Ja, so sind wir.

Ein µ voraus?

Für uns Menschen der Moderne, der Gegenwart, die wir Blogs schreiben, lesen, zum Mond fliegen und unseren Müll trennen, die wir die Höhe des Cappuccinoschaums per Smartphone programmieren können und mit unseren Kindern auf Augenhöhe diskutieren, gibt es trotz aller selbstbestimmten Vorteile – bei fast allen gleich – immer mal wieder den Moment völliger Demut. Mussten die Untertanen früher nolens, volens das Knie vor Fürst, König, Diktator beugen – und sei er auch noch so ein garstiger, dicker kleiner Mann – so müssen wir es heute vor den Menschen, die sich ein µ mehr mit der Technik auskennen als wir selbst. Ein µ bezeichnet übrigens ein Millionstel. Abgesehen von ärgerlichen und völlig willkürlichen WLAN-Ausfällen, bei denen sämtliche psychologischen Kenntnisse und Erfahrungen im zuständigen Callcenter benötigt werden, um an den Stereotypen der scheinbaren Kundenfreundlichkeit nicht zu zerschellen und seinen Fall durchzubringen, gibt es auch Zusammentreffen und Kasuistiken im Netz, die es zu bewältigen gilt. Zum Beispiel, wenn sich durch eine neue E-Mail-Adresse im Eingangsbereich Tür und Tor für Potenzmittel, Millionengewinne und unendliche Höhepunkten auf dem heimischen Rechner öffnet.

Schwupps findet man sich morgens beim Löschen von 120 solcher E-Mails wieder und das, obwohl man mit einem Rechner arbeitet, der qua Definition spamfrei sein sollte. Egal. Sich noch darüber aufzuregen wäre energetisch nicht mehr angemessen angesichts des großen Ärgerpotenzials, das die ganze Angelegenheit bietet. Ein Besuch bei Apple ergab, man müsse nur den E-Mail-Account umstellen und dann könnte das Telefon die Änderungen vom Rechner übernehmen und das Löschen hätte ein Ende, da die Einstellungen vom Rechner übernommen würden. Prima. Nach langen Telefonaten mit dem Provider, einem ärgerlichen Gatten und viel weiterer Unbill ging dann irgendwie gar nichts mehr so richtig. Also beherzt zurück zu Apple. Und dort nahm das Schicksal dann endgültig seinen Lauf. Verängstigt an einem Tisch sitzend und auf Peter wartend, fand ich mich neben einer jungen Frau wieder, angesichts deren Problematik meine scheinbar verschwindend gering war (was ich zähneknirschend, aber nicht gerne zugegeben habe). Hatte ich Probleme mit Spams, die sich nicht als solche zeigen wollten und von alleine in ihren Ordner verschwinden wollten, hatte sie das Problem, dass die Technikwelt sie nicht mehr als sie selbst erkennen wollte. Wie in einem dieser schrecklichen Neuzeitkrimis.

Sie hatte das Telefon von ihrem Lebensgefährten bekommen und dann haben sie sich getrennt (wohl nicht sehr freundlich oder gar einvernehmlich) und er hat ihr das Telefon genommen und es seiner neuen Freundin gegeben und nun kommt sie nicht mehr an ihre E-Mails und Telefonnummern dran und auch nicht an ihre Passwörter und kann den Menschen in wiederum einem Callcenter nicht beweisen, dass sie es ist. Sehr unangenehm. Im direkten Vergleich hatte sie tatsächlich gewonnen. Peter, der zwischen uns wie ein beschwichtigender Vater hin- und herpendelte, erlitt angesichts der zu bewältigenden Probleme einen soliden Moment des Größenwahns und drückte selbstherrlich viele Tasten an meinem Account, unter anderem auch die zum Löschen von zwei Accounts, die inaktiv waren (was ich wahnsinnig übergriffig fand, aber nicht mehr in der Lage, es zu stoppen). Kurz und gut – kein Mensch möchte von solchen Dingen auch noch zu lange in einem Blog lesen, wenn er sie mal gerade nicht selbst erlebt – das Problem war schlimmer als zuvor und ich sah keine andere Möglichkeit, als meine Mutter per WhatsApp zu bitten, mich sofort anzurufen, damit ich irgendwie heil wieder aus dieser Abhängigkeitshölle entfliehen konnte. Fühle mich, als hätte ein durch mein Dorf mäandernder Feldherr mir meine Lieblingsziege gestohlen.

