Wenn die Erde bebt

Auf unserer Reise quer durch Italien, wo wir zu einem wunderbaren kleinen Opernfestival auf der anderen Seite des Stiefels gefahren sind, kamen wir auch an all den kleinen Orten vorbei, die heute trauriger Mittelpunkt der Medien sind. Bei fast jedem habe ich zu meinem Mann gesagt: Oh, schau, hier ist es so friedlich, wenn wir mal gar nichts von Terrorismus, Gefahren oder Stress mitbekommen wollen, dann mieten wir uns hier eine kleine Wohnung und lassen es uns gut gehen. Das Essen ist wunderbar, die Menschen freundlich, nachts weht auch im Hochsommer ein kühler Wind und tagsüber können wir in einen herrlichen Rhythmus zwischen Frühstückscappuccino auf der Piazza und trägem Mittagessen in einem Bergrestaurant mit Blick über die Täler verfallen. Abends, nach einem langen Mittagsschlaf, wäre dann genau wieder die Energie da, die es braucht, um sich zum Abendessen und einem Bummel aufzuraffen.

So denkt man in der heutigen Zeit, in der jede menschliche Entgleisung am anderen Ende der Welt sofort ins eigene Leben geholt wird, in der man kurz nach dem Aufwachen schon erfahren kann, dass einer im 4.964,39 km entfernten Kabul (Luftlinie) eine Universität beschossen hat oder Ähnliches. In früheren Jahren haben Angehörige per Brief erfahren, dass ihre nächsten Anverwandten verstorben sind, was natürlich auch nicht schön ist, weil Verstimmungen nicht noch kurzfristig aus dem Weg geräumt werden konnten, aber man blieb doch mehr im eigenen Leben. Denn durch die jüngsten Katastrophenmeldungen, die so kurz aufeinander und schon beinahe regelmäßig erfolgen, ist eines anders geworden als früher: Fast jeder hat einen Bezug zu den Orten, an denen Schlimmes geschieht.

Nizza, München, Italien – all diese Orte sind Orte, an die auch „normale“ Menschen reisen, in denen sie vielleicht sogar wohnen. Es kann ein persönlicher Bezug zu ihnen hergestellt werden und das macht die Unglücke noch unglücklicher. Weil uns eben das, was wir kennen und wo wir schon waren, noch mehr betrifft als ein Ort, der 4.964,39 km Luftlinie entfernt ist. Vor allem jedoch hat sich das Leben für all die Menschen in dieser wunderschönen Region Italiens geändert, wo dieses Jahr sicherlich keine „Festa della Amatriciana“ stattfinden wird, das Fest zu Ehren der einzigartig guten Nudeln mit Speck-Zwiebel-Tomatensoße. Wie so oft im vergangenen Jahr wandern unsere Gedanken ins nahe Ausland, zu den Menschen, die ihr Leben nun in ein „Vorher“ und ein „Nachher“ einteilen werden.

2 Gedanken zu „Wenn die Erde bebt“

  1. In unserer heutigen Zeit, wo eine Katastrophe die andere jagt, da weiß man wirklich nicht mehr, wie man reagieren soll. Ich bin immer erschrocken, was Naturgewalten so anrichten können. Natürlich wiegt man sich in der Sicherheit, bei uns kann das nicht passieren. Ich gebe der lieben Bloggerin Recht, die Welt wir immer kleiner, man reist viel mehr, kennt viele Orte, das macht das alles noch bedrohlicher. Jetzt schüren die Medien auch noch die Angst durch Ihre Mitteilung über den zivilen Katastrophenschutz. Irgendwie plane ich schon, mit wieviel Packungen Haferflocken und H-Milch ich meine Familie über Wasser halten kann. Soll man sich darauf wirklich vorbereiten? Ich gehe jetzt mal zum Discounter meines Vertrauens und ich glaub ich nehme mal von allem eine zweite Packung mit, man weiß ja nie.

  2. Es ist so schrecklich und so traurig, wir entgehen diesen ganzen entsetzlichen Nachrichten nicht mehr. Wir können nur Abstinenz üben. Nicht vom Blog, da war eh viel zu lange Stillstand! Von den Medien. Nun wissen wir bereits wieder alle Bescheid und bekommen die schrecklichen Bilder nicht mehr aus dem Kopf. Wie soll man eigentlich weiterleben mit diesen vielen Schreckensmeldungen? Jeder von uns hat seine eigenen Schrecken und Sorgen und versucht, diesen auszuweichen. Jeden Morgen neu. Man wacht auf und für ein paar Sekunden ist die Welt in Ordnung und dann bricht alles über uns herein. Wir sind der Flut der Meldungen, ob gut oder schlecht, ausgeliefert, wir stumpfen ab und können gar nicht mehr mit leiden, wir können nicht mehr spenden für die einzelnen Katastrophen, es sind zu viele. Wir alle sind innerlich auf der Flucht, auf dem Weg ins Vergessen, nur gelingen will uns das nicht. Ich hoffe sehr, dass unser nächster Blog uns alle aufmuntert und wir vielleicht mal über abgerissene Rückspiegel o.ä. lesen können.

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