Sizilien

Wir sind auf Sizilien und wer in Deutschland meint, Wetterkapriolen zu erleben, soll bitteschön einfach mal kurz hier vorbeischauen oder besser gesagt flattern – es stürmt ununterbrochen. Ich verbringe ein gerüttelt Maß an Zeit auf dem Zimmer, weil es draußen einfach viel zu kalt ist. Leider habe ich mich auch diesmal – wie so oft – von der Wettervorhersage täuschen lassen und Ende Juli in Italien nur eine Hose und einen Pulli eingepackt. Von den Schlafsachen möchte ich an dieser Stelle gar nicht sprechen, außer, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben mit der einzigen Strickjacke geschlafen habe, die ich schnell noch in den Koffer geworfen habe. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich sie nur kurz zum Duschen ausgezogen habe und dann sofort wieder über mein längstes Sommer-Flatterkleid gewurschtelt habe….anders wäre das Frühstück nicht zu überstehen gewesen! Die Menschen hier nehmen es mit Gelassenheit, was verständlich ist, sie haben ja ihre Wintergarderobe auch irgendwo im Schrank. Außerdem sind sie nicht im Urlaub und müssen sich zusätzlich mit anderen Dingen rumschlagen.

Eigentlich müssen alle Menschen überall und immer irgendwelche Ereignisse oder Probleme, je nachdem, wie man sie betrachtet und bewertet, bewältigen. Das ist es, was man Leben nennt, sagen die Klugen. Dann ist es gut, wenn man Austausch hat oder einen Platz, an den man gehen kann (mit einer warmen Jacke halt…). Hier im westlichen Teil Siziliens, genauer gesagt in Marsala ist das ganz eindeutig der Marktplatz, ach, was sag ich – die gesamte Innenstadt. Allerorten sitzen dort vorwiegend ältere Herren beisammen, diskutieren, plaudern, berichten sich von ihren Sorgen mit Ehefrauen, Kindern oder Enkelkindern, besprechen die aktuelle Weltlage, kommen überein, dass es letztlich ganz einfach wäre, würde man nur vorausblickende, kluge und erfahrene Männer wie sie selbst es sind, machen lassen und ereifern sich über die taktischen und strategischen Fehler im letzten Fußballspiel. Ab und an ergreift sie ein Thema so sehr, dass sie aufspringen von ihren Plastikstühlen oder den warmen Steinstufen des Rathauses und einander am Ellbogen fassen, um ihrer Rede Nachdruck zu verleihen. Sie laufen dann ein wenig auf und ab, setzen sich schließlich meist zu einem derjenigen, der das nervöse Auf- und Abwandern permanent aus bequemer Position, jedoch nicht minder gestenreich mit klugen Einlassungen begleitet hat.

Manchmal stößt eine der Gemahlinnen mit geschäftigem oder mildem Gesichtsausdruck dazu, hinterlässt eine Nachricht, regelt kurz das etwas verworrene oder gestrandete Gespräch, löst eventuell noch bestehende Probleme auf und verlässt dann mit kurzem Kopfschütteln und zufrieden-energischem Blick die Szenerie. Ihr Einkaufswagelchen holpert munter hinterher. Zu vermuten ist, dass sie den Gatten an seine einzige Aufgabe des Tages erinnert hat, zum Beispiel das Enkele vom Turnen abzuholen, weil die Tochter Anna-Maria doch heute ein Vorstellungsgespräch hat und sie ihren Mann nun seit 50 Jahren kennt und weiß, dass er sich recht schnell von Gespräch und Emotionen davontragen lässt und dann über den Problemen der Welt Frau und Familie zu vergessen neigt. Sie tut das nicht böse, sondern selbstverständlich, denn sie weiß, dass diese Treffen und Gespräche den unschätzbaren Vorteil haben, dass er weder seinen Beruf und den Austausch mit Kollegen vermisst, ausgeglichen zurück nach Hause kommt und sie selbst nur noch das Konzentrat all der ausführlich besprochenen Überlegungen zu hören bekommt. Der ungewöhnlich starke Wind ist übrigens ein prima Gesprächsbeginn. Nur für den Fall, dass Sie mal hier sein sollten…

2 Gedanken zu „Sizilien“

  1. Ich hoffe das der Herr Gemahl der lieben Bloggerin den Wind für seine sportlichen Ambitionen ausnutzen kann. Nachdem man hier in Deutschland im Moment glücklich ist wenn der Keller nicht unter Wasser steht war ich heute doch tatsächlich in meinem Garten nur um mal zu schauen wie er so im Sommer aussieht. Und er ist wunderbar viel Regen hilft beim Wachstum und hält alles schön grün. Tatsächlich sitze ich hier in der Sonne (ich bin gespannt wie lange) da man ja weiß wie wichtig die für den Körper ist Vitamin D usw. also nutze ich jeden Sonnenstrahl. Ich finde es wirklich toll, dass diese Männer in Italien auf dem Marktplatz sich austoben und ihre Frauen in Ruhe ihre Sachen machen können. Allerdings hier in dem beschaulichen Ort in dem ich wohne ist es nicht der Marktplatz sondern die Bäckerei mit angeschlossenem Cafe in dem sich regelmäßig eine Gruppe älterer Herren trifft. Und wer glaubt das Frauen laut tratschen der sollte sich das Geschnatter dieser Herren mal anhören. Ich verfolgte dies als ich Brot kaufen musste und war sehr amüsiert.

  2. Das ist eigentlich meine Spezialität. Ich habe nahezu immer zu kalt und das Kleidungsstück mit dem ich noch nicht geschlafen habe, gibt es nicht. Kaschmirschal als Leintuch, Daunenmantel oder Bademantel als zusätzliche Zudecke und dann noch einen Pulli. Abschließend dann das Gebet daß es keinen Feueralarm geben möge, denn bei meinem Anblick fallen doch so einige die Treppe runter. Seit wir in das digitale Zeitalter eingetreten sind, ist der Wetterbericht so daneben wie er nie war. Gut, daß das unserer sehr verehrten Bloggerin auch passiert is.

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