Nachtrag: Es ist mir jetzt gelungen, den Ursprungszustand durch Zufall halbwegs wieder herzustellen, allerdings habe ich alle Demut aufgebraucht und werde in nächster Zeit unbarmherzig und gar nicht nachsichtig sein. Dies nur zur freundlichen Information.

Zeit ist der Steigbügel der Wahrheit

Das habe ich heute morgen in der „Bunte“ gelesen. Wie schön, wenn ein Geschenk einem selbst zum Geschenk wird. Weil ich meiner Mama ein Abo geschenkt habe und sie das Heft, in Windeseile gelesen, an mich weiterreicht, weiß nun auch ich – zeitnah und unabhängig von Arzt-, oder Friseurbesuchen -, was in der Welt so vor sich geht. Und das ist eine Menge. Mann, Mann, Mann. Die arme Dschungellästerin und Tierfreundin Sonja wurde beispielsweise Opfer übler Machenschaften als sie ihre bunten Flattertuniken auch anderen zum Kauf bereit stellen wollte, was prinzipiell eine schöne Idee ist. Wäre da nicht ihr energisches Engagement für den Tierschutz, das mich sehr beeindruckt, könnte in einem kleinen hinteren Gehirnwinkel die Idee aufkeimen, dass sie fairerweise „auch mal was abbekommt“. Sicher, sicher, es ist ihre Aufgabe, in dieser Sendung gnadenlos und zynisch zu lästern, aber so manches Mal schaudert es einen schon, wenn die schneidenden und scheinbar herzlosen Kommentare über die entblößten Dschungelinsassen gesprochen werden. Jedes Publikum bekommt die Sendungen, die es verdient? Jedes Land die Regierung, die es verdient? Stimmt das so? Kommt es zeitversetzt? Ist das wahr?

Der Spruch lässt mich nicht los. Er ist so blumig, dass er haften bleibt. Meine Mutter sagt oft, die Wahrheit ist im letzten Töpfchen. Kommt sie wirklich immer ans Licht? Wohl nicht, sonst gäbe es nicht so viele ungeklärte Morde. Oder so viele unrechtmäßige Vermögen, die nicht zurückgegeben werden müssen, oder? Kann man sich wirklich darauf verlassen, dass am Ende alles rauskommt? Ich kenne eine Familie, die ihren Schmuck während des Krieges so gut vergraben hat, weil der Vater in Sorge war, dass er doch noch geklaut würde, dass die jetzigen Bewohner des Hauses (sie können es ja nie verkaufen!!) in jedem Frühling beim Tulpenzwiebelnsetzen feuchte Hände vor Aufregung haben, ob sie vielleicht dieses Mal auf die Juwelen stoßen? Und was ist eigentlich die Wahrheit? Hat nicht jeder seine eigene Wahrheit? Gibt es eine universelle Wahrheit? Ist Wahrheit das, was jemand denkt und fühlt? Und dann auch so sagt? Oder das, was faktisch messbar ist? Aber ist wirklich alles messbar? Was ist es? Zu einer Auseinandersetzung kommt es meistens dann, wenn zwei Menschen unterschiedliche Wahrheiten in sich haben und diese vertreten. Was um Himmels Willen ist Wahrheit? Hat da schon mal jemand drüber nachgedacht?

In den USA, die momentan auf dem allerbesten Weg sind, sich zum Parallelprogramm von RTL II zu entwickeln und bald sämtliche Quoten von Frauentausch und Dschungelcamp übertreffen werden, wurde jüngst der brillante Begriff der „Alternativen Fakten“ geprägt. Einer meiner Lieblingssprüche lautet: „Alles, was man sagt, muss wahr sein, man muss aber nicht alles sagen, was wahr ist.“ Oder wie unsere Omas uns lehrten: „Wenn Du nichts Nettes, Freundliches sagen kannst, sag lieber gar nichts.“ Bedeutet das mit dem Steigbügel und der Zeit also, dass selbst, wenn jemand etwas nicht Nettes zu sagen hätte, er nur warten muss und es kommt von alleine raus? Das erfordert aber schon viel Vertrauen in das Leben und die Zukunft, mein lieber Herr Gesangsverein! In der momentanen Weltpolitik kann das auch mal garstig enden. In meiner eigenen Weltpolitik fahre ich hingegen mit ebendieser Einstellung nicht schlecht. Wenn ich richtig gut drauf bin, betrachte ich mir die alternativen Wahrheiten um mich herum wie ein Bühnenstück und freue mich auf die Auflösung. Das Happy End. Denn wie sagt so schön ein anderes Sprichwort: Everything will be fine at the end. And if it’s not fine, it’s not the end. So einfach ist das nämlich. Drücken wir uns alle die Daumen.

