Body Shaming

Ich habe erst vor ein paar Tagen – wie leider bei so manchen lebenswichtigen Aktualitäten – vom Film-in-aller-Munde „Embrace“ gehört. Und den Begriff Body Shaming habe ich eher unter der Hand, bzw. im Unterbewusstsein aufgenommen. Egal. Jetzt spiel ich wieder mit und äußere mich natürlich dazu. Denn natürlich shame auch ich meinen Body. Zum Beispiel meinen Bauch oder meine leider recht großen Füße. Jüngst kamen auch meinen Waden dazu. Ich gebe zu, ich jammere – wie die meisten – auf hohem Niveau. Es ist wie mit den Yachten oder Gulfstreams: eine ist immer größer (oder eben kleiner….). Das stimmt. Aber warum tun wir Frauen das? Weil wir Kritik vorgreifen wollen? Uns damit unangreifbar, niedlich, klein, ungefährlich machen wollen? Wie „Hurricane“ in dem wunderbaren gleichnamigen Film? Der seine Gefängniszelle niemals verließ, weil er sich dann frei fühlen konnte. Frei zu bleiben. Frei zu entscheiden, ob er raus wollte oder nicht? Auch wenn diese Wahlfreiheit nur eine Stunde war am Tag war, ihm aber auch die restlichen 23 Stunden die Gewissheit seiner freien Entscheidung gegeben hat?

Frauen und ihre Körper sind eine unergründliche Geschichte. So richtig zufrieden scheinen nur diejenigen Frauen zu sein, die es in den Augen der anderen, der vom Medienideal gegeißelten, am allerwenigsten sein dürften. Diese Glücklichen sind meist die Kräftigeren, die in fuchsiafarbenen Leinenhosen, T-Shirts und dunkelblauen Birkenstocks, wahlweise Treckingsandalen. Oft schieben sie noch zufrieden ein oder zwei Kinder vor sich her und bossen ihre schmalen Männer in furchteinflößender Manier herum. Man merkt, aus mir spricht der pure Neid. Gerne hätte ich – allerdings in fast jeder Beziehung – ein solches Selbstvertrauen, das unabhängig von Spiegel und Medien fest in meinem Selbst verankert ist. Das Selbstbewusstsein, das mich über alles stellt und die Welt als Diener meiner inneren Werte betrachtet. Ist aber nicht so. Ist bei den wenigsten meiner Freundinnen so. Und das ist – um einen längst vergessenen Bürgermeister zu zitieren – auch gut so.

Denn gerade diese neckende Unzufriedenheit, das leichte Rumkritteln an sich kann auch der Beginn oder der Kitt von Beziehungen sein. Nichts ist ärgerlicher als solch wahnsinnig selbstbewusste Personen, denen nie etwas misslingt, die großartig aussehen und alles prima hinkriegen. Außer unzulänglich kann sich in ihrer Gegenwart nur schwer jemand fühlen. Klar, Selbstliebe. Superwichtig! Elementar geradezu. Aber in gesteigertem Ausmaß nicht direkt sympathisch. Sich ein bisschen kleiner machen, um anderen zu gefallen ist natürlich saudumm und nicht nett sich selbst gegenüber, aber liest man sich eine der vielen Definitionen eines Gentlemans mal genauer durch, dass es nämlich solch einer ist, der dafür sorgt, dass andere sich in seiner Gegenwart wohl fühlen, dann gehört manchmal gar nicht so viel dazu, das zu bewerkstelligen. Protzerei und pure Selbstzufriedenheit tragen sicher nicht dazu bei. Übertriebene Selbstkritik auch nicht, denn die zwingt andere dazu, das Gegenteil zu beteuern und wird leicht zum manipulativen Fishing for compliments. Aber Dinge oder Fähigkeiten, die andere einschüchtern auch mal zu relativeren und dem Mitmenschen klar machen, dass hinter der ein oder anderen scheinbar mühelosen Erscheinung oder Fähigkeit harte Arbeit oder ein Gottesgeschenk steckt oder man das selbst leider noch nicht so positiv sehen kann, ist sicherlich eine freundliche und gute Basis. Für sich selbst und andere. Ich glaube, es ist nicht immer gleich alles Body Shaming, sondern Vieles auch eine Angewohnheit, denn wenn so viele Frauen mit ihrem Körper unzufrieden sein sollten, würden sie es doch ändern, oder? Wir sind doch nicht blöde.