Das Schöne hat man nicht lange für sich

Im Allgemeinen könnte man mich als den klassischen hybriden Verbraucher bezeichnen. Einen Menschen, der sich Dreihunderteuroschuhe auf dem Weg zum Parkhaus ruiniert, um die zwei Euro für die nächste anbrechende Stunde zu sparen. Ich kaufe gerne beim Türken Obst und Gemüse und beim Metzger Fleisch, auch wenn der Markt natürlich viel schöner ist, aber bei sieben Euro für ein Kilo Kirschtomaten hat aller Schönheit Reiz ein Ende. Nach dieser kleinen Einführung wird jeder Leser verstehen, was es bedeutet, wenn ich Pfingstrosen in verschwenderischer Fülle kaufe. Zwar habe ich jede Woche sehr ansehnliche Sträuße, da ich in fast allen Lebensbeziehungen (außer an mir selbst) Üppigkeit der Kargheit vorziehe, aber um die gleiche Menge Blumen in Deutschland (auch noch auf besagtem Markt) zu kaufen, müsste ich ein Auto verkaufen. Uns das beinahe wöchentlich!

Hier in Rom, bei meinem mobilen Blumenhändler kosten zwei irrsinnig große unfassbar schöne Sträuße davon gerade mal zwanzig Euro und auch wenn man dafür zu Mittag essen könnte, hat man an den Blumen doch fast mehr Freude (und nimmt nicht zu). Außerdem sind es meine Hochzeitsblumen und das natürlich nicht ohne Grund. Was aber passiert mit soviel Schönheit, wenn sie einmal im Haus ist? Sie sorgt für Ärger. Dicke alte Männer, die junge, rehgleiche Grazien heiraten, können davon ein Lied singen. Man hat sie nicht lange für sich. Und so war ich nach einer kurzen Spanne reinster Freude über Aussehen, Duft und Wirkung schnell mit ungebetenen Gästen konfrontiert. Als ich den Tisch decken wollte, musste ich erst mal einen Platz für die Teller zwischen all den Ameisenautobahnen suchen. In Scharen sind sie über den Tisch gerast, haben hier einen Stop in der Obstschale, dort einen Halt auf den Ochsenaugen gemacht. Frech.

Mein Mann, eher ein analytischer Mensch, was Störungen angeht, ist der Sache nachgegangen und kam recht zügig auf das Ergebnis: Sie sitzen in den Blumen. Und richtig: als ich sie draußen kopfüber ausgeschüttelt habe, hat sich ein wahrer Ameisenregen auf die Terrasse ergossen. Damit sie ihre Lektion lernen, habe ich sie guantanamomäßig abgeduscht und dann draußen zum Trocknen aufgestellt. Und dann natürlich das Naheliegendste getan: im Internet recherchiert, ob das normal ist. Ja, ist es. Die Pfingstrose, ob im Garten oder auf dem Tisch, ist der Liebling der Ameisen. Angeblich haben die Knospen einen festen klebrigen Überzug über den Blütenblättern und die Ameisen helfen ihnen, ihn zu durchbrechen, damit sie voll erblühen können. Nach erfolgreicher und unbarmherziger Jagd und Verbannung ins Exil gestern Abend konnte ich heute Morgen mit grimmiger Befriedigung feststellen, dass sie ameisenfrei sind. Sogar die Schüttelprobe haben sie überstanden. Ich weiß nun nicht, ob Ameisen gewerkschaftlich organisiert sind und nachts nicht arbeiten oder ob sie es eingestellt haben, weil die Blüten offen sind. Jedenfalls möchte ich nicht mit einem reichen älteren Herren tauschen, der ein wunderhübsches knospendes Ding geheiratet hat. Besser eine, die bereits voll erblüht ist.

Ein Gedanke zu „Das Schöne hat man nicht lange für sich“

  1. Es ist so schlimm und bedauerlich, dass jedes Ding seinen Preis hat. Aber ich finde, bei Blumen genügt tatsächlich der Preis. Da müssen doch nicht auch noch Tiere mitgeliefert werden. Es genügt doch, dass gerade die allerschönsten der Blumen die Pfingstrosen bald und schnell sehr morbide werden. Wie beneide ich vermögende Leute, die sich einen Arm voll Blumen kaufen können. Sie tun’s dann aber nicht und kaufen Tankstellensträuße, bereits dreimal reduziert und zupfen sie auch noch aus und stellen dann einen halben Wedel auf den Tisch. Vor vielen Jahren war ich mit einer Freundin in Paris privat eingeladen. Man holte uns mit dem Taxi ab, dieses wartete vor dem Haus bis wir unseren Besuch beendet hatten. In der Wohnung wurden wir von einer Gleichaltrigen empfangen, sie bekam diese Wohnung am Eiffelturm als Geschenk von ihrem Mann. Der Teppich im Entree hatte ihre Initialen eingewebt. Im Wohnzimmer stand ein Väschen mit Blumen. Durchmesser ein Meter, Blumen damals Tulpen von nie gesehener Schönheit und Farbe und seitdem weiß ich was ich will. Muss aber zuerst eine Vase anschaffen. Der Taxameter war bei über 1000 FRF. Umgerechnet über 300,– DM.

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