Zeichen und Wunder

Fast jeder Großstadtbewohner kennt die drei Grauen: Baustellen, Parkplätze und Fahrradfahrer. Man weiß nicht, was schlimmer ist. In Augsburg (Großstadt!) haben wir diesbezüglich seit Jahren ein Kopf-an-Kopf-Rennen, wobei die anarchistischen und militanten Radler fast immer gewonnen haben. Wie oft wurde man – auch als älterer und durchaus auch schwächerer Fußgänger – vom Fußweg gepöbelt, gehupt und geschimpft oder gegen die Fahrbahn angeraunzt, dass man ja wohl durchaus ein wenig Platz machen könnte. Fahrradfahrer, so scheint es, haben den Wind der Selbstgerechtigkeit im Nacken. Sie fahren sozusagen mit Rückenwind und sind unerträglich.

Ein wenig Trost spendet, dass wir nicht allein sind mit der Problematik. Als ich eines Tages in Frankfurt ins Taxi gestiegen bin, hat mir der Fahrer unaufgefordert und nach gefühlt einer Minute von seinem Leid und Elend mit den ‚Drecks-Radlern‘ berichtet. Schlimmes muss er als Taxler erdulden, abgefahrene Spiegel sind da noch das geringste Übel. Von den seelischen Narben ganz zu schweigen. Da kann er wunderbar mit meiner Mutter in ein Horn blasen. Ich glaube, sie träumt davon einmal im Leben einen Radler von seinem Drahtesel zu zerren und richtig zu vermöbeln. Idealerweise, wenn er sie vor ihrer Haustüre gegen die Fahrtrichtung klingelnd und schimpfend vom Bürgersteig fegt. Und wenn sie es nicht tut, tue ich es. Denn ich muss auf den einzigen beiden Zufahrten zu meiner Wohnung einen Fahrradweg kreuzen, auf dem von beiden Seiten ein ‚Vorfahrt achten Schild‘ für Radler steht. Das Problem ist natürlich, dass sich kein Mensch, zumindest kein Radler dran hält.

Bis auf heute. Da ist mein Mann gefahren und der kann – trotz aller Zauberhhaftigkeit – durchaus ein selbstbewusster Rammbock sein. Er ist einfach gefahren als er zwei Radler selbstsicher auf die Kreuzung zugeblasen kamen. Und dann geschah das Wunder. Sie haben angehalten. Und als er das Fenster kampfbereit runter gelassen hat, zu allem bereit, haben sie das wirklich Unfassbare getan: Sie haben sich entschuldigt. Wir haben den ganzen Weg nach München immer wieder darüber gesprochen. Waren vermutlich Autofahrer, die mal einen Fahrradausflug gemacht haben und morgen wieder in ihr Auto steigen. Emphatische Menschen halt. Eigentlich schon nett, die Radfahrer, die sonst Autofahrer sind.

3 Gedanken zu „Zeichen und Wunder“

  1. Zum Thema Fahrradfahrer kann ich aus dem römischen Feldlager, das übrigens zu Unrecht als Großstadt bezeichnet wird, sagen, dass ich heute einen so wundervollen Tag diesbezüglich hatte und auf jeden Fall die nächsten zwei Wochen auf Racheakte verzichten kann. Der Berg zu mir herunter ist ziemlich steil, d.h. alle Radler brettern mit ca. 30 – 40 km/h hinab. So auch eine Gruppe con ca. 20 jungen Mädchen, die laut lachend richtig Gas gegeben haben. Von hinten wurden sie von einem jungen Mann auf so einem speziellen Bike aufgerollt, dieser fuhr laut gröhlend Schlangenlinien an und um die Mädels und als das nicht mehr ging, hob er das Rad an, um auf die Straße zu springen, wohlgemerkt bei fließendem Verkehr, dann hat er es verkantet und es hat ihn so abartig auf die Straße geschmissen, der Golf, auch mit Tempo 50 konnte noch ausweichen, die Damen haben völlig hysterisch geschrieen…. sind z.T. ineinander verkeilt vom Radl gehupft, es war großartig. das Leben ist gerecht. Ich habe mich auf der anderen Straßenseite nicht umgedreht, weil die Bilder brauch ich nicht im Kopf! Ich bin zufrieden. Bis zum nächsten Mal! Ha!

  2. Bin ja seit heute in einer deutschen Großstadt unterwegs, in einer wirklich großen Stadt, wenn ich das als Landei sagen darf. Ja und hier kann man wirklich von Fahrradterror sprechen. Mein lieber Mann hat den Kindern erstmal erklärt, dass sie hier auf sich selber aufpassen müssen, nicht wie in Oberpleis würden sie hier die Leute rücksichtslos zusammen gefahren werden. Also unseren ersteren Spaziergang haben wir damit verbracht, ständig zu rufen, dass ein Fahrrad kommt. Das ist denen hier relativ Wurscht, ob es ein Erwachener ist oder Kind oder Hund – Wurscht, die fahren mit einer solchen lächelnden Leichtigkeit!

    1. Wenn man bedenkt, dass 80% unserer Fördergelder dahin gehen. Große Teile eines Hauptstadtfahrrades gehören euch, Mare. Such einen schönen Stecken oder Besenstiel und dann munter drauf los!

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