Gestern bin ich mit dem Zug von Paris zurück nach Deutschland gefahren. Da man beim Pariser Verkehr nie sicher sein kann, was einen erwartet, fahre ich gerne früher los und verbringe lieber dort Zeit. So auch gestern. Das ist praktisch, ich kann dann noch Lippenstifte, Schokolade und anderes Nützliches kaufen. Oder mich ans öffentliche Klavier stellen und zuhören oder mich von einem Künstler ansprechen lassen, der ausgeraubt worden ist und jetzt kein Geld mehr hat, nach Hause zu fahren und in Wahrheit ein Trickbetrüger ist oder mir einen Cappuccino bei Starbucks kaufen. Dieses Mal habe ich mich dazu entschlossen.
Es war nicht ganz einfach, die Aufmerksamkeit der jungen Dame an der Kasse, bzw. Bestellannahme zu erlangen, aber durch beharrliches Stehenbleiben ist es mir letztlich doch gelungen. Nicht sehr erfreut, ihr Gespräch um die Mittagszeit mit der Kollegin unterbrechen zu müssen, hat sie mich gefragt, ob normal, mittel oder groß und weil ich Größenangaben aus dem Land der Adipositas nicht bedingungslos vertraue und schon einmal mit einem „mittleren“ Cappuccinobecher zwischen den Beinen fast bis nach Stuttgart fahren musste, weil er partout nicht in die Getränkehalterung meines (deutschen) Autos passen wollte und in seiner Riesigkeit auch nicht so schnell in meinen Magen, lasse ich mir die Größen immer vorher zeigen. Das hat die Dame in eine Stimmung zwischen Gelangweiltsein an der Grenze zur verachtenden Gereiztheit versetzt, aber ich habe freundlich die Stellung gehalten und im Anschluss, zwar innerlich leicht keuchend, die 4,90 bezahlt. Mit einem Fünfer.
Zurück bekommen habe ich dann 10 Cent, einen Kassenzettel und darunter wieder meinen Fünfer. Ich bin zur Getränkeausgabe gegangen, was mit all dem Gepäck nicht schnell genug ging, so dass nun auch noch die Kollegin, die ich ja durch den Bestellvorgang schon von der Kassiererin entzweit hatte, ihrerseits Grund hatte, mich als wirklich besonders störenden Kunden wahrzunehmen. Sie hat zwar nicht mit den Augen gerollt, aber dass man meinen Namen nach so kurzer Zeit der Bekanntschaft derart betonen kann, war mir neu. Nachdem ich also kontrolliert hatte, ob ich auch sicher keinen Zehner gegeben hatte, war ich tatsächlich eine Millisekunde im Zweifel, ob ich mich einer erneuten Konfrontation aussetzen möchte. Natürlich habe ich es getan und habe die Dame erneut aus ihrem Gespräch reißen müssen, was sie keineswegs gerne hatte. Als ich dann auch noch auf Französisch sagte, es gäbe ein Problem mit dem Wechselgeld, wurden ihre Augen schmal wie böse Schlangenaugen. Als ich sie informierte, dass der Fehler zu Ihren Ungunsten sei und ihr den Fünfer hingehalten habe, geschah etwas sicher sehr Seltenes und jeder, der das Rilke-Gedicht vom Panther kennt, weiß, was ich meine: der Vorhang aus Vorstadtleben und immer Kämpfen und immer Zukurzkommen hat sich für eine Millisekunde zur Seite geschoben und hat sie mit zwei, drei Jahren gezeigt. Natürlich war es von vornherein das einzig Richtige, den Irrtum aufzudecken, aber dafür war es es auch wert.
Ok, ich lese das Gedicht, ist ja ein Bildungsblog, melde mich dann wieder! Ach, nur vorweg, ich hätte den Fünfer glaub ich eingesteckt!
Ich versteh jetzt die Gefühle der Bloggerin und auch die der jungen Damen an der Kasse. Nun bin ich ja der Meinung, wenn jemand nicht richtig arbeitet, hat er es auch nicht verdient, wenn er einen Fehler macht, dass ich ihn korrigiere. Ich habe diese junge Ding förmlich vor Augen und auch den Bilick der anderen. Die jungen Flitscherl bilden sich ja wirklich auf alles was ein, warum auch immer. Ok, um jetzt zurück zu kommen: manchmal ist es vielleicht wirklich für die eigene Seele und die des Gegenüber schön, Milde walten zu lassen. Bin sehr stolz auf die liebe Bloggerin und hoffe, dass mir das beim nächsten Mal auch so gelingt. Und danke, sollte wirklich mehr Gedichte lesen!
Wunderbare Geschichte, schade, dass man viel zu selten die Gelegenheit hat, derart geschickt zu kontern. Man kann an dem Verhalten dieser unzufriedenen jungen Damen unschwer erkennen, dass sie nicht in der Lage sind, ihre eigentliche Machtposition zu nutzen.
In den vergangenen Tagen war ich bei meiner Helga, meinem Engel, in Würzburg. U.a. waren wir auch an einem der Hotspots in W., der alten Brücke. Wunderschön, wie die in Prag oder die zur Engelsburg in Rom. Mein Traum war ja immer, auf dieser Terrasse über dem Wasser des Main zu sitzen, wir waren früh genug. Der Platz war einzigartig, nur weder unser Hunger noch unser Durst. Ergo bestellten wir nur 7 Bratwürste ohne alles, aber mit zwei Tellern und zweimal Besteck. Unsere Bedienung war sehr lieb und nett und freundlich, der junge Ober indes, der mal das „Essen“ brachte, war unfreundlich und verweigerte den zweiten Teller. Die junge Frau brachte den Teller, machte klaglos Fotos von uns beiden Alten und bekam dafür ein Drittel der Rechungssumme als Trinkgeld. Nur so geht’s. Wenn ich Dienstleister wäre, wäre ich sehr schlau und dadurch sehr reich.
Auch eine schöne Geschichte, sehr veehrtes Prunkschaf! Ich kenne den Platz, bin da auch schon gesessen, da könnten wir uns ja eigentlich mal auf einen Kaffee treffen. Es liegt für uns beide auf halber Strecke! Ich bin ja auch im Dienstleistungsgewerbe (jetzt nichts Falsches denken) und stelle auch fest, dass durch Freundlichkeit und vor allem Gelassenheit das Trinkgeldschwein ordentlich gefüllt wird.