Ferragosto

Hätte ich keine Ahnung, welcher Tag heute ist, hätte ich es heute Morgen beim Aufwachen dennoch gewusst. Wegen dieser allesumfassenden und totalen Ruhe. Der kompletten Abwesenheit von Geräuschen. Keine Autos, nicht mal aus der Ferne, keine Kinder, keine Vögel, ja sogar die lästigen Grillen in den Schirmpinien hinter dem Haus halten die Füße still (angeblich machen sie den wahnsinnigen Lärm mit ihren Hinterbeinen, man sollte meinen, sie hätten Besseres damit zu tun, aber bitte!). Es ist die typische einzigartige und unverwechselbare Ferragosto-Stille. Nun ist das gesamte Land endgültig zum Stillstand gekommen. Fast alle sind weg und die, die heute oder gestern arbeiten müssen, tun dies entweder mit Grandezza oder mit schierer Rachsucht. Wie zum Beispiel diese elende Polizistin, die aus dem Auto heraus Falschparker in meiner kleinen, armen Straße fotografiert hat. Leider hat sie auch mich vor dem Obsthändler erwischt. Ich mag gar nicht dran denken. Ich rege mich da so fürchterlich auf, vor allem, weil sie eigentlich immer nur den deutschen Autos so hohe Strafzettel machen. Aber das ist jetzt ein ganz anderes Thema.

Angesichts dieses hohen Feiertages haben wir beschlossen, dass auch uns ein freier Tag zusteht und uns bei Pasquale für heute frei genommen. Er hält das für eine kluge Entscheidung, weil alle bei ihm sind und wir damit Rom für uns haben werden, was keine schlechte Sache ist. Gestern in Trastevere stellte sich die Situation zwar etwas anders dar, aber auf dem Weg dorthin hatten wir bisweilen den Eindruck, Überlebende nach einer Invasion von Außerirdischen zu sein. Wirklich niemand war auf den Straßen unterwegs. Das ist der Zauber von Rom im August. Diese Stille und das Gefühl, dass einem die Stadt gehört. Ruhe, wo sonst Hektik ist, überall heruntergelassene Rollläden mit bunten Schildern dran (chiuso per ferie) und freie Parkplätze so weit das Auge reicht. Selbst die Piazza di Spagna ist beinahe menschenleer.

Ich weiß es ganz genau, dass ich schon letztes Jahr über den Luxus eines freien Tages im Urlaub geschrieben habe (der war wetterbedingt) und auch dieses Jahr bin ich entzückt von der Vorstellung, mich vom Bett unter dem Ventilator hinaus auf mein Eisensofa mit tausenden von Kissen und dann vielleicht wieder zurück auf die vordere Terrasse zu bewegen und dem Schatten nachzurobben. Am Spätnachmittag plane ich eine kleine Exkursion mit dem Roller, ansonsten gar nichts. In meiner Kinderzeit, die wir immer am Meer verbracht haben, war Ferragosto der Tag der Rache meiner Eltern. Ich musste bis zum Feuerwerk wach bleiben, durfte nicht einschlafen, weil ich normalerweise nicht gerne (wie alle Kinder nehme ich an) ins Bett gegangen bin und es gab Emmentalerkäse mit Oliven auf Zahnstochern. Diese erzieherische Maßnahme hat offenbar so gewirkt, dass ich noch heute eklatante Probleme erstens mit Feuerwerken und zweitens mit dem Abends-wachbleiben habe. Sei es, wie es ist: Ich liebe Ferragosto und würde immer versuchen, diesen besonderen Tag in irgendeinem Teil von Italien zu verbringen. Am liebsten natürlich in meinem geliebten Rom.

Ein Gedanke zu „Ferragosto“

  1. Gerne denke ich ich zurück an Ferragosto und den damit verbundenen Feierlichkeiten. Es war wirklich ein Erlebnis festzustellen, daß ein Kind von dem man immer glaubte, es hätte die Kraft für zwei, so früh schon schlapp macht. Mich haben nur erzieherische Überlegungen zu einem derart groben Verhalten gezwungen. Ich wollte nur damit zeigen, daß das für Mama und Papa jedesmal ein Opfer ist, so lange aufzubleiben. Jetzt, unbeaufsichtigt und kränkelnd, schlafe ich leicht mal um 18.30 völlig erschöpft ein. Wenn mein Fußballgott da ist, schäme ich mich etwas wenn es passiert. Aber er ist von grenzenlosem Verständnis für mich. Ganz ehrlich, er ist wahrscheinlich froh, wenn ich endlich die Klappe halte und nicht immer dazwischen rede. Und heute ist wieder so eine bB als Moderatorin da, das kann ich garnicht brauchen. Ich bestrafe sie durch Abwesenheit und den Fußballgott belohne ich dadurch.

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