Loombänder, Kaffeekapseln?!

Ich sitze im Zug nach Paris. Mir schräg gegenüber hat sich gerade – mit erheblichem Aufwand – eine semmelblonde Familie gesetzt. Mama, ein Bub und ein Mädchen. Ich bin noch nicht ganz wach und gerade da gelingt es der Siebenjährigen, dass ich mich innerhalb von einer Sekunde auf die andere wie ein Volltrottel fühle. Nun war auch der gestrige „Tatort“ nicht gerade dazu angetan, mit sich und einem redlichen, mäßig ertragreichen Schaffen hundertprozentig zufrieden zu sein, aber dieses Kind mit seinem vierzig auf dreißig Zentimeter großen Plastikkasten voller Gummiringerl (Looms?) gibt mir den Rest.
Habe ich nicht zwei Stunden zuvor noch die Innenverpackung der Lindt-Mini-Pralinen mühsam wieder aus dem Papiergehäuse gefischt und sie in den Plastikmüll gequetscht? Kaufe ich nicht auch deshalb gerne weiß-blaue Milchprodukte, weil man von der hauchdünnen Plastikverpackung die stabilisierende Papierbanderole abreißen kann und sie getrennt entsorgen muss? Verschrecke ich nicht wahlweise türkische oder marokkanische Obst- und Gemüsehändler hier wie dort immer wieder durch mitgebrachte Taschen oder die Bemerkung, tun Sie doch bitte alles zusammen in eine Tasche? Ja bin ich denn die Einzige, die weiß, was Plastiktüten oder Plastikteile im Magen von Fischen anrichten können und dass quadratkilometergroße Plastikmüllinseln über die Weltmeere treiben? Von nötigen oder unnötigen Verpackungen, von Plastikflaschen, Gummitieren, die man für einen Urlaub am Strand kauft und dann wegwirft, von Flüssigwaschmittelflaschen und so weiter. Wie kann man angesichts all dessen etwas so Überflüssiges genehmigen, produzieren, vermarkten und dann auch noch seinem Kind kaufen? Eine Strickliesl erfüllt denselben Zweck, nämlich Kinderhände zu beschäftigen und produktiv zu sein. Ist Mülltrennen und -vermeiden eine Beschäftigungstherapie? Muss man denn jede Mode mitmachen? Ich rege mich allerdings auch in Rom immer ganz fürchterlich über all das Plastikzeugs auf, das jedes Jahr aufs Neue in den Geschäften der kurnasigen Menschen verkauft wird. Allein der Geruch in einem solchen Laden kann einen benebeln.
Derweil ginge es doch auch anders: Die Mutter strickt und der Sohn macht Zahlenrätsel. Gerade kleine Mädchen, die einen, bestellt man ein Schnitzel wie einen Mörder anschauen (wegen der armen, armen Tiere) könnten meiner Meinung nach prima auch über diese Folgen dieser Plastikexzesse aufgeklärt werden. Der Hype um Kaffeekapseln würde sich auch schnell wieder legen, wenn allen klar wäre, dass der Preis für den Kaffee ca. 10 % des Verkaufspreises beträgt. Der Rest geht für Verpackung und Werbung drauf – leider nicht für Recycling. Autos mit Start- und Stoppautomatik bringen nicht so viel Nutzen wie durch all diese sinnentleerten Moden vernichtet wird und als Verbraucher, der lernen musste, dass die neue Waschmaschine jetzt lieber zweieinhalb Stunden braucht wegen der Energie-und Umweltschonung fühle ich mich SEHR auf den Arm genommen. Offenbar befinden wir uns energietechnisch gesehen in einem Nullsummenspiel zwischen Engagement und Ignoranz.

4 thoughts on “Loombänder, Kaffeekapseln?!

  1. Bereits im Jahr 1975 ! hatte ich eine reizende schon etwas betagte Nachbarin, die mir, die ich täglich zum Bäcker sauste, um meine Familie mit frischen Semmeln zu verwöhnen, eine selbst gehäkelte Tasche für eben diese Semmeln geschenkt hat. In den Jahren, die folgten habe ich, wie an der Schnur gezogen, diese Häkeltaschen mit mir geführt, um darin Brot und Semmeln unterzubringen. Ich verstehe gar nicht, wann und warum mir diese Gewohnheit abhanden kam. Eigentlich ungeschickt. Ich werde mich auf die Suche nach dieser Tasche machen und sie wieder mitnehmen. Damals wollte man allerdings Papier sparen, aber eigentlich ist es egal, ob wir Papier oder Plastik verschwenden, wir verwenden diese Dinge einfach nur noch sinnlos. Das beginnt bereits damit, dass jeder, der seinen Namen schreiben kann, auch gleich meint, das würde ihn zu einem Schriftsteller machen. Es gibt so furchtbar viele Bücher, bei denen es ein Verbrechen ist, dafür einen Baum zu töten, da werde ich sehr, sehr böse.
    Am deutlichsten ist mir der Missbrauch mit Plastiktüten in Thailand aufgefallen. Einer der Hauptgründe, einmal und nie wieder nach Südostasien zu reisen. Dieses ganze Land ist verseucht mit Plastik. In Plastiktüten wird auch noch Benzin transportiert, man lässt an der Tankstelle eine Tüte voll laufen.
    Wir sind mit einem superschnellen Boot und zwei Skippern in einen Inselnationalpark gefahren, d.h. zwei Stunden mit Vollgas übers Meer. Wir sahen die schönsten Inseln, die man sich vorstellen kann und haben. da wir ja nur vier waren, verbotenerweise an einer einsamen Insel angelegt. Auf mindestens drei Metern Breite lag nur angeschwemmter Plastikmüll. Das war zum Weinen schlimm. In den Palmen sind die Affen geklettert, unser Skipper ist auch auf eine Palme und hat mir Kokosnüsse geholt und ich lag inmitten von alten Flaschen, Tüten und Flipflops.
    Damals wurde mir bewusst, dass wir unsere Welt kaputt kriegen und zwar schneller als uns lieb ist. Drum Ihr Mädels und Buben der alte Spruch: Jute statt Plastik, ist gültiger denn je!

    • Jawoll! Bravo! Und es gibt auch keinen Grund, Flüssigseifen, Flüssigwaschmittel und verpacktes Obst zu kaufen! Es ist einfach eine Mode, sonst gar nichts. Wenn schon vor so vielen Jahren drei Meter Plastikmüll herum geschwommen sind, möchte man sich gar nicht vorstellen, wie groß der Berg jetzt ist.

  2. O Gott, o Gott wie soll ichs sagen? Dieser Hype ist auch am Patenkind der lieben Bloggerin nicht vorbei gegangen. Wenn ich aber sehe, was daraus entsteht, kleine bezaubernde Tiere, Obst, Armbänder. ein solches besitzt die Bloggerin bereits bzw. ihr lieber Mann in den Farben Italiens. Ich bin grundsätzlich dabei, nehme keine unnötige Plastiktüte, kaufe kein abgepacktes Obst, habe in jeder Tasche eine zusammengefaltete Einkaufstasche, immer bereit, alles darin zu verstauen, was einem überraschend über den Weg läuft. Nun ja die Plastikgummis sind sicherlich gefährlich, wenn sie in kleine Fischmägen gelangen, aber meine Tochter meinte neulich, als ich ihr sagte, das sei ja wie Stricken, was sie da machst, nein nein das hier ist moderner. Ja mdi, was soll ich sagen? Statt in das Handy zu schauen oder den iPod oder den Fernseher werden mit den Händen und vielen Hilfsmitteln (Gabeln) wahnsinnig schöne Kunstwerke gebastelt.

    • Ja, ja, ich weiß, aber es ist dennoch schlimm! Das ausgesprochen kreative Kind würde auch die alte Strick- und Häkelwelt modernisieren, da bin ich mir sicher. Gab es nicht mal die Woll-Phase? Was ist daraus geworden?

Schreibe einen Kommentar zu Prunkschaf x

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert