Reisebericht – zum Glück noch möglich

Ganz ehrlich, ich würde viel lieber weiter über Luxusprobleme oder mangelnde Pünktlichkeit sprechen, aber Dringlicheres erfordert meine Aufmerksamkeit. Ich sitze im Flugzeug nach Istanbul neben einem jungen Mann in einer mintgrünen Bermuda und einem mintgrün-weiß-kariertem Hemd. Ich finde, er sieht sympathisch aus, zumindest unter dem Aspekt, unter dem ich mir die meisten Mitreisenden anschaue: wäre er bei einer Notlandung nützlich? Würde ich mit ihm an meiner Seite im Wasser, Urwald oder sonstwo überleben? Und gerade, als ich das Bordentertainment geentert habe, was nicht ganz einfach ist, denn seit unserem Abflug in München findet sämtliche Kommunikation ausschließlich auf Türkisch statt, schaue ich hungrig nach schräg vorne zum Bordservice, mein Blick gleitet nach rechts unten und ich sehe, wie mein Nachbar sein Handy entsperrt (8080) und seine Fotos öffnet und ohne es zu wollen, sehe ich, dass er sich die ganze Zeit bewaffnete junge Männer ansieht und immer wieder die Detailaufnahme einer Pistole oder eines Revolvers oder was auch immer.

Nebenbei bemerkt sind wir fast die letzte Reihe, die serviert bekommt, ich möchte ja nicht klagen, aber wenn ich nervös werde, esse ich nunmal gerne und ja, ich bin jetzt nervös. Er hat zudem noch eine Uhr mit großer drei und großer neun an und jetzt, wo ich drüber nachdenke, wirkt er auch nervös. Er hat so eine schwarze Umhängetasche dabei und will nichts essen. Doch. Jetzt klappt er sein Tablett herunter. Und bestellt Milch. Ob das ein Trick ist? Er greift wieder nach seinem Handy und schaut begehrlich auf meinen Laptop. Ach, ich bin besorgt. Aber wenn jemand was Böses im Sinn führt und auf siebentausend Jungfrauen wartet, würde er das Flugzeughühnchen essen? Jetzt schaut er sich um. Immer wieder. Hat aber die Schuhe immer noch aus. Ich auch. Er schaut in meine große Handtasche. Ich kann so nicht schlafen. Derweil bin ich so müde. Nein, ich werde ganz sicher nicht schlafen.

Vielleicht liegt es daran, dass es mein erster Flug seit Ende März ist. Ich muss sofort aufhören, paranoid zu sein. Aber WARUM schaut jemand dauernd Fotos von Pistolen an? Geradezu zwanghaft. Macht er jetzt schon wieder. Das sind doch keine Dinger, die man jemandem zum Geburtstag schenkt oder so. Nunja, das Essen war ok, ich habe ein Glas Rotwein genommen, wer weiß. So schade, dass ich so schlecht sehe. Ich kann gar nicht seitlich schielen, weil meine Brille da aufhört. Zu blöd. Nicht nur, dass Augenbrauenzupfen unmöglich und damit teuer ist, am Ende ist auch noch mein Leben in Gefahr. Jetzt scrollt er Fotos von handbeschriebenen Blättern. Anweisungen?? Aber mal im Ernst: wäre man so blöd? Andererseits muss man vielleicht so blöd sein! Kleiner Exkurs: Warum sieht man in Handy- und Computerkameras eigentlich so entsetzlich bleich und faltig aus? OMG, jetzt schaut er sich irgendwelche Zeichen an, Schlingen und so.

P.S: Bin gelandet. Alles gut. Blog kann weitergehen.

P.P.S: Foto ist unscharf, musste rennen.

Ein Gedanke zu „Reisebericht – zum Glück noch möglich“

  1. Es läuft alles drauf hinaus, dass ich der sehr verehrten Bloggerin das komplette Reisen verbieten werde. Das hält man doch nicht aus. Ich hätte wahrscheinlich einer Stewardess Bescheid gesagt und gebeten auf den Tragflächen weiterfliegen zu dürfen. Ich habe es in einem Blog schon mal erwähnt, ich bin von USA kommend mit einem Kurden vor mir, der sehr böse und militant war, nach Frankfurt geflogen, am nächsten Tag waren diese großen Auseinandersetzungen in Frankfurt zwischen Kurden und Türken. Das war garantiert mein Mitreisender, der sich unmöglich benommen hat. Das braucht man alles nicht mehr. Keiner von uns kennt den Bayer. Wald, die große Ostgebiete Deutschlands, das kann man sich auch mal in Ruhe, ohne Flieger anschauen! Ach, das ist einfach alles unschön.

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