Signora Sandra

Es gibt untrügliche Anzeichen für das Älterwerden. Damit meine ich keineswegs nur die Tatsache, dass ein mickriges Grissini zwar in einer Sekunde eingesaugt werden kann, sich dann aber hartnäckig einer Stunde Power-Yoga widersetzt. Oder dass man beim Rockkauf fragt, ob die Länge mit den Knien noch geht. Oder dass man eine diane-keaton-artige Vorliebe für Rollkragenpullover entwickelt. Und so könnte ich die Liste noch recht lange fortsetzen. Das untrüglichste Zeichen findet jedoch in meinem Stammrestaurant um’s Eck statt. Der Hauptkellner dort, Mario, grüßt mich ehrfürchtig und respektvoll immer mit „Buongiorno Signora Sandra!“. Kein „Ciao Bella“, kein „Buongiorno Sandra“, sondern ein sehr gesetztes Frau Sandra bekomme ich zu hören.

Ich muss zugeben, es gefällt mir schon. Ich fühle mich ein bisschen patengleich. Zurecht, schleppe ich doch aus reiner Bequemlichkeit und Treue – trotz der latenten Launenhaftigkeit des Chefs – unverzagt Gast um Gast an. Auch die, die sich geschworen haben, nie mehr zu kommen (weil die Launenhaftigkeit nicht nur mir auffällt). Vielleicht gefällt dem lieben Mario aber einfach, dass ich esse wie ein Matrose auf Landgang und das fällt bei so manchem Pranzo mit schmalen Blondinen einfach auf. Neulich haben sich zwei Freundinnen von mir eine Portion Nudeln auf zwei Tellern servieren lassen. Was sagt man dazu?

Alles in allem genieße ich meine neue Komfortsituation sehr. Denn eine Signora werde ich immer bleiben, da kommen keine bösen Überraschungen mehr auf mich zu. Und in Italien gilt es als große Anerkennung, wenn man sich „da Signora“ kleidet und benimmt. Auf der Straße auf den Ehemann eintoben zählt übrigens nicht zum signora-mäßigen Benehmen, wie mir mein Mann neulich in der Stille des Autos mitteilte. Ich hatte mich etwas erhitzt, weil er mich wegen des Parkens vor einer Einfahrt angefahren hatte. Ich finde, eine Signora darf ruhig auch ein wenig Temperament haben. Appetit sowieso.

7 thoughts on “Signora Sandra

  1. Das hört sich doch alles sehr schön an. Die Italiener wissen eben, wie es geht. Ich stelle fest, dass man irgendwie durchsichtig wird. Nur noch die Herren, die schon hart am Pensionsalter sind, bemühen sich ab und an, einem noch eine gewisse Aufmerksamkeit zu schenken und natürlich mein lieber Mann, dem egal ist, welche Länge mein Rock hat, Hauptsache nackerte Beine. Ich glaube, meine Besenreisser sieht er gar nicht. Das wird wohl Liebe sein. Gott sei Dank bleibt das Temperament erhalten. Nicht, dass alle meinen, wenn man mit seiner Mangelwäsche nach Hause kommt, man sei alt geworden.

  2. Eine Portion Pasta auf zwei Tellern da komm ich nicht drüber weg. Wenn ich daran denke wie groß meine Portion war die mir eine Liebe Freundin neulich zubereitet hat. Wahnsinn !

  3. Bei diesem ansonsten sehr netten Italiener werde ich seit Menschengedenken als „Mama“ bezeichnet. Und das auch nur weil ich die Mama von der reiferen Signora Sandra bin. Immer wieder stoße ich mit meinem Namen bei der Tischbestellung auf völliges Unverständnis, nach einer langatmigen Erklärung meinerseits kommt dann der erfreute Aufschrei “ ahh la Mama “ und schwups habe ich den besten Tisch. Aber man möchte halt nicht immer la Mama sein, sondern auch mal der männermordende Vamp, insbesondre wenn man mit dem neuen, jüngeren Mann an der Seite auftritt. Dieser könnte ja alles falsch verstehen. Aber diese Hürde haben wir erfolgreich umgangen dadurch dass ich mich nicht immer mütterlich benehme.
    Aber es ist egal, auch in Rom, egal wo ich hintrete, ahhhh la Mama. Naja, mit über siebzig ist man auch sonst nichts mehr. Man sagt ja, Frauen ab 50 sind unsichtbar. Stimmt leider. Werde mir jetzt noch diese megasinnvollen Kleiderschürzen von der Dult besorgen, die passenden Sandalen dazu. Fertig ist die Mama.

    • Mein Taxifahrer hat gerade zu mir gesagt, er würde mich jetzt einfach duzen, denn wir seien ja quasi gleich alt. Das Kind war Mitte Dreißig. Und das bei einem Fixpreis. Und ich war immer noch bleich von der Fahrt zum Flughafen, als ich zum ersten Mal in meinem Leben fast den Flieger verpasst hätte. Bin ex ante mit allem versöhnt. Auch damit, dass die Opern in Caracalla ohne Orchester aufgeführt werden (wahrscheinlich), weil Streik ist.

  4. Also Opern ohne Musik, das hat was. Mich stört an Opern am meisten die Musik und das zwangsläufig damit verbundene Singen, Flehen, Sterben, dahinsiechen. Ich finds gut! Ohne Musik. Prima panna.

    • Ach naja, dann tut’s auch ein Stummfilm oder ein Tatort. Also echt! Wir kommen gerade vom Meer zurück. Alles beim Alten. Puh!!!!!!

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