Aufzug des Grauens

Ich war jetzt wirklich lange nicht mehr in Paris. Fast vier Monate. Gestern bin ich also wieder angekommen. Schön war’s, das Gerüst an unserem Haus ist ab, die Fensterläden, die offenbar noch gestrichen oder was auch immer werden müssen, stehen jetzt in einem Eck, anstatt im Hof herumzuliegen und der Mann von meiner lieben deutschen Nachbarin ist gestorben. Das ist, auch wenn er alt und sehr krank war, traurig, vor allem für Madame natürlich. Ansonsten scheint alles beim Alten. Nur dass der verstockte über hundertjährige Aufzug nun nicht mehr auf unserer Etage stockt, sondern auf der dritten, wie mir ein wohlmeinender Nachbar mitteilte, bevor ich zum Einkaufen geeilt bin.

Am Nachmittag nämlich habe ich – nachdem mein Mann sich in vorbildlicher Weise im Haushalt verdient gemacht hatte – mit meinem Ziehwagele bewaffnet losgezogen, um die Vorräte ein wenig aufzustocken und Grundnahrungsmittel wie Nudeln und Parmesan zu besorgen. Mein umgebauter kleiner Supermarché neben dem Waschsalon, dessen Existenz meiner Meinung nach gefährdet sein müsste, weil ich nicht mehr dort wasche, ist zwar nun scheinbar luxuriös mit viel Fertigprodukten und gekühltem Champagner und Gänsestopfleber im Kühlschrank neben der Kasse, aber – sieht man genau hin – wesentlich schmutziger und liederlicher als vorher. Vielleicht sieht man den Schmutz auf den schwarzen Fliesen einfach besser als auf den beigen? Egal. Der Monoprix ums Eck ist größer und so bin ich auch nach einiger Zeit mit viel Beute und damit einem sauschweren Ziehwagele zurück gekehrt. Zu einem verstockten Aufzug.

Er steckte im dritten Stock fest, was ich an den sich öffnenden und schließenden Türen bemerken konnte. Ärgern hilft nichts, also habe ich das zentnerschwere Wagele Stufe um Stufe hochgehoppelt. Sind viele Stufen. Im dritten Stock habe ich mich zuversichtlich in den bockigen Aufzug geworfen, weil ich mir dachte: eine Etage fahren ist besser als gar keine. Was für eine Fehleinschätzung der Lage. Der Aufzug wollte auch mit mir drinnen nicht fahren, was mich sehr erbost hat. Ich habe ziemlich energisch an der Türe genoggelt und hatte die blöde Klinke in der Hand, was nicht schön ist, wenn die Außenklinke durch ein Gitter von einem getrennt ist. Also habe ich versucht, den Griff so zu drehen, ging aber nicht. Wozu gibt es einen Alarmknopf? Der Alarm macht seinem Namen alle Ehre und ich könnte mir vorstellen, dass man ihn auch in meiner Heimat gehört hat. In einem Pariser Innenstadt-Mehrparteienhaus könnte er jedoch nicht weniger Reaktion auslösen. Es geschah genau gar nichts. Nach einigen zunehmend verzweifelteren Aktionen, habe ich mich entschlossen, den Knopf so lange zu drücken, bis was passiert. Nach einer Minute, die sehr lang werden kann, wenn man der Verursacher eines derart ohrenbetäubenden Lärms ist, ging die Türe eineinhalb Meter von mir entfernt auf und die Lebensgefährtin des Zahnarztes fragte, ob was sei. Ja!!!! Sie hat mich aus meinem Gefängnis befreit und mir ein Glas Wasser gegeben, was inzwischen notwendig war. Dass Rettung einmal gerade von einer Zahnarztpraxis ausgeht, hätte ich mir nur schwer vorstellen können. In Paris ist eben alles möglich. Übrigens auch, dass die Klinke nach zwanzig Minuten repariert war.

One thought on “Aufzug des Grauens

  1. Das im Aufzug steckenbleiben, wird nicht zu meinem Hobby. Da ich. 8. Stock wohne, reagiere ich immer sehr sensibel auf die Geräusche und Bewegungen, die mein Transportmittel macht. Jetzt z.B. ruckelt er mordsmäßig zum Anhalten, aber nur im 8. Stock. Will er mir Angst machen, oder was soll das? Sind das die Vorboten eines größeren Schadens? Ich fahre morgens, um meine Zeitung zu holen, immer korrekt gekleidet, mit Schal, mit Tempotaschentuch und, ganz wichtig, ich war auf der Toilette. Und ich hoffe immer sehr, nicht mit einem unserer nicht geduschten Raucher stecken zu bleiben. Steckenbleiben ist mir nur einmal passiert mit meinem kleinen Rottweiler. Sie ist auf meinen Schoß gesprungen und hat gezittert wie beim Tierarzt. Auf die Minute genau nach 30 Minuten ging die Türe auf und ich wurde empfangen wie nach einer Rettung aus Bergnot. Mein Bruder, der Hausmeister und der Aufzugsmann! So geht das in Deutschland. Man muss innerhalb von 30 Minuten befreit sein!!! Wasser hat mir aber keiner gereicht. Daran muss noch gearbeitet werden.

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