Viel Bier, viele Fragen

Ganz ehrlich: wenn ich morgens um 07.44 Uhr einen Sechserpack Bier in einen Zug transportieren wollte, würde ich eine Tüte nehmen. Auch in Dirndl und Lederhose. Auch wenn Spaß oder Pressbetankung große Teile des Tagesprogramms ausmachen würden. Man könnte sie ja am Zielort oder nach Erreichung des Ziels entsorgen. Aber überhaupt: wer mag auf frischen Zahnpastageschmack Bier trinken? Wie ekelig.
Was unsere Großeltern und auch viele Eltern noch in Fleisch und Blut war, ist heute fast kein Thema mehr. Das Bedenken der Befindlichkeiten von Mitmenschen. Andererseits, warum sollte es jemanden stören, wenn ein Mitmensch sieben Uhr morgens für genau die richtige Zeit hält, drei Liter Bier auf der Fahrt zum teuren Oktoberfest in sich zu schütten? Der Ort des Geschehens ist tiefstes Schwaben, die Mädels und Jungs sind jung, die Wiesn ist teuer, also an sich alles völlig logisch. Es dreht sich vielmehr um das eigene Wertesystem und da fängt das Problem an: beim Werten. Aber wo kommt die Grenze zur Gleichgültigkeit? Zur vollkommenen Ignoranz? Dazu, dass man zum Beispiel „die Flüchtlinge“ sagt und nicht „die kleine Ayasha, die ihre Mama verloren hat und deren großer Bruder sie nun in Sicherheit nach Europa bringen will“? Wann einmischen und wann nicht? Wann helfen? Wäre nicht schon sieben Uhr morgens ein guter Moment, um Schlimmeres zu verhindern?
Ich sitze im Zug und habe es natürlich auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig gesehen, aber ich hätte auch nichts gesagt, wenn ich im selben Zug sitzen würde. Kann das Leben funktionieren, wenn jeder möglichst berührungsfrei in seiner Lebenskapsel verbleibt? Wird die Welt besser oder schlechter, wenn welche mit hohem Sendungsbewusstsein das Leben Anderer zu beeinflussen trachten? Bin bestimmt übermüdet und bissle neidisch auf Wiesnbesucher. Das wird’s sein.

One thought on “Viel Bier, viele Fragen

  1. Um es gleich zu sagen, man isst und trinkt nicht auf der Straße, man raucht nicht auf der Straße und von meinem Gymnasium war es auch noch verboten, Eis auf der Straße zu schlecken! Warum wurden diese ehernen Regeln gelockert?! Ich habe keine Lust, mir diese übergewichtigen, rauchenden und telefonierenden nachlässig gekleideten, meist nicht gut riechenden jungen und mitteljungen Menschen anzuschauen. Man hat gar keine andere Möglichkeit, als die der vollkommenen Ignoranz dem Umfeld gegenüber, um zu überleben. Mein geliebter Fußballgott läuft ja heute noch fassungslos vor lauter Starren und Staunen gegen Laternenmasten. Das muss nicht sein! Die Tagesmaxime muss immer lauten, frisch geduscht und angezogen, daheim gegessen und getrunken und nüchtern! das Haus verlassen.

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