Die Nachweihnachtszeit

Warum wird eigentlich der Vorweihnachtszeit so eine große Rolle eingeräumt und der weit längeren und schwerer zu ertragenden Nachweihnachtszeit überhaupt keine Aufmerksamkeit geschenkt? Das möchte ich doch wirklich gerne wissen. Vorher ist alles eiteitei und hell und glitzernd und keiner denkt an das Danach. Wenn Champagnerkorken müde in Schneematschpfützen dümpeln, einst heiß geliebte und geschmückte Christbäume achtlos und kahl bei den Mülltonnen auf ihre letzte Verwendung warten und allerorten Babyhunde ausgeführt werden und sich langsam aber sicher die Gewissheit einschleicht, dass die Arbeit doch an den Eltern, respektive der Mutter hängen bleibt und die schriftlichen Versprechungen des Nachwuchses sich einmal wieder als manipulative Makulatur erweisen. Zynisch oder resigniert könnte man in diesen Nachweihnachtswochen werden. Griesgrämig und bar jeder Hoffnung auf hellere, lichtere Tage.

Zum Beispiel müsste jeder außer mir superfroh sein, dass 2016 vorbei ist. Es galt als allgemeines Schreckensjahr und man war froh, ihm den Rücken zuwenden zu können. Schon alleine deshalb sollte das große Jubeln noch anhalten. Dann kommt hinzu, dass in ein paar wenigen Monaten (vielleicht vier oder fünf höchstens) der Frühling Einzug halten wird und wir uns auf sicherlich einen Sommertag freuen dürfen. Außerdem schneit es endlich und wenngleich die sanfte weiße Decke in den Straßen rasend schnell grau und tiefpfützig wird, ist es doch immer wieder zauberhaft, dem Treiben der Flocken zuzusehen. Meine geliebten Eichhörnchen rasen durch die kahlen Bäume und ab und zu landet eine empörte Meise auf meiner Balkonbrüstung, um in meinem Besen nach Baumaterial zu suchen. Dennoch scheint der Januar eher eine Zeit, die es durchzustehen gilt. In der die erlebte Freude wehmütig nachwabert und die künftige noch in weiter Ferne ist. Ich finde, man muss schon froh sein, wenn man nicht in dieser Zeit Geburtstag hat.

Persönlich komme ich mit ihr ziemlich gut zurecht, weil ich nach langer, langer Fesselung an den Schreibtisch mein Näslein wieder in die Luft hängen kann, einen Blog schreiben und die Bereisung meiner schwer (von mir) vernachlässigten Wohnsitze planen kann. Und wenn man so lange weg war und nicht viel anderes getan hat, als in den Rechner zu starren, ist das ein großes Geschenk. Persönlich könnte ich es kaum netter haben und vermutlich bin ich gerade deshalb so mitfühlend mit all Denjenigen, die den Jahresbeginnblues haben. Als Tipp kann ich nur sagen: Planung ist alles. Einfach für jede Woche etwas Schönes planen, ein Abendessen, Kino, einen Ausflug und schon kann man sich wie eben meine lieben Eichhörnchen von Ast zu Ast, von Nusshöhle zu Nusshöhle hangeln und wusch ist Frühjahr oder Fasching, wenn man das mag oder irgendwas anderes Tolles, auf das sich alle drumherum auch freuen. Denn an sich ist das ja das wirklich Besondere an Weihnachten und macht es so viel mehr besonders als Geburtstage: alle freuen sich und stecken einander mit der Freude an. Wenn also nur einer sich jetzt so richtig, sagen wir mal, auf’s Kino freut, dann trägt er das weiter und weiter und das ganze Grau wird langsam wieder farbig.