Schön aber tyrannisch

In Paris regnet es und ist warm. Ich muss dennoch Handschuhe tragen, weil ich ja die frischen Nägel habe. So Vieles kann ich nun verstehen. Unsere Vermieterin, Fleure, die sich, kaum dass sie eine Küche auch nur aus der Ferne sieht,  sofort Gummihandschuhe überstülpt, warum Frauen früher immer Handschuhe getragen haben, warum die Damen der Gesellschaft entweder diese fürchterlichen Gelnägel haben, die man – wie ich gestern erleben durfte – fast nur unter Einbuße der eigenen Hand wieder ab bekommt, oder Zugehfrauen haben. Ach und überhaupt würde ich meinen, dass viel Unglück auf der Welt daher kommt, weil man seine Hände nicht ordentlich benutzen kann.

Zum Glück kann ich mit ihnen schreiben, weil ich so kinderkurze Nägel habe (vom letzten Lackieren im November), aber sonst? Was tut man mit so langen, bunten, unpraktischen Händen den ganzen Tag über? Man wird zur Gefangenen seiner Nägel oder man lernt, mit ihnen zu leben. Wie eine Freundin von mir, die ungerührt mit zehn Zentimeter Absätzen neben mir durch das verschneite Sankt Petersburg gestöckelt ist, während ich mit Stiefeln noch kalt hatte, vom Rutschen jetzt mal nicht zu reden. Das ist wohl eine Einstellungssache wie so Vieles im Leben. Und eine Gewohnheit.

Dennoch. Wie oft geht es mir in Rom so – ich bin ja zum Glück beinahe schon immer ein Freiberufler -, dass ich da sitze, etwas schreibe oder rechne (ganz schlimm), versonnen nach draußen blicke und ein gelbes Blatt sehe. Dann kämpfe ich gegen meinen zwanghaften Kontrollzwang an und nötige mich zum ruhig weiterarbeiten. Dann schaue ich wieder hin. Und dann mache ich einen Handel mit mir, dass ich beim dritten Mal Hinschauen aufstehe und es abzupfe.

Das ist schnell geschehen, jedoch ist das erst der Anfang, denn dann beginnt das Drama seinen Lauf zu nehmen. Es bleibt natürlich nicht bei einem Blatt. Aus dem einen Blatt werden mehrere, es finden sich kleine welke Zweiglein, Unkraut hat sich breit gemacht, hinter dem Topf welkes Laub gesammelt (bitte denken Sie nicht, ich ließe meine Terrasse verwahrlosen, sie ist nur recht groß und ich bin nicht immer da, wie treue Leser ja am besten wissen müssten), wie sieht eigentlich der Orangenbaum aus? Und diese mistigen Rosen? Schon wieder leichter Schimmel und diese kleinen grünen Drecksbiester, die hoffnungsvolle zarte Knospen zum Frühstück nehmen. Da muss Gerät her.

Weil ich davon überzeugt bin, dass man immer in Kontakt mit der Natur sein soll, nehme ich meine Hände als Geräte. Wühle, zupfe und grabe. Erwache ich dann nach eineinhalb Stunden aus meinem Rausch, weil vielleicht gnädigerweise das Telefon klingelt oder ich Hunger bekomme und ich gehe rein zum Händewaschen, ist der Schock über ein gelbes Blatt vergleichsweise harmlos. Ich sehe aus als hätte ich zwanzig Katzenbabies groß gezogen, nur dass die roten Flecken auf meinen Händen nicht (nur) Blut sind, sondern der klägliche Rest meines Nagellacks. Dieses Mal wird das anders. Diese teure Farbe hält bis Sonntag Früh. Samstag sind wir auf einem Ball und basta. Und nach Rom fahre ich eh erst – wenn überhaupt – nächste Woche.

3 thoughts on “Schön aber tyrannisch

  1. Hahaha, meine Freundin aus einer kleinen fränkischen Stadt hat auch aufgeklebte Fingernägel seit es diese gibt. Ich kann das nicht verstehen, ihr Leben ist dadurch wahrhaft freudlos eingeschränkt, nichts kann sie anfassen, keine Strümpfe ohne Verrenkungen oder gar Laufmaschen zu provozieren überstreifen. Also das muss mir mal jemand erklären, wo der Gag diesert Nägel ist. Wenn ich meiner Freundin beim Eintippen von irgendwelchen Kleinigkeiten auf dem Handy oder Rechner zuschaue, bekomme ich Krämpfe von den Verrenkungen, die sie machen muss, um das hinzukriegen. Und ich persönlich bin der Meinung, dass die Nachteile überwiegen. Als ich diese Nägel erstmals Ende der Achtziger Jahre in den USA bei einer schrecklich übergewichtigen jungen Frau sah, wollte ich meinen Augen nicht trauen, sie aß Erdnüsse neben mir! Ist ja in Ordnung, nur bei jedem Reingreifen in die Schale ist eine Erdnuss unter einen der Fingernägel geschlüpft und musste dann wie mit einem Schraubenzieher von einem anderen Nagel rausgeholt werden. Als sie mir Nüsse anbot, hatte ich schlagartig eine Nußalergie. Ich hab mich sehr gegraust!
    Ich kenne zwei weitere Mädels, die mir ernsthaft versicherten, dass das, was sie da vorne an den Fingern, haben eigene Nägel seien. Aber das sieht man doch, wenn man genau hinschaut, dass das aufgeklebt ist. Wenn man auf einen Ball geht, ist es vielleicht wichtig, aber das ist nicht mein Ding. Als Reiterin hatte ich immer dreckige Hände, musste fest zuzpacken, also derartige Verschönerungen waren noch nie mein Thema. Leider! Ich hätte auch gerne etwas schönere Nägel als die, die der liebe Gott mir zugeteilt hat, aber die Dinger die ich habe, wachsen nicht, splittern nur und sind insgeheim doof und gegen mich! Wir gehören nicht zusammen. Manchmal bin ich traurig darüber, aber höchtens eine Minute lang. Vor acht Jahren sind sie mal aus Versehen und von mir unbeobachtet gewachsen, dann habe ich sie sofort schön lackiert und dann sind sie alle auf einmal wieder abgebrochen. So ein blöder Mist. Können wir vielleicht mal über was anderes schreiben als über Fingernägel?!

    • Also jetzt weiß ich’s aber auch nicht mehr, wie machen. Terroranschläge sind nicht recht, Fingernägel auch nicht. Gut, dann schreibe ich morgen eben über meine Elektro-Sanitär-Arbeiten. Bitteschön! Ich kann mich übrigens an sehr rote Fingernägel erinnern als ich klein war.

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