Dazwischen leben

Nach solchen Highlights wie einer ganzen Geburtstagswoche, die – ich muss es zugeben – fast schon royale Züge angenommen hat, könnte man ja durchaus in ein Loch fallen. Tut man aber nicht. Weil man schlau ist und sich gleich weitere schöne Dinge vornimmt oder sie zumindest plant. Nach Paris fahren zum Beispiel. Oder den nächsten Fünfziger am drauffolgenden Wochenende feiern oder weitere Geburtstage in der Familie begehen. Schönes vorzuhaben ist etwas ganz Wichtiges finde ich und bei mir stellt sich das – wie bei anderen vielleicht auch – relativ leicht dar, denn an sich muss es nichts Großes sein. Mit einer Freundin Cappuccino trinken reicht schon. Bei mir kommt – betrachtet man es positiv – auch noch hinzu, dass ich meinen Mann immer nur am Wochenende sehe und es damit einfach ist, etwas Schönes vor sich zu haben. Die wahre Kunst besteht darin, auch dazwischen zu leben. Klar, leben tut man schon, aber auch mit der Intensität? Mit der Freude? Dem Elan? Was macht das Leben aus? Die Spannung, das Neue, die Aufregung? Das Warten auf was Schönes? Braucht es (das Leben) – wie das Gehirn – auch Phasen, all das zu verarbeiten und mal ruhig vor sich hin zu sortieren? Kommen die automatisch? Sollte man also Gas geben, solange es geht? Oder ist das typabhängig? Von allem ein bisschen vermutlich.

Was passiert, wenn man immer aufregende neue Dinge tut? Nie Routine hat? Oder im Gegenteil gar keine neuen Dinge erlebt, nicht unter Menschen ist und ein einziges tägliches Einerlei hat? Beides ist vermutlich fatal und wie bei allem macht der Wechsel die Mischung aus. Wie ein Intervalltraining im Wald. Hundert Meter rennen, fünf Minuten gehen, hundert Meter hüpfen, wieder gehen. Menschen, die immer unterwegs sind, nie dasselbe tun, müssen doch wahnsinnig müde werden. Sie kommen glaube ich in so einen unwirklichen Zustand, der sie nur noch auf Sparflamme atmen und leben lässt und sie überhaupt nicht mehr runter- und bei sich ankommen. Oder ist das dann ihre Routine? Sind sie dran gewöhnt? Ein Freund von uns tut sich wahnsinnig schwer damit, mehr als vier wache Stunden zuhause zu sein, ohne etwas vorzuhaben oder essen zu gehen. Ich würde da verrückt werden. Mein Leben unter der Woche ist so dermaßen ruhig und voller Routine, dass es zum Piepen ist. Ich könnte das gar nicht aushalten, wenn ich jeden Tag irgendwas Neues zu tun hätte. Meine nettesten Tage sind die, bei denen der Gang zur Schneiderin das Highlight ist und ich ansonsten vor mich hintippe. Manchmal nehme ich mir dann noch vor, abends aus zu gehen und verwerfe es dann schaudernd wieder, worüber ich mich wahnsinnig freuen kann, weil es ist, als würde man bei P&C was kaufen und es dann wieder zurück bringen. Das ist wie gespart oder verdient oder Schlimmes abgewendet. Eigenartig unser kleines faules Gehirn oder? Will alles so rasch wie möglich standardisieren und einordnen. Damit es weniger Arbeit mit uns hat.

Wahrscheinlich ist es wohl wichtig, beide Phasen zu genießen und sie auch bewusst suchen. Gerade bei so überaus besonderen Gelegenheiten wie einer Feier kann man sehen, wie viel Energie da rumhüpft und wie sehr sie die Menschen aufladen kann. Wie sie auftauen und sich freuen und Teile von sich entdecken, von denen sie selbst nicht mehr wussten, dass sie da sind. Und dann ist es wieder traumhaft, einen Tag auf dem Sofa zu verbringen und gar nicht raus zu gehen. Eine liebe Freundin von mir hat sich vor sehr vielen Jahren mal wahnsinnig echauffiert, dass ich in verschiedenen Gruppen verschiedene Menschen bin. Heute weiß ich, dass das völlig normal ist, dass jeder Mensch verschiedene Rollen in verschiedenen Umfeldern einnimmt. Das macht die Vielfalt eines Charakters und eines Wesens aus. Und genauso ist es auch mit dem Leben, glaube ich. Denn eigentlich ist es so wie mein Mann immer wieder sagt, wenn ich mich fürchterlich über etwas aufrege: Alles geht in Wellen, mal hoch, mal runter, ist immer in Bewegung. Das ist Leben. Schön ist das. Und schön ist auch, wenn man so einen klugen Mann hat.

2 Gedanken zu „Dazwischen leben“

  1. Eine Bekannte sagte mir neulich freudig sie hätte nun ihren Alltag wieder. Ihr Mann ist erkrankt und hat die Nacht zum Tag gemacht ist erst mittags aufgestanden schrecklich. Als ich vor Jahren eine schwere Krankheit überstehen musste war es auch mein Alltag den ich wieder zurück haben wollte. Ich genieße so einen Tag wie heute aufstehen die Kinder in die Schule schicken bisschen Haushalt machen ganz wichtig die
    Waschmaschine anschalten einkaufen gehen das Essen fürs Wochenende planen mit dem Hund gassi gehen Mittagessen kochen großartig ! Heute gehe ich sogar ins Theater was ich Freitags nicht so gerne tue weil die Abende zu Hause so schön sind meistens ist Pizza Abend alle sind froh das die Woche vorbei ist und das Wochenende vor der Tür steht. Ich glaube auch es ist schön wenn man sich auf etwas freut und dazwischen seinen Alltag hat !

  2. Dazu kann ich nicht allzuviel sagen, ich empfinde mein Leben als sehr langweilig und öde. Keiner kann was dafür, das ist der rasend schnelle Verfall meines Körpers. Insgesamt sehr ärgerlich. Was soll ich sagen, noch vor 15 Jahren hätte ich keine Wohnung gebraucht, ich wäre am Liebsten nur auf Reisen gewesen. Ich war immer unglücklich, wenn eine Reise zu Ende ging. Es gibt unzählig viele Dinge auf der Welt die ich noch sehen wollte, aber wie oben erwähnt, bin marode! Irgend jemand hat mal zu mir gesagt, Ich werde eines Tages schlagartig altern, ich befürchte daß das irgendwann vorgestern oder so war. So ein Mist. Blöder!